# taz.de -- Innenminister verbietet salafistische Gruppe: Staat macht Bin-Laden… | |
> Der Innenminister verbietet erstmals eine salafistische Gruppe, zwei | |
> weitere Verbote könnten folgen. Die Polizei durchsucht Wohnungen in | |
> sieben Bundesländern. | |
Bild: Razzia in der Solinger Millatu-Ibrahim-Moschee. Die Polizei durchsuchte a… | |
BERLIN taz | Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat am | |
Donnerstag erstmals in Deutschland eine salafistische Gruppe verboten – | |
rund sechs Wochen nachdem Anhänger dieser radikalen islamistischen Strömung | |
in Solingen und Bonn randaliert hatten. | |
Nach dem Verbot von „Millatu Ibrahim“ könnte noch für zwei weitere Vereine | |
das Aus kommen: Im Visier der Behörden stehen auch die Gruppen „Die Wahre | |
Religion“ und „Dawa FFM“. „Dieser Staat wehrt sich gegen Angriffe auf d… | |
Freiheit“, sagte Friedrich in Berlin. | |
In sieben Bundesländern durchsuchten mehr als 800 Polizisten Wohnungen und | |
Räume von Mitgliedern der drei Gruppierungen sowie mehrere salafistische | |
Moscheen. Schwerpunkte waren Frankfurt, der Raum Köln/Bonn sowie das | |
nordrhein-westfälische Solingen. | |
Der nun verbotene Verein „Millatu Ibrahim“ bestand erst seit dem | |
vergangenen Herbst. Er hatte sich rasch zur radikalsten Gruppe in der | |
insgesamt rund 4.000 Anhänger zählenden salafistischen Szene in Deutschland | |
entwickelt. Als Anlaufstelle diente eine Hinterhofmoschee in Solingen. | |
## Kommunikation über Chaträume, Facebook und Youtube | |
Ihre Botschaften verbreitete die Gruppe vor allem per Internet: über eigene | |
Webseiten, Blogs, Chaträume und Profile bei Facebook und YouTube. | |
Unmittelbar nach dem Start der Seite der Gruppe im November 2011 hatte der | |
Berliner Verfassungsschutz ihr eine „ideologische Nähe zu al-Qaida“ | |
attestiert. Als Logo diente eine schwarze Dschihad-Fahne, die zuerst vom | |
irakischen Al-Qaida-Ableger verwendet wurde. | |
An der Spitze von „Millatu Ibrahim“ stand der Österreicher Mohamed M. alias | |
Abu Usama Al-Gharib, der für seine „Predigten“ gerne im militärischen | |
Flecktarn-Look auftritt. Er war nach einer mehrjährigen Haftstrafe wegen | |
Terrorpropaganda nach Deutschland gezogen. Ende April wollte ihn das Land | |
Hessen ausweisen. Bevor es so weit kam, setzte er sich nach Ägypten ab, von | |
wo aus er nun weiter agitiert. | |
Das Innenministerium begründet sein Verbot damit, dass die Gruppe „zum | |
aktiven Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ aufgerufen habe und in | |
ihren Botschaften Gewalt und den Märtyrertod befürworte. Ihr Kopf Mohamed | |
M. wird in der Verbotsverfügung mit dem Satz wiedergegeben: „Ya Allah, | |
zerfetze unsere Körper […] lass die Mudschaheddin […] überall siegen.“ | |
## Denis C. dichtete islamistische Kampfhymnen | |
Eine weitere wichtige Figur dieser Gruppe war der Berliner Denis C., der | |
sich einst als Gangsta-Rapper „Deso Dogg“ nannte. Als Salafist dichtete | |
Denis C. wiederholt islamistische Kampfhymnen, in denen er unverhohlen | |
junge Männer zum bewaffneten Dschihad aufforderte oder Osama bin Läden als | |
„schönsten Märtyrer unserer Zeit“ verehrte. | |
Bei den gewaltsamen Ausschreitungen in Nordrhein-Westfalen Anfang Mai seien | |
Mitglieder von „Millatu Ibrahim“ als „aufhetzende Wortführer“ aufgetre… | |
heißt es in der Verbotsverfügung weiter. Der Ex-Rapper Denis C. wird mit | |
einem Lied zitiert, das nach den Krawallen der Salafisten in Bonn | |
veröffentlicht wurde: „Wir geben unseren Schweiß und unser Blut, darum | |
sterben wir“, heißt es dort. „Demokratie, die größte Lüge der Kuffar | |
(Ungläubige, d. Red.), bekämpfen wir.“ | |
Mitte Mai fanden Polizisten bei Denis C. auch noch die „Vorkonzipierung“ | |
einer Sprengstoffweste, was das Innenministerium offenbar darin bestärkte, | |
die Gruppe zu verbieten. Über Pfingsten seien die notwendigen Beweise | |
zusammengetragen worden, hieß es. | |
Die Sicherheitsbehörden hoffen, die Aktivitäten der Salafisten durch die | |
bundesweite Razzia – wenigstens zeitweise – einzudämmen. Es sei aber mit | |
Protesten der Szene zu rechnen, die man genau beobachten werde, hieß es. | |
Tatsächlich reagierten die betroffenen Islamisten am Donnerstag wütend: | |
„Wir werden weitermachen und ihr werdet verlieren“, wetterte der Kopf von | |
„Millatu Ibrahim“ im Internet. „Egal, was ihr tut oder plant, wir werden | |
weiterhin sagen: Demokratie ist Dreck.“ | |
14 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
## TAGS | |
„Islamischer Staat“ (IS) | |
Razzia | |
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