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# taz.de -- Kommentar Videoüberwachung: Handy ersetzt Überwachungskamera
> Die zunehmende Digitalisierung führt unweigerlich dazu, dass wir immer
> mehr Spuren hinterlassen. Zusätzliche Systeme zur Überwachung sind
> überflüssig.
Nein, die Anschläge von Boston sind kein Argument für mehr
Videoüberwachung. Mehr staatliche Kameras helfen weder bei der Abschreckung
noch sind sie zur Aufklärung solcher Terroranschläge erforderlich.
Dass Kameras im öffentlichen Raum abschreckend wirken, wie jetzt
BKA-Präsident Jörg Ziercke behauptet, wird durch jeden Anschlag und jeden
Anschlagsversuch widerlegt. Terroristen sind meist so beseelt von ihrer
Mission, dass ihnen das Entdeckungsrisiko vollkommen egal ist.
Bei Selbstmordattentätern ist das Argument der Abschreckung auf geradezu
makabre Weise nicht zu halten. Und für die Aufklärung solcher Taten sind
neue Polizeikameras zudem überflüssig. Wie der Anschlag von Boston gezeigt
hat, sind im öffentlichen Raum gerade bei gefährdeten Großereignissen
genügend private Aufnahmesysteme im Einsatz: Kameras vor Geschäften,
Kameras der Veranstalter, (Handy-)Kameras von Besuchern.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Attentäter auf solchen Aufnahmen finden
lassen, ist hoch. In Boston hatten die Polizeibehörden zunächst eher das
Problem, dass es viel zu viele Aufnahmen gab und man mit quälend langen
Auswertungen rechnete.
## Vielleicht irgendwann zu gebrauchen
Wer jetzt dennoch mehr staatliche Videoüberwachung fordert, will damit wohl
auch das Prinzip der Vorratsspeicherung hoffähig machen. Der Staat soll
überall im Bild festhalten und Daten erheben – für den Fall, dass er sie
später mal brauchen kann.
Bewegungen auf der Straße, Telefon- und Mailkontakte, Reisen mit dem
Flugzeug – alles soll monatelang, wenn nicht jahrelang vorsorglich
gespeichert werden.
Tatsächlich war Vorratsdatenspeicherung nie so überflüssig wie heute. Die
Digitalisierung immer weiterer Bereiche unseres Lebens führt unweigerlich
dazu, dass wir ohnehin immer mehr Spuren hinterlassen, die im Falle eines
Verbrechens auch dessen Aufklärung erleichtern.
Dagegen besteht die Gefahr, dass zum Beispiel ein Netz staatlicher
Überwachungskameras eher für präventive Ziele aufgebaut wird: für die
Fahndung unter den Passanten mithilfe von biometrischer Gesichtserkennung,
für das Erkennen von ungewöhnlichem Verhalten in der Öffentlichkeit.
Doch dieser präventive Hokuspokus ist ein Irrweg, der nur zu zahllosen
Fehlalarmen und zur Vergiftung des innenpolitischen Klimas führen wird.
22 Apr 2013
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Boston
Videoüberwachung
Vorratsdatenspeicherung
Gesichtserkennung
Polizei
Hans-Peter Friedrich
Boston
Schwerpunkt Überwachung
Google Glass
Anti-Terror-Gesetze
Deutsche Bahn
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