# taz.de -- Neues Wahlrecht in Ungarn: Der nächste Wahlsieg wird vorbreitet | |
> Eine Pflicht zur Wählerregistrierung samt Neugestaltung der Wahlkreise: | |
> Die rechtsnationalistische Fidesz hat sich und Ungarn ein neues Wahlrecht | |
> verpasst. | |
Bild: Das neue Wahlrecht sichert ihm den Chef-Posten: Premier Viktor Orbán. | |
WIEN taz | Wählerinnen und Wähler in Ungarn müssen sich künftig vor jeder | |
Wahl registrieren lassen. Das verfügt die jüngste Wahlrechtsreform, die am | |
vergangenen Freitag im Parlament in Budapest mit den Stimmen der | |
Regierungsparteien beschlossen wurde. | |
Die Opposition sieht darin eine weitere Neuerung, die dem Machterhalt der | |
rechtsnationalistischen Fidesz und ihres Premiers Viktor Orbán dienen soll. | |
Expremier Ferenc Gyurcsány von der sozialdemokratischen MSZP trat aus | |
Protest sogar in einen einwöchigen Hungerstreik, der medienwirksam in einem | |
Zelt vor dem Parlament inszeniert wurde. | |
Er findet die Registrierung vor den Wahlen 2014 undemokratisch: „Wenn wir | |
zulassen, dass Orbán das Wahlsystem derart verändert, werden wir diese | |
Regierung nicht verjagen können, die uns das Land kaputtgemacht hat.“ | |
Bildungsferne und wenig an Politik interessierte Menschen würden | |
ausgesiebt. | |
Und Sympathisanten der Opposition. Denn keine Partei verfügt über einen | |
ähnlich effizienten Mobilisierungsapparat wie Fidesz. Und allen sind noch | |
die durchgesickerten Erklärungen des Fidesz-Politikers Gábor Kobatov in | |
Erinnerung, der vor den Wahlen 2010 auf einer Parteiveranstaltung davon | |
geschwärmt hatte, wie man mit Hilfe von Listen „die Kommunisten“ unter den | |
Wählern identifizieren könne. | |
Das Nachrichtenportal [1][origo.hu] zitierte auch einen Fidesz-Funktionär, | |
der meinte, wer sich 2014 nicht registriere, sollte auch von den folgenden | |
Wahlen ausgeschlossen bleiben. | |
Orbán, dessen Popularität dank Wirtschaftsflaute und autoritärer Maßnahmen | |
spürbar gesunken ist, will beim nächsten Wahlgang nichts dem Zufall | |
überlassen. Das Parlament wurde von 386 auf 200 Sitze fast halbiert und das | |
Wahlsystem – ein Mischsystem zwischen einem Verhältnis- und einem | |
Mehrheitswahlrecht – vereinfacht. | |
Jüngst mit ungarischen Pässen versehene Magyaren in den Nachbarländern | |
dürfen mitmachen, jedoch ohne passives Wahlrecht. Zudem dürfen sie nur für | |
eine Partei stimmen. Wer in Ungarn lebt, hat eine zweite Stimme für einen | |
Direktkandidaten. | |
Die neuen Wahlkreise wurden so zugeschnitten, dass in linken Hochburgen | |
Mandate schwerer zu erringen sind als in konservativen. Die linksliberale | |
Tageszeitung Népszabadság hat errechnet, dass Fidesz unter diesen | |
Rahmenbedingungen mit 54 Prozent der Stimmen nicht nur zwei Drittel, wie | |
jetzt, sondern vier Fünftel der Mandate gewonnen hätte. | |
19 Sep 2012 | |
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[1] http://origo.hu | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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