# taz.de -- Einsatz in zehn Bundesländern: Großrazzia gegen IS-Unterstützer | |
> Die Polizei durchsucht Wohnungen und Büros der radikal-salafistischen | |
> Vereinigung „Die wahre Religion“. Die Gruppe steht hinter | |
> Koran-Verteilaktionen. | |
Bild: Auch in Hamburg-Harburg durchsuchten Polizisten eine Moschee | |
Berlin dpa/afp | Mit einer Großrazzia in zehn Bundesländern ist die Polizei | |
am frühen Dienstagmorgen gegen mutmaßliche Unterstützer der islamistischen | |
Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) vorgegangen. Hunderte Polizisten | |
durchsuchten nach Informationen aus Sicherheitskreisen mehr als 200 | |
Wohnungen und Büros von Organisatoren und Anhängern der | |
radikal-salafistischen Vereinigung „Die wahre Religion“, die hinter | |
umstrittenen Koran-Verteilaktionen in deutschen Städten steht. | |
Salafisten vertreten einen am Koran orientierten besonders konservativen | |
Ur-Islam, lehnen westliche Demokratien ab und wollen eine Ordnung mit | |
islamischer Rechtsprechung, der Scharia. | |
Schwerpunkte der Polizeieinsätze, die um 6.30 Uhr zeitgleich in mehreren | |
westdeutschen Bundesländern und Berlin begannen, waren Hessen mit knapp 65 | |
Durchsuchungen – darunter allein 15 in Frankfurt am Main – sowie | |
Nordrhein-Westfalen und Bayern mit jeweils fast 35 Polizeiaktionen. In | |
Niedersachsen durchsuchten die Beamten mehr als 20 Liegenschaften, in | |
Berlin fast 20, in Baden-Württemberg gut 15, in Schleswig-Holstein, | |
Rheinland-Pfalz und in Hamburg je etwa fünf und in Bremen eine. Auch gegen | |
jeweils einen Moschee-Verein in Baden-Württemberg und Hamburg lagen | |
Durchsuchungsbeschlüsse vor. In ostdeutschen Flächenländern gab es keine | |
Durchsuchungen. | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte die Vereinigung „Die | |
wahre Religion“ (DWR) und die von ihr unter dem Titel „Lies!“ organisiert… | |
Koran-Verteilaktionen in Fußgängerzonen verboten und dies als „klares | |
Signal an die Szene“ bezeichnet. „Für radikale gewaltbereite Islamisten ist | |
kein Platz in unserer Gesellschaft“, sagte de Maizière am Dienstag vor | |
Journalisten in Berlin. Das DWR-Verbot sei das zweitgrößte derartige | |
Verfahren nach dem Verbot des sogenannten Kalifatsstaats im Jahr 2001. | |
Die Gruppierung bringe dschihadistische Islamisten unter dem Vorwand der | |
angeblich harmlosen Verteilung von Koranausgaben zusammen, sagte de | |
Maizière. Jugendliche seien durch den Verein „mit Verschwöhrungstheorien | |
radikalisiert“ worden. | |
Das Vereinsverbot sei „das Ergebnis einer sehr intensiven Zusammenarbeit | |
zwischen Verbots- und Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern“, sagte de | |
Maizière. Das Verbot des Vereins ziele nicht auf die Ausübung des | |
islamischen Glaubens. Das Vorgehen der Sicherheitsbehörden richte sich | |
vielmehr „gegen den Missbrauch der Religion“ durch das „Lies!“-Netzwerk. | |
## Laut Verfassungsschutz 9.200 Salafisten in Deutschland | |
Der Verfassungsschutz wirft führenden Akteuren und Sympathisanten der | |
Vereinigung „DWR“ vor, den bewaffneten Dschihad („Heiliger Krieg“) und | |
Terroranschläge zu verherrlichen. Zudem habe die Vereinigung ein bundesweit | |
einzigartiges Rekrutierungs- und Sammelbecken für Dschihadisten aufgebaut. | |
Bisher sind nach Informationen aus Sicherheitskreisen mindestens 140 | |
„Lies!“-Aktivisten und Unterstützer aus Deutschland nach Syrien und in den | |
Irak gereist, um sich der IS-Terrormiliz anzuschließen. | |
Genau eine Woche nach einem Schlag der Behörden gegen Top-Islamisten, bei | |
der die Bundesanwaltschaft unter anderem den als Chefideologen des | |
deutschen Salafisten-Szene bekannten 32-jährigen Iraker Abu Walaa | |
festgenommen hatte, wurden im Rahmen der aktuellen Aktionen keine | |
spektakulären Festnahmen erwartet. Vielmehr ging es vor allem darum, | |
Vereinsvermögen zu beschlagnahmen und Beweismittel sicherzustellen. Zudem | |
wollten die Behörden ein weiteres Zeichen gegen die Aktionen der | |
Radikal-Salafisten setzen. | |
Das Bundesamt für Verfassungsschutz beziffert die Zahl | |
radikal-islamistischer Salafisten in Deutschland bis Ende Oktober auf 9.200 | |
– Tendenz weiterhin steigend. Das Potenzial islamistisch-terroristischer | |
Personen wird auf etwa 1.200 Männer und Frauen geschätzt. Bis Ende | |
vergangenen Monats waren nach Angaben der Sicherheitsbehörden 870 Menschen | |
aus der Bundesrepublik in die IS-Kriegsgebiete in Syrien und im Irak | |
ausgereist. Darunter waren etwa 20 Prozent Frauen. | |
15 Nov 2016 | |
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