| # taz.de -- Ungarische Zeitung „Népszabadság“: Pressefreiheit zu verkaufen | |
| > Der Ringier-Verlag will die liberale Zeitung „Népszabadság“ veräußern. | |
| > Regierungsnahe Rechte wie Sozialdemokraten könnten zugreifen. | |
| Bild: „Es gibt keine Pressefreiheit mehr in Ungarn“, titelte „Népszabad… | |
| Népszabadság, der größten Qualitätstageszeitung Ungarns, geht es an den | |
| Kragen. Der Mehrheitseigner, der schweizerische Ringier-Konzern, will das | |
| linksliberale Blatt verkaufen. Und beide Optionen der Übernahme verheißen | |
| für Belegschaft und Leserschaft nichts Gutes. | |
| Entweder droht der Kauf durch einen ungarischen Oligarchen und damit die | |
| Gleichschaltung im Sinne der rechtsnationalistischen Regierungspartei | |
| Fidesz oder die Verwandlung in ein inoffizielles Parteiorgan der | |
| Sozialdemokraten. | |
| Népszabadság ist begehrt, denn immer wenn Regierungsvertreter ihre | |
| Behauptung belegen wollen, in Ungarn herrsche volle Pressefreiheit, | |
| verweisen sie gern auf die regierungskritische Zeitung. Zwar hat sie in den | |
| letzten zehn Jahren die Hälfte ihrer Leser verloren, doch mit einer Auflage | |
| von 63.000 ist sie immer noch die wichtigste Tageszeitung. Allerdings fährt | |
| sie Verluste ein. | |
| Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass das Blatt zu überhöhten | |
| Preisen in der Ringier-eigenen Druckerei drucken muss. Der Schweizer | |
| 70-Prozent-Eigentümer holt sich damit jene Profite, die von der | |
| Sperrminorität der Stiftung Freie Presse verhindert werden. Die der | |
| sozialdemokratischen MSZP gehörende Stiftung, die 27,7 Prozent der Aktien | |
| hält, hatte Einsparungen im Betrieb und Entlassungen blockiert. | |
| ## Schnäppchenpreis von umgerechnet 10.000 Euro | |
| Dass Ringier sein Renommierblatt in Ungarn abstoßen will, hängt neben den | |
| Verlusten auch damit zusammen, dass sie ihre Tochtergesellschaften in | |
| Osteuropa mit denen der Axel Springer AG fusioniert. Überall wurde das von | |
| den Kartellwächtern genehmigt, außer in Ungarn. Da wurde eigens ein Gesetz | |
| geschaffen, das es der regierungshörigen Medienbehörde erlaubt, in | |
| laufenden Verfahren ein Veto einzulegen – und das hat sie getan. Der | |
| Abgeordnete Gergely Karácsony von der grünen LMP meint dazu in einem Blog, | |
| Fidesz würde damit signalisieren: „Ihr könnt heiraten, aber ohne | |
| Népszabadság.“ | |
| Die Stiftung Freie Presse hat daher Ringier angeboten, ihre Anteile | |
| abzugeben, damit der Medienkonzern nach eigenem Gutdünken mit der Zeitung | |
| verfahren kann. Nach einjährigen Verhandlungen war für Anfang Juli bereits | |
| die Übergabe geplant, als Ex-Kanzler und Ringier-Berater Gerhard Schröder | |
| plötzlich ein Treffen in Berlin einberief. | |
| Dort verkündete er seinem sozialdemokratischen Kollegen und MSZP-Chef | |
| Attila Mesterházy, Ringier wolle nicht mehr kaufen, sondern verkaufen. So | |
| schildert es das ungarische Wochenmagazin HVG. Mesterházy habe daraufhin | |
| angeboten, die Stiftung werde von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Für | |
| den Schnäppchenpreis von umgerechnet 10.000 Euro will sie das ehemalige | |
| Organ der Sozialistischen Einheitspartei übernehmen. Die restlichen ca. | |
| fünf Millionen Euro sollen zwischen 2015 und 2025 abgestottert werden. | |
| ## „Wir sind keine Mannschaft mehr“ | |
| In der Redaktion von Népszabadság, wo noch das Titelblatt jener Ausgabe aus | |
| dem Jahr 1990 hängt, auf dem die redaktionelle Unabhängigkeit erklärt wird, | |
| zweifelt man an der Lauterkeit der Sozialdemokraten. Man vermutet, dass die | |
| MSZP sich für die Wahlen 2014 die mediale Rückendeckung sichern wolle und | |
| das Blatt daher auf Parteilinie trimmen werde. Manche Journalisten würden | |
| sich in vorauseilendem Gehorsam bereits anpassen, klagt ein Redakteur: „Wir | |
| sind keine Mannschaft mehr, die an einem Strang zieht.“ | |
| Die einzige Alternative scheint ein Angebot des regierungstreuen László | |
| Csintalan zu sein. Die Online-Zeitung Pester Lloyd vermutet, dass hinter | |
| ihm das Kapital des ungarischen Oligarchen Lajos Simicska stehe, der | |
| wiederum die Interessen von Premier Viktor Orbán vertrete. Auch keine | |
| schöne Aussicht. | |
| 4 Sep 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Leonhard | |
| Ralf Leonhard | |
| ## TAGS | |
| Ungarn | |
| Stellenabbau | |
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