| # taz.de -- Die Anklage im NSU-Prozess: Wenig in der Hand | |
| > Generalbundesanwalt Harald Range stützt seine Vorwürfe gegen Beate | |
| > Zschäpe vor allem auf Spekulationen – eine wasserfeste Beweisführung | |
| > sieht anders aus. | |
| Bild: Die Angeklagte Beate Zschäpe wartet am Montag auf den Prozessbeginn. | |
| BERLIN taz | Die Haupttäter des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), | |
| Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, sind tot. Vor Gericht steht ab Montag aber | |
| Beate Zschäpe, das mutmaßlich dritte Mitglied der terroristischen | |
| Vereinigung. Was hat die Anklage gegen sie in der Hand? | |
| Generalbundesanwalt Harald Range war mutig. Er klagte Zschäpe im November | |
| nicht nur wegen Beihilfe, sondern als Mittäterin bei allen zehn Morden, den | |
| zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfällen an. | |
| Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe seien ein „einheitliches Tötungskommando“ | |
| gewesen. Die Morde seien als „gemeinsame Taten“ zu werten, die in einer | |
| „abgestimmten Arbeitsteilung“ verübt wurden. Zschäpe war zwar bei keiner | |
| Tat unmittelbar dabei, sie soll aber für die Gruppe eine „unauffällige | |
| Fassade“ geschaffen haben. | |
| Außerdem soll sie laut Anklage das Geld verwaltet und sich an der | |
| Waffenbeschaffung beteiligt haben. | |
| Doch die Anklage hat hierfür nur Indizien in der Hand; es gibt keinen | |
| einzigen sicheren Beweis, dass Zschäpe von den Morden überhaupt wusste. | |
| Theoretisch ist es möglich, dass die Angeklagte nur in die Überfälle auf | |
| Banken und Supermärkte eingeweiht war und dass ihr Tarnverhalten nur das | |
| Leben in der Illegalität absichern sollte. | |
| Dass Zschäpe 1998 an der Gründung des NSU beteiligt war, schließt Range | |
| daraus, dass sie schon vorher in der Kameradschaft Jena Teil einer | |
| menschenverachtenden und rassistischen Clique war. | |
| Er zitiert Zeugenaussagen, wonach sie die beiden jungen Männer „im Griff“ | |
| hatte, jedenfalls „kein Mäuschen“ war. Nach einer | |
| Verfassungsschutzinformation sei sogar die diskutierte Flucht nach | |
| Südafrika an ihrem Widerspruch gescheitert. | |
| ## Leben in der abgeschotteten Wohnung | |
| Die Bundesanwaltschaft weiß auch nicht, wie in der NSU-Terrorzelle | |
| Entscheidungen getroffen wurden. Die Anklage geht aber davon aus, dass alle | |
| drei an der internen Willensbildung beteiligt waren, da das jahrelange | |
| Zusammenleben in einer abgeschotteten Wohnung anders nicht vorstellbar sei. | |
| Teilweise argumentiert die Anklage aber mit Zirkelschlüssen: Dass Zschäpe | |
| über die Zielsetzung der Gruppe vollständig Bescheid wusste, folge daraus, | |
| dass sie Gründungsmitglied des NSU war und 13 Jahre dabei gewesen sei – was | |
| aber ja nicht handfest bewiesen ist. Punktuell wird sogar die Beweislast | |
| umgekehrt: Zschäpe sei schon vor 1998 Neonazi gewesen und es gebe keine | |
| Anzeichen, dass sie später davon abgerückt sei. Solange Zschäpe schweigt, | |
| wird also einfach spekuliert. Eine wasserfeste Beweisführung sieht anders | |
| aus. | |
| Die wenigen konkreten Beweise sind auch nicht besser. So stand auf einem in | |
| der Wohnung gefundenen Zettel eine Mobilnummer von Mundlos mit dem Hinweis | |
| „Aktion“. Statt eines Mordes kann dabei aber auch ein Überfall gemeint | |
| gewesen sein. | |
| ## Keine Beweise | |
| Auf einem Zeitungsartikel im NSU-Archiv fanden sich Fingerabdrücke von | |
| Zschäpe. Einem Fingerabdruck sieht man allerdings sein Alter nicht an. | |
| Theoretisch kann er erst lange nach dem Ende der Mordserie im Jahr 2007 | |
| entstanden sein. Auch der Versand der Bekenner-DVD durch Zschäpe beweist | |
| nicht, dass sie den Inhalt der DVD kannte. | |
| Trotz aller Schwächen der Anklage dürfte Generalbundesanwalt Range nun | |
| keine schlaflosen Nächte haben. Denn das Oberlandesgericht (OLG) München | |
| hat die Mordanklage im Januar zugelassen. Damit haben die Münchener Richter | |
| implizit auch erklärt, dass sie eine Verurteilung Zschäpes nach dieser | |
| Anklage für wahrscheinlich halten. | |
| In einer Gesamtschau wirkten die Indizien offensichtlich überzeugend genug. | |
| Die Zulassung der Anklage gab eine entscheidende Weichenstellung in diesem | |
| Prozess. Denn sie erfolgte durch denselben Strafsenat unter Richter Manfred | |
| Götzl, der in rund zwei Jahren auch das Urteil sprechen wird. | |
| ## Mord oder nur Beihilfe | |
| Beobachter glauben daher, dass die Anwälte nur eine Chance haben, eine | |
| lebenslange Haftstrafe zu verhindern: Sie müssen den Vorwurf der | |
| Mord-Täterschaft wenigstens zur Beihilfe abmildern. Sie müssten also das | |
| Gericht überzeugen, dass Zschäpes Tatbeiträge zu den Morden doch von eher | |
| geringer Bedeutung waren. | |
| Allerdings kommt es auch bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe | |
| auf eine „wertende richterliche Gesamtbetrachtung“ an, so der | |
| Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung. Ein Kriterium sei dabei „der | |
| Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat“. | |
| Wer Zschäpe also als gleichberechtigtes Mitglied eines Tötungskommandos | |
| sieht, also Mitgründerin und Mitplanerin, wird sie wohl auch als Mörderin | |
| verurteilen und nicht nur als Helferin. | |
| 6 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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