# taz.de -- NSU-Richter Manfred Götzl: Ein kompromissloser Choleriker | |
> Am Montag beginnt der NSU-Prozess. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl | |
> hat bereits vorher für jede Menge Chaos gesorgt. | |
Bild: „Jetzt entschuldigen Sie sich“, ist ein oft von ihm gehörter Satz: R… | |
MÜNCHEN taz | Bevor das NSU-Verfahren überhaupt begonnen hat, ist einer | |
bereits in die Geschichte eingegangen: Richter Manfred Götzl, Vorsitzender | |
des 6. Strafsenats am Münchner Oberlandesgericht. Nie ist er in den letzten | |
Monaten vor die Presse getreten. Stets war es eine Sprecherin, die seine | |
Entscheidungen zu erklären hatte. | |
Und doch ist klar: Götzl ist verantwortlich für das Tohuwabohu bei der | |
Vergabe von Journalistenplätzen für den Prozess gegen die mutmaßliche | |
Rechtsterroristin Beate Zschäpe und mögliche Helfer. | |
Erst konnten türkischsprachige Medien keinen Platz ergattern. Die Zeitung | |
Sabah klagte beim Bundesverfassungsgericht – mit Erfolg. Eine Niederlage | |
für Götzl, der sich zuvor beratungsresistent gezeigt hatte. Sowohl | |
Medienvertreter als auch OLG-Präsident Karl Huber hatten dem Vorsitzenden | |
Richter im Vorfeld vom sogenannten Windhundverfahren, bei dem die Plätze | |
allein nach Geschwindigkeit vergeben werden, abgeraten. | |
Gemäß der Vorgaben des obersten Gerichts hätte Götzl nun drei zusätzliche | |
Plätze für türkische und griechische Medien freigeben können. Doch das tat | |
er nicht. Er verschob das Verfahren zwei Tage vor Beginn und ordnete ein | |
neues Auswahlverfahren an – ohne Rücksicht auf die Angehörigen der Opfer, | |
für die der Prozess eine erhebliche psychische Belastung darstellt. Im | |
zweiten Auswahlverfahren wurden die Plätze verlost – mit dem Ergebnis, dass | |
einige überregionale Medien zugunsten von Kleinstmedien leer ausgingen. | |
## Prinzipientreu und bürokratisch | |
So unverständlich all das erscheinen mag, so sehr passt es zu dem, was man | |
über Manfred Götzl weiß. Juristen, die bereits mit dem Richter zu tun | |
hatten, beschreiben ihn als prinzipientreu. Er sei jemand, der sich strikt, | |
fast bürokratisch an Regeln halte. Deals mit Strafverteidigern oder | |
Staatsanwälten lehnt er ab. | |
Götzls Urteile gelten als stringent, gerecht und wenig angreifbar. In den | |
sieben Jahren, die er das Münchner Schwurgericht führte, kassierte der | |
Bundesgerichtshof nur eine einzige seiner Entscheidungen. Umso demütigender | |
mag es für Götzl gewesen sein, dass das Verfassungsgericht nun schon im | |
Vorfeld des NSU-Prozesses seine Entscheidung rügte. Bei der Zulassung der | |
Journalistenplätze haben den 59-Jährigen seine Kompromisslosigkeit und | |
Prinzipientreue nur noch stur und unsensibel wirken lassen. | |
Entscheidend wird nun sein, wie er den Prozess führt. Götzl hat Erfahrung | |
mit aufsehenerregenden Verfahren. Den für Terrorismus zuständigen | |
Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht hat der mit einer Juristin | |
verheiratete zweifache Vater 2010 übernommen. Zuvor war er für Mord- und | |
Totschlagsdelikte im Strafjustizzentrum zuständig, zunächst als | |
Staatsanwalt, dann als Vorsitzender der Schwurgerichtskammer am Landgericht | |
München I. | |
2005 verurteilte er den Mörder des Münchner Herrenausstatters Rudolph | |
Moshammer zu lebenslanger Haft. Mit derselben Strafe endete 2008 auch der | |
Prozess gegen den sogenannten Parkhausmörder: einen jungen Mann, der seine | |
reiche Tante umbrachte, um an ihr Erbe zu gelangen. 2009 führte Götzl den | |
Prozess gegen den ehemaligen Wehrmachtsoffizier und Kriegsverbrecher Josef | |
Scheungraber. Auch der Greis bekam „lebenslänglich“. | |
Der Präsident des Oberlandesgerichts, Karl Huber, beschrieb den asketisch | |
wirkenden Mann mit den harten Gesichtszügen im Vorfeld des NSU-Prozesses | |
als robusten Strafrichter, „der dieser physischen und psychischen | |
Belastungsprobe gewachsen ist“. | |
## Harter Hund | |
Der Richter ist keiner, der mutmaßliche Kriminelle besonders feinfühlig | |
behandelt, heißt es. Er kann ein harter Hund sein, wie man in Bayern sagt. | |
Angeklagte, die weinerlich um Verständnis heischen, sind ihm ein Gräuel. | |
Einen jammernden Messerstecher stutzte er mit den Worten, „er solle nicht | |
in Selbstmitleid zerfließen“ zurecht. | |
Götzl spricht nicht nur Urteile, er wünscht sich auch, dass der Angeklagte | |
das Urteil begreift, versteht, was er falsch gemacht hat, und im besten | |
Fall auch Reue zeigt. „Jetzt entschuldigen Sie sich“, ist ein oft von ihm | |
gehörter Satz. Man wird sehen, ob sich Beate Zschäpe und die anderen vier | |
Angeklagten davon beeindrucken lassen. | |
Berüchtigt ist Götzls Ungeduld: Der Richter gilt nicht als jemand, der | |
ausschweifende Erklärungen endlos erträgt. Natürlich wolle er Angeklagten | |
ausreichend Zeit geben, „ihre Taten aufzuarbeiten und die Hintergründe | |
auszuleuchten“, hat er einmal seine Rolle definiert. Gerade bei | |
NS-Prozessen, bei denen teils sehr alte Zeugen befragt werden müssen, nimmt | |
Götzl sich Zeit und fragt geduldig nach, sagen Beobachter. | |
Doch seine Geduld kennt Grenzen. Wenn er glaubt, mit der „Unwahrheit | |
bedient“ zu werden, oder jemand versucht, den Prozess zu verschleppen, kann | |
Götzl laut werden. Cholerische Ausbrüche sind überliefert. Sollte es diese | |
auch wegen der Querelen im Vorfeld des NSU-Prozesses gegeben haben, so sind | |
sie hinter den Gerichtsmauern geblieben. | |
Eines aber ist bereits deutlich geworden: Götzl ist kein Diplomat. | |
Vermutlich, so kann man aus den vielen Anekdoten, die es über ihn gibt, | |
schließen, ist ihm daran auch nicht gelegen. Damit hat er leider etwas sehr | |
Negatives bewirkt: Auf für die Opferangehörigen schmerzliche Weise ist aus | |
dem Fokus geraten, worum es in dem am Montag beginnenden NSU-Prozess geht: | |
um rassistische Morde an zehn Menschen. | |
6 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
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