# taz.de -- Medien beim NSU-Prozess: Türkeis Regierung lobt Richterspruch | |
> Dass Karlsruhe Plätze für türkische Medien beim NSU- Prozess fordert, | |
> wird auch in der deutschen Politik begrüßt. Journalisten wollen ein neues | |
> Akkreditierungsverfahren. | |
Bild: Nicht genug Platz: Stühle im Gerichtssaal für den NSU-Prozess im Münch… | |
BERLIN/ISTANBUL afp/dpa | Mit Erleichterung haben die Bundesregierung und | |
Politiker aller Parteien den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur | |
Platzvergabe beim anstehenden NSU-Prozess in München aufgenommen. Auch die | |
türkische Regierung begrüßte den Karlsruher Richterspruch. Das | |
Oberlandesgericht München muss eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an | |
türkische Journalisten vergeben, entschieden die Verfassungsrichter und | |
gaben damit einem Eilantrag der türkischen Tageszeitung Sabah statt. | |
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagte | |
dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Ich bin sehr erfreut über dieses Urteil. Der | |
Justizskandal ist damit abgewendet. Das war bitter nötig.“ Die Fortdauer | |
des Streits „hätte einen Schatten auf das gesamte Verfahren werfen können�… | |
fügte Kolat hinzu. „Ich hoffe, dass das Oberlandesgericht für die | |
Platzvergabe jetzt eine praktikable Lösung findet.“ | |
Der Prozess um die Terroranschläge des "Nationalsozialistischen | |
Untergrunds" (NSU) soll am kommenden Mittwoch beginnen. Türkische Medien | |
waren bei der Vergabe der 50 reservierten Presseplätze leer ausgegangen - | |
obwohl acht von zehn Mordopfern türkische Wurzeln haben. Das | |
Oberlandesgericht hatte die Akkreditierungen nach der Reihenfolge des | |
Eingangs vergeben. Im Gegensatz zu anderen Strafverfahren gab es kein | |
spezielles Kontingent für ausländische Medien. | |
## Neues Akkreditierungsverfahren gefordert | |
Wie das Oberlandesgericht (OLG) mit der Entscheidung umgeht, ist noch nicht | |
klar. Zu den Konsequenzen aus der Karlsruher Entscheidung könne sie sich | |
erst äußern, wenn der Senat diese eingehend geprüft und über das weitere | |
Vorgehen entschieden habe, teilte eine Gerichtssprecherin mit. | |
Die Verfassungsrichter ließen offen, wie die Platzvergabe im einzelnen | |
geschehen soll. Sie weisen den Vorsitzenden Richter an, „nach einem von ihm | |
(...) festzulegenden Verfahren eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an | |
Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der | |
angeklagten Straftaten zu vergeben“. Möglich wäre ein Zusatzkontingent von | |
nicht weniger als drei Plätzen. | |
Inzwischen hat der Journalistenverband dju ein neues | |
Akkreditierungsverfahren für den Prozess gefordert. Die Karlsruher | |
Entscheidung ändere nichts daran, dass es insgesamt zu wenig | |
Pressearbeitsplätze gebe, kritisierte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia | |
Haß am Samstag. | |
„Hier sind im Vorfeld aufgrund mangelnder politischer Sensibilität die | |
Weichen vollkommen falsch gestellt worden“, so Haß. „Um diesen Fehler zu | |
korrigieren, müssten das Akkreditierungsverfahren wiederholt und mehr | |
Plätze für die Presse geschaffen werden; auch auf eine solche Möglichkeit | |
weist das Bundesverfassungsgericht ja ausdrücklich hin." | |
## Westerwelle erleichtert | |
Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte Spiegel Online: „Ich bin sehr | |
erleichtert über die Karlsruher Entscheidung.“ Nun könnten auch | |
ausländische Journalisten verfolgen, wie der deutsche Rechtsstaat mit | |
rechtsextremen Straftaten umgeht und diese nach Recht und Gesetz verfolgt, | |
hieß es aus dem Umfeld des Ministers. | |
Vize-Kanzler Philipp Rösler (FDP), der gerade zu einem Besuch in der Türkei | |
war, sagte: „Ich freue mich, dass nun auch türkische Medien unmittelbar | |
über den Prozess berichten können. Denn in der Türkei ist überall zu | |
spüren, wie betroffen die Menschen auf die schreckliche NSU-Mordserie | |
reagieren.“ | |
Erleichtert reagierte auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, | |
Maria Böhmer (CDU). „Das Vertrauen der Migranten in den Rechtsstaat war | |
durch die Aufdeckung der NSU-Morde erschüttert. Durch Transparenz und | |
Offenheit kann es wieder hergestellt werden“, sagte sie der Rheinischen | |
Post. | |
## Grüne: „starkes Signal“ | |
Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir sprachen von einem | |
starken Signal „nicht nur an die Menschen mit türkischen Wurzeln in unserem | |
Land, dass dieser NSU-Prozess fair und transparent verlaufen wird“. Auch | |
die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz meinte: „Nachdem an | |
diesem Punkt nun Rechtsklarheit besteht, bin ich überzeugt, dass der | |
Prozess ordentlich durchgeführt werden kann.“ | |
Positive Resonanz kam auch aus Ankara. Der Richterspruch sei ein „Schritt | |
in die richtige Richtung“, verlautete am Samstag aus dem türkischen | |
Außenministerium in Ankara. Die Türkei hoffe nun, dass das Münchner | |
Oberlandesgericht seine bisherige Haltung überdenke und türkischen | |
Medienvertretern Zugang zum Gerichtssaal garantiere. | |
Die türkische Regierung hatte in den vergangenen Wochen mehrmals die | |
Zulassung türkischer Beobachter bei dem Verfahren gefordert. So wollen | |
Ankaras Botschafter in Berlin, Hüseyin Avni Karslioglu, sowie drei | |
Abgeordnete des türkischen Parlaments am Mittwoch an der Verhandlung | |
teilnehmen. | |
## Warnung vor zu hohen Erwartungen | |
Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy hat allerdings vor zu hohen | |
Erwartungen an den NSU-Mordprozess in München gewarnt. Die politische | |
Aufarbeitung sei nicht Aufgabe des Gerichts, sagte der Vorsitzende des | |
Neonazi-Untersuchungsausschusses des Bundestags der Deutschen Welle. „Das | |
Gericht wird sicherlich nicht bewerten, welche Fehler, welche Versäumnisse | |
den Sicherheitsbehörden zuzurechnen sind, die ja über dreizehn Jahre hinweg | |
dieser rechtsterroristischen Gruppe nicht auf die Spur gekommen sind.“ | |
Dennoch sei das Verfahren, was politisch motivierte Straftaten betrifft, | |
mit Sicherheit der wichtigste Prozess seit den Zeiten der Roten Armee | |
Fraktion, sagte der SPD-Politiker. Er bekräftigte, dass man es „mit dem | |
verheerendsten Versagen der deutschen Sicherheitsarchitektur überhaupt seit | |
Bestehen der Bundesrepublik Deutschland“ zu tun habe. Das gelte nicht nur | |
für den Verfassungsschutz, sondern auch leider für die ermittelnden | |
Polizeibehörden. | |
13 Apr 2013 | |
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