# taz.de -- Lafontaine will nicht in den Bundestag: Der allerletzte Rücktritt | |
> Oskar Lafontaine tritt nicht für die Linkspartei zur Bundestagswahl an. | |
> Zurückgetreten ist er schon oft, doch diesmal kommt die Partei ohne ihn | |
> aus. | |
Bild: Es war einmal: Oskar Lafontaine tritt nicht zur Bundestagswahl an. | |
BERLIN taz | Weder Freund noch Gegner hatten damit gerechnet. Fast alle | |
hatten gedacht, dass Oskar Lafontaine wieder bis zuletzt, bis zum Parteitag | |
der saarländischen Linkspartei am 5. Mai, auf sich warten lassen würde. Ob | |
man bei Genossen im Saarland oder bei Parlamentariern der | |
Bundestagsfraktion nachfragte, stets lautete die Vermutung: Er wird sich | |
die Sache offenhalten. | |
Auf dem Parteitag wäre sein Abgang und der Verzicht auf ein | |
Bundestagsmandat mit einem letzten Trommelwirbel begleitet worden. | |
Gespannte Erwartung im Saal, dann sein Auftritt. Das hätte zu Oskar | |
Lafontaine gepasst. | |
Kein Politiker hat seine Abgänge, Rücktritte und Comebacks so effektvoll | |
inszeniert. Und ohne Rücksicht auf die anderen Kandidaten, die in seinem | |
Schlagschatten standen. Um die Listenplätze der Saar-Linken konkurrieren | |
nun am 5. Mai Thomas Lutze, Yvonne Ploetz und Claudia Kohde-Kilsch. | |
Lafontaines letzter Comeback-Versuch ist gründlich schiefgegangen. 2012 bot | |
er der Linkspartei an, als Chef zurückzukehren – in das Amt, dass er 2009 | |
wegen einer Krebserkrankung niedergelegt hatte. Bedingung: Kein | |
Gegenkandidat beim Parteitag in Göttingen. Doch die Partei, vor allem der | |
östliche Teil, hatte von solch autokratischen Gesten genug. | |
## Als Retter nicht gefragt | |
Auch seine öffentlich ausgetragene Fehde mit Gregor Gysi bestätigte den | |
Eindruck vieler Genossen: Lafontaine kann eine Partei nicht nur in den | |
Himmel heben, er kann auch wirken wie ein Ferment. Seit Göttingen war sein | |
Stern verblasst. Ein Abgeordneter aus dem Osten mutmaßt, dass seine | |
Entscheidung, im Saarland zu bleiben, auch damit zu tun hat, dass es der | |
Linkspartei so schlecht nicht geht. Die Rolle des Retters der Partei, dem | |
der rote Teppich ausgerollt wird, ist nicht vakant. | |
Oskar Lafontaine ist 69 Jahre alt. 2017, am Ende der Legislatur nach der | |
nächsten Bundestagswahl, wäre er 74. Die Ost-Pragmatiker hatten der | |
möglichen Rückkehr von Lafontaine nach Berlin mit Skepsis entgegengesehen. | |
Denn Lafontaine, der Ex-SPD-Chef, der Machtpolitiker, der Stratege, der | |
Polarisierer, wäre nie nur der Abgeordnete aus Saarbrücken gewesen. Er wäre | |
jenes Element, dass die von Katja Kipping und Bernd Riexinger mühsam | |
hergestellte innere Balance in Partei und Fraktion durcheinandergebracht | |
hätte. | |
Der nächsten Linksfraktion werden keine prominenten Exsozialdemokraten | |
angehören. Auch Ulrich Maurer, einst 12 Jahre lang SPD-Chef in | |
Baden-Württemberg und seit 2005 Strippenzieher in der Linksfraktion, | |
kandidiert nicht mehr für den Bundestag. Das Antlitz der Linkspartei | |
verändert sich – vor allem ihr westliches. Es verliert die vertrauten | |
Konturen. | |
## Im Wahlkampf mitmischen | |
Janine Wissler ist Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Hessischen | |
Landtag und gehört zum linken Flügel, in der sich die treuesten | |
Lafontaine-Anhänger finden. „Ich hätte es gut gefunden, wenn er noch mal | |
vier Jahre drangehängt hätte“, sagte Wissler der taz. Gewiss werde | |
Lafontaine aber Wahlkampf für die Partei machen und eines „ihrer Gesichter | |
bleiben“. Es sei ja zum Glück anders als 2009, sagt die 32-jährige Wissler, | |
als Lafontaine zurücktrat. Damals habe es nur Gysi und ihn gegeben, jetzt | |
gebe es mehr Köpfe. | |
Oskar Lafontaine hatte noch vor der missglückten Kandidatur als Parteichef | |
der taz gesagt: „Ich brauche nicht jeden Tag das Bad in der Menge. Das | |
Rampenlicht wärmt nicht auf Dauer.“ Vielleicht ist dies, mehr als Taktik | |
und politische Chancenkalkulationen, der Grund für den Verzicht: das | |
Gefühl, es nicht mehr zu brauchen. Wie es aussieht, war dies wirklich das | |
letzte Mal, dass ein Comeback Lafontaines anstand. | |
22 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Stefan Reinecke | |
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