Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- NSU-Prozess in München: Zwanzig Stunden Warten
> Ein Rentner kommt schon am Vortag. Ein Neonazi kommt zu spät. Szenen vor
> dem Münchner Oberlandesgericht am ersten Tag des NSU-Prozesses.
Bild: Semiya Simsek am ersten Verhandlungstag auf dem Weg ins Oberlandesgericht…
MÜNCHEN taz | Helmut S. ist als Erster da. Bereits am Sonntagmittag gegen
halb zwei hat er sich vor das rote Backsteingebäude des Münchner
Oberlandesgerichts (OLG) gestellt. „Ich will verhindern, dass ein Nazi
einen Platz bekommt“, sagt der 68-jährige Rentner. Säßen Neonazis im
Gerichtssaal, es wäre dem Münchener ein Gräuel. Also hat er ein paar
Semmeln, bayerischen Presssack, Nussschnecken und eine Thermoskanne mit
Kaffee eingepackt und harrt aus.
Knapp siebzehn Stunden ist Helmut S. mittlerweile auf den Beinen und längst
nicht mehr allein. Unter dem lang gestreckten Plastikpavillon, den das OLG
vor dem Gebäude hat aufspannen lassen, haben sich um halb sieben Uhr
morgens gut vierzig Menschen in der Warteschlange eingereiht, um einen der
insgesamt 50 Zuschauerplätze im Gerichtssaal zu ergattern. Viele
Journalisten sind darunter, die beim Losverfahren kein Glück hatten,
darunter auch taz-Redakteur Wolf Schmidt.
Gegen acht Uhr beginnt der Einlass. Abwechselnd lassen die Polizisten fünf
akkreditierte Journalisten und fünf Zuschauer durch. Ali Fari Albayrak
steht weiter hinten in der Schlange. Der 47-Jährige ist am Vortag extra aus
Duisburg angereist. „Es ist wirklich beschämend, dass so wenige Leute hier
sind“, sagt er. „Beim Spiel Dortmund gegen Madrid haben sich die Leute zwei
Tage lang angestellt, und hier kommt kein Mensch“, sagt er verständnislos.
## Ude schlichtet Konflikt um Demo
Um kurz nach acht dann spielt sich eine grotesken Szene ab: Der verurteilte
Rechtsterrorist Karl-Heinz Statzberger reiht sich in Begleitung von drei
weiteren mutmaßlichen Neonazis in die Schlange ein. Wenig später kommt auch
Semiya Simsek, deren Vater das erste Opfer des Terrortrios war. Von ihrem
Rechtsanwalt am Arm geführt, schreitet die junge Frau mit energischen
Schritten auf die Schlange zu. Eilig machen ihr die Wartenden Platz. Wenig
später sind die 50 Plätze für Zuschauer vergeben, bevor Statzberger und
seine Begleiter an der Reihe sind. Auch Albayrak hat keinen Platz bekommen.
Er will weiter warten.
Gegenüber dem Gerichtsgebäude haben sich mittlerweile rund zwanzig
AktivistInnen mit ihren Transparenten positioniert. Trotz des erwarteten
Andrangs geht es vor dem OLG-Gebäude weitgehend friedlich zu.
Polizeipressesprecher Wolfgang Wenger ist gerade dabei, zu erklären, wie
zufrieden er mit dem bisherigen Verlauf des Einsatzes ist, als plötzlich
zwei junge Deutschtürkinnen versuchen, auf den Vorplatz des
Gerichtsgebäudes vorzudringen. „Staat und Nazis, Hand in Hand!“, rufen sie.
Es kommt zum Handgemenge. Schließlich greift Münchens Oberbürgermeister
Christian Ude (SPD) ein. Die Demonstrantinnen dürfen außerhalb des
Absperrgitters Stellung beziehen.
Als gegen elf Uhr Vertreter der türkischen, griechischen und israelitischen
Kultusgemeinde vor dem Gerichtsgebäude einen schwarzen Kranz zum Gedenken
an die NSU-Opfer niedergelegen, hat es auch Ali Fari Albayrak aus Duisburg
in den Gerichtssaal geschafft. „Dafür gebe ich mein ganzes Geld“, sagt er
noch. Dann ist er durch die Glastür verschwunden.
6 May 2013
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Oberlandesgericht München
OLG München
Schwerpunkt Rechter Terror
Beate Zschäpe
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Zschäpe
Zschäpe
Manfred Götzl
## ARTIKEL ZUM THEMA
Anwälte im NSU-Prozess: Drei für Zschäpe
Heer, Stahl und Sturm: Die Anwälte von Beate Zschäpe werden beim
NSU-Prozess die Indizienkette der Anklage infrage stellen.
Zschäpe und Wohlleben im NSU-Prozess: Befangenheitsanträge abgelehnt
Im NSU-Prozess scheitern die Verteidiger mit ihren Befangenheitsanträgen.
Am Dienstag wird das Verfahren fortgesetzt – doch mit weiteren Anträgen ist
zu rechnen.
Erster Tag im NSU-Prozess: Die Ungerührte
Beate Zschäpe ist wegen zehn Morden angeklagt. Zum Prozessauftakt vor dem
Münchner Gericht gibt sie sich abgeklärt und kühl.
Nebenkläger im NSU-Prozess: Nicht nur passive Zuschauer
77 Überlebende der NSU-Anschläge und Opferangehörige nehmen am Prozess
teil. Noch nie gab es in einem Staatsschutzprozess so viele Nebenkläger.
NSU-Richter Manfred Götzl: Ein kompromissloser Choleriker
Am Montag beginnt der NSU-Prozess. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl
hat bereits vorher für jede Menge Chaos gesorgt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.