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# taz.de -- Salafistenvereine verboten: „Oh Allah, zerstöre sie“
> Der Innenminister verbietet drei salafistische Vereine. Einen Teil der
> Szene könnte das weiter radikalisieren. Im Netz beschimpfen sie den
> „Verfassungsschmutz“.
Bild: Wütende Stimmung bei einer Anti-Pro-NRW-Demo in Bonn 2012.
KÖLN/BERLIN taz | Zum zweiten Mal in seiner Amtszeit geht
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit einem Vereinsverbot
gegen die salafistische Szene vor. Von Mittwoch um 6 Uhr an durchsuchten
Polizisten unter anderem in Solingen, Düsseldorf und Frankfurt die
Wohnungen von 20 Männern und Frauen, beschlagnahmten Computer, Handys, Geld
und Propagandamaterial. Rund 120 Beamte waren in Nordrhein-Westfalen und
Hessen im Einsatz.
Verboten wurden drei islamistische Gruppen, von denen aber nur eine von
größerer Bedeutung ist: „DawaFFM“ um den 41-jährigen Salafistenprediger
Abdellatif Rouali, der sich selbst „Sheikh Abdellatif“ nennt. Die 2008
gegründete Gruppe aus Frankfurt am Main befand sich schon länger im Visier
der Sicherheitsbehörden.
Sie war stark missionarisch aktiv, betrieb intensive Jugendarbeit,
organisierte Fußballturniere, Grill-Events und bundesweite Seminare. Ihr
Logo: Ein Schriftzug im Graffiti-Stil, dazu die Skyline von Frankfurt,
verdeckt von in den Himmel ragenden Minaretten.
Das wäre für sich freilich wenig problematisch. Laut Innenministerium hat
die Gruppe jedoch andere Religionen für minderwertig erklärt und dazu
aufgerufen, diese zu bekämpfen. „DawaFFM“ richte sich „gegen die
verfassungsgemäße Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung“,
heißt es in der Verbotsverfügung. Ein ranghoher Sicherheitsbeamter
formuliert es so: „Es gibt ein bestimmtes Maß an Unerträglichkeit, ab dem
man Hetze und Propaganda einen Riegel vorschieben muss.“
## „Lass es schmerzhaft sein“
So fanden die Behörden bei einer Razzia, die bereits im vergangenen Jahr
stattgefunden hat, in größerer Stückzahl Bücher, in denen das Schlagen von
Frauen und das Töten von „Abtrünnigen“ rechtfertigt werde. Zudem soll
„DawaFFM“ im Internet Videos verbreitet haben, in denen die Vernichtung von
Juden, US-Amerikanern und der von den Salafisten verhassten Schiiten
herbeigesehnt werde. „Oh Allah, zerstöre sie und lass es schmerzhaft sein“,
heißt es laut Verbotsverfügung in einer Hymne in einem dieser Videos.
Eine Rolle für das Verbot von „DawaFFM“ hat nach Angaben aus
Sicherheitskreisen auch gespielt, dass der Frankfurter Flughafenattentäter
Arid Uka, der im März 2011 zwei US-Soldaten erschoss, in Kontakt mit
Propaganda der Gruppe gekommen war. Nach Erkenntnissen der
Bundesanwaltschaft hatte Uka sowohl im Internet Vorträge des
DawaFFM-Chefpredigers gehört, als auch einige Male dessen Veranstaltungen
besucht. Persönlich gekannt haben sollen sie sich aber nicht.
Salafisten propagieren einen vermeintlichen Ur-Islam mit strengen Regeln
für alle Bereiche des Lebens. Ein kleinerer Teil der Szene propagiert den
bewaffneten Dschihad gegen die „Ungläubigen“ und westlichen „Kreuzritter…
in Ländern wie Afghanistan und Mali. Der Verfassungsschutz geht von 4.500
Salafisten in Deutschland aus – bei mehr als 4 Millionen Muslimen
insgesamt. Verbote radikaler Vereine dienten daher „auch dem Schutz der
übergroßen Zahl friedlicher Muslime“, findet Innenminister Friedrich.
Im vergangenen Jahr hatte er nach Straßenschlachten von Salafisten in
Solingen und Bonn bereits die besonders radikale und offen Gewalt
befürwortende Gruppe „Millatu Ibrahim“ verboten. An diesem Mittwoch wurde
nun der salafistische Spendensammelverein „an-Nussrah“ mit Sitz in
Nordrhein-Westfalen als Teilorganisation dieser Truppe ebenfalls aufgelöst.
## Ein Verbot mit Risiken
Das Verbot von „Millatu Ibrahim“ im Juni 2012 hatte jedoch eine
zwiespältige Wirkung. Einerseits schien sich die Szene in Deutschland
danach zumindest im öffentlichen Auftreten zu mäßigen. Andererseits gab es
einen kleineren Teil der Szene, der sich radikalisierte, nach Nordafrika
auswanderte und von dort aus weiter Hetze im Internet verbreitete.
Der Verfassungsschutz spricht von 60 Salafisten aus Deutschland, die in den
letzten zwölf Monaten nach Ägypten übergesiedelt sind. Einige von ihnen
könnten das Ziel haben, sich Dschihadisten in Mali, Jemen oder Syrien
anzuschließen.
Auch jetzt besteht nach Einschätzung aus Sicherheitskreisen die Gefahr,
dass sich einzelne von den Verboten nicht abschrecken ließen, sondern
weiter radikalisierten.
Passend dazu kam es am Mittwoch zu heftigen Reaktionen einzelner Aktivisten
der Salafistenszene. Im Internet wurden die für das Verbot zuständigen
Beamten als „Affen und Schweine“ beschimpft, andere wetterten gegen den
„Verfassungsschmutz“.
13 Mar 2013
## AUTOREN
P. Beucker
W. Schmidt
## TAGS
Razzia
Verbot
Salafisten
Hans-Peter Friedrich
Salafismus
Hamed Abdel-Samad
Religion
Extremismus
Pro NRW
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