| # taz.de -- Nebenkläger im NSU-Prozess: Nicht nur passive Zuschauer | |
| > 77 Überlebende der NSU-Anschläge und Opferangehörige nehmen am Prozess | |
| > teil. Noch nie gab es in einem Staatsschutzprozess so viele Nebenkläger. | |
| Bild: Adile Şimşek, Witwe des ersten Opfers, Enver Şimşek, am Morgen des er… | |
| BERLIN taz | Semiya Simsek, Tochter des ersten NSU-Opfers, hat schon | |
| klargemacht, dass sie im Prozess gegen Beate Zschäpe eine aktive Rolle | |
| spielen will. Sie werde „nicht nur eine passive Zuschauerin“ sein, sagte | |
| sie vor wenigen Wochen in Berlin. Sie hat viele Fragen, vor allem aber | |
| diese eine: Warum mein Vater? | |
| Simsek ist eine von 77 Nebenklägern, die in München mit ihren insgesamt 53 | |
| Anwälten an dem Verfahren teilnehmen werden. Neben den Angehörigen der zehn | |
| Mordopfer werden auch Überlebende der beiden Bombenanschläge des NSU in | |
| Köln unter ihnen sein. Das gab es in einem Staatsschutzprozess in diesem | |
| Ausmaß noch nie. Um allen Teilnehmern auf dem Parkett Platz zu bieten, | |
| musste der Gerichtssaal umgebaut werden, Presse und andere Zuschauer kommen | |
| auf eine Empore. | |
| Mit einer Reform des Opferschutzgesetzes wurden vor vier Jahren die Rechte | |
| von Nebenklägern nochmals erweitert. Sie und ihre Anwälte können jederzeit | |
| Erklärungen abgeben, Beweisanträge stellen, Zeugen und Angeklagte befragen | |
| und am Ende des Prozesses auch plädieren. | |
| Einige von ihnen werden dabei sicher auch die politischen Dimensionen | |
| dieses Prozesses thematisieren: das jahrelange Versagen der Polizei, die | |
| Rolle der Geheimdienste und der V-Leute in der Neonaziszene. Gamze Kubasik, | |
| Tochter des achten NSU-Opfers, fragte jüngst in einem Interview: „Welche | |
| Rolle spielt der Verfassungsschutz? Wieso wurden Akten geschreddert? Und | |
| wieso haben diese ganzen Ermittlungsfehler für niemanden Konsequenzen?“ | |
| ## Versagen der staatlichen Stellen | |
| „Meinen Mandanten geht es nicht um die Höchststrafe, sondern um | |
| Aufklärung“, sagt auch die Rechtsanwältin Edith Lunnebach. Sie vertritt | |
| einen Deutschiraner und dessen Tochter, die bei einem Anschlag des NSU in | |
| einem Geschäft in Köln 2001 schwer verletzt wurde. Allein dass der Verdacht | |
| aufgekommen sei, staatliche Stellen könnten Neonazis gedeckt haben, ist für | |
| Lunnebach eine „Katastrophe“. | |
| Doch beim Münchner Oberlandesgericht schien man schon im Vorfeld die | |
| Erwartungen der Betroffenen herunterdimmen zu wollen. Gerichtspräsident | |
| Karl Huber teilte Mitte März mit, dass er es natürlich respektiere, wenn | |
| die Nebenkläger ihre Rechte wahrnehmen. „Die Herausforderung für das | |
| Verfahren ist aber die Vielzahl der Nebenkläger“, so Huber. „Ich gehe davon | |
| aus, dass der Gesetzgeber dies so nicht bedacht hat.“ | |
| Auch der Hoffnung, das Staatsversagen könnte im Prozess mit aufgearbeitet | |
| werden, verpasste Gerichtspräsident Huber einen Dämpfer. „Das Gericht ist | |
| kein weiterer Untersuchungsausschuss“, teilte er mit, „sondern es hat ein | |
| Verfahren durchzuführen, dessen gesetzliches, vorrangiges Ziel die Frage | |
| der individuellen Strafbarkeit der Angeklagten, von deren Schuld oder | |
| Teilschuld ist“. Dabei war das Wort „vorrangig“ dick unterstrichen. | |
| 6 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Wolf Schmidt | |
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