# taz.de -- Roma in Ungarn: „Hauptmann Daflics“ kampfbereit | |
> Nach jahrelangen Attacken durch rechtsextreme Milizen kündigen Roma den | |
> Aufbau einer Garde zur Selbstverteidigung an. Der Gründer wird verhaftet. | |
Bild: Im ungarischen Gyöngyöspata mussten sich Roma häufig gegen Angriffe Re… | |
WIEN taz | Mit eigenen Selbstverteidigungskorps will sich Ungarns | |
Roma-Minderheit gegen Attacken rechtsextremer Gruppen schützen. Ferenc | |
Bagó, der die Gründung einer Roma-Garde angekündigt hat, wurde Donnerstag | |
in der Stadt Pécs gemeinsam mit vier weiteren Personen festgenommen. Die | |
Polizei wirft ihm „Gründung einer kriminellen Vereinigung und Störung der | |
öffentlichen Ordnung“ vor. | |
Schon als die faschistische Partei Jobbik vor fünf Jahren ihre Ungarische | |
Garde vorgeblich zum Schutz gegen „Zigeunerkriminalität“ gründete und die… | |
bedrohlich in Roma-Siedlungen aufmarschieren ließ, hatte man bei der | |
gesellschaftlich verachteten Minderheit Gegenmaßnahmen diskutiert. | |
Jetzt wurde im südungarischen Pécs ein Verein eingetragen, der eine | |
Roma-Garde aufbauen will. Der selbst ernannte „Kommandant“ Ferenc Bagó | |
beschreibt in ungarischen Medien die Rolle der Miliz als reine | |
Selbsthilfetruppe. Man wolle „Roma, Juden und alle sich bedroht fühlenden | |
Minderheiten auf Anforderung beschützen, bis die Polizei eintrifft“. | |
Berichte über Geldsammlungen für Waffenkäufe stellte Bagó als | |
„Missverständnis“ dar. Auf einem Foto gibt sich der Mann martialisch mit | |
einem Schwert in der Hand. Als Vorbild nennt er aber den afroamerikanischen | |
Bürgerrechtler Martin Luther King, der auf gewaltlosen Widerstand setzte. | |
Bagó war in der Vergangenheit wegen eines Diebstahls verurteilt worden. | |
## 400 Mann starke Truppe? | |
Ob „Hauptmann Daflics“, wie Bagó sich nennt, tatsächlich bereits über ei… | |
Truppe von 400 Mann gebietet, wie er behauptete, ist zu bezweifeln. Von | |
bisherigen Einsätzen der Garde ist jedenfalls nichts bekannt. Und die | |
lokalen Medien fragen sich, wie eine so große Truppe bisher völlig | |
unbemerkt geblieben sein könne. Bagó gilt den meisten jedenfalls als | |
begnadeter Selbstdarsteller, allenfalls als „gut vernetzter Macher“. | |
Die Polizei des Komitats Baranya, wo Pécs liegt, will es gar nicht so weit | |
kommen lassen. Mit „gesetzlichen Mitteln“, so hieß es, werde man die | |
„Schaffung gesetzwidriger Organisationen“ unterbinden. Bei einem | |
Zusammentreffen rechtsextremer Milizen mit bewaffneten Roma-Truppen, so | |
warnen nicht nur Politologen, würde unweigerlich Blut fließen. Deswegen | |
reagieren auch unbeteiligte Roma-Vertreter sehr zurückhaltend. | |
Die rechtsnationale Regierung muss sich jedenfalls vorwerfen, in Sachen | |
Roma viel versprochen und wenig eingelöst zu haben. Premier Viktor Orbán, | |
der über eine Zweidrittelmehrheit seiner Bürgerunion Fidesz im Parlament | |
verfügt, hatte letztes Jahr während der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft | |
angekündigt, 100.000 Roma bis 2015 auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen. | |
Orbán damals: „Wir müssen ihnen klarmachen: Ihr müsst arbeiten.“ Doch au… | |
erniedrigenden und miserabel bezahlten Einsätzen bei kommunaler | |
Zwangsarbeit ist für die Roma von den neuen Maßnahmen wenig zu sehen | |
gewesen. | |
7 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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Jobbik | |
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