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# taz.de -- Gutachten zu Video beim NSU-Prozess: Türen zu, Bildschirm schwarz
> Karlsruhe weist die Klage auf einen Journalistenplatz im NSU-Prozess ab.
> Rechtsexperten des Bundestages halten eine Videoübertragung des
> NSU-Prozesses für unzulässig.
Bild: Die grünen Eingangstüren des Verhandlungssaals 101 im Oberlandesgericht…
BERLIN/KARLSRUHE dpa | Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag eines
freien Journalisten auf einen Presseplatz im Münchner NSU-Prozess
abgewiesen. Der Journalist Martin Lejeune hatte im ersten
Akkreditierungsverfahren einen festen Sitzplatz erlangt, im Losverfahren
ging er dann leer aus. Die Karlsruher Richter nahmen seine
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Sie sei unbegründet, weil
keine Grundrechte verletzt seien, hieß es in dem am Donnerstag
veröffentlichten Beschluss.
Außerdem halten Rechtsexperten des Deutschen Bundestages eine
Videoübertragung des NSU-Prozesses für unzulässig. Die Juristen verweisen
auf die „Menschenwürde der Verfahrensbeteiligten“ – das geht aus einem
Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes hervor, das der Neuen Osnabrücker
Zeitung vorliegt.
Konkret heißt es dem Bericht zufolge in dem Papier: „So wird als unzulässig
angesehen, zur Erweiterung der Zuhörerkapazität etwa die Türen zum
Gerichtssaal dauernd geöffnet zu halten oder das im Gerichtssaal
Gesprochene per Lautsprecher auf die umliegenden Flure zu übertragen. Eine
Übertragung per Bild und Ton in einen anderen Raum, in dem die
Hauptverhandlung nicht stattfindet, ist danach erst recht unzulässig.“
Der Öffentlichkeitsgrundsatz verpflichte das Gericht ebenfalls nicht, bei
zu erwartendem großen Zuhörerandrang in einem größeren Saal zu verhandeln.
Das hat das [1][Bundesverfassungsgericht inzwischen selbst klargestellt].
Aus Artikel 5 des Grundgesetzes lasse sich kein Anspruch auf Bild- und
Tonübertragung der Verhandlung in einen anderen Gerichtssaal herleiten,
heißt es in der Entscheidung, mit der das Gericht die Verfassungsbeschwerde
eines freien Journalisten gegen das Losverfahren bei der Platzvergabe
zurückwies.
Der Journalist hatte geltend gemacht, dass bei der Verlosung der
Medienplätze am Montag keine Kontingente für freie oder Online-Journalisten
vorgesehen waren, und hilfsweise eine Videoübertragung des Münchner
Prozesses gefordert. Er bezog sich dabei auch auf Artikel fünf des
Grundgesetzes, in dem festgelegt wird, dass die Pressefreiheit und die
Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film zu gewährleisten
sind.
## Unabhängig, aber nicht unfehlbar
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Angehörigen der NSU-Opfer,
Barbara John, forderte die Politik auf, sich mit dem Thema Videoübertragung
im Gericht stärker auseinanderzusetzen. „Ich verstehe nicht, warum der
Gesetzgeber das nicht schon im Vorfeld des Prozesses geklärt hat. Jetzt
muss dieses Thema dringend angegangen werden“, sagte John dem Berliner
Tagesspiegel (Donnerstag).
Die Justiz sei unabhängig, aber eben nicht unfehlbar. Im Fall der jahrelang
unerkannt mordenden Neonazi-Zelle „Nationalsozialistischer Untergrund“
(NSU) seien die Sicherheitsbehörden nicht auf der Höhe der Zeit gewesen –
die Justiz sei es jetzt auch nicht. „Wir brauchen ein modernes Recht, was
sich auch den Realitäten unserer Gesellschaft anpasst, aber das haben wir
derzeit nicht“, sagte John. Für diesen Prozess sei „größtmögliche
Öffentlichkeit notwendig, dafür konnte das Gericht aber nicht sorgen.“
Auch die Neuverlosung der Presseplätze für den NSU-Prozess war [2][von
Pannen und Problemen] überschattet. Das Oberlandesgericht (OLG) in München
räumte Fehler bei der Ziehung ein. Ein Medienplatz im Gericht soll deshalb
nachverlost werden. „Der Prozessbeginn am Montag ist dadurch nicht
gefährdet“, betonte OLG-Sprecherin Andrea Titz.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hat der Vorsitzende Richter bei
der Verteilung knapper Sitzplätze „einen erheblichen Ermessensspielraum“.
In Karlsruhe liegt allerdings noch eine weitere Verfassungsbeschwerde vor.
Der freie Journalist Martin Lejeune hatte zunächst einen der 50
reservierten Presseplätze erhalten. Im zweiten Anlauf ging er bei der
Verlosung leer aus und rügt nun unter anderem, dass „den im vorigen
Vergabeverfahren erfolgreichen Journalisten der Platz nicht einfach wieder
weggenommen werden“ dürfe.
Das Verfassungsgericht hatte jedoch ausdrücklich diese Möglichkeit
eröffnet, als es die ursprüngliche Vergabe beanstandete, bei der keine
türkischen Medien zum Zug gekommen waren. Die Welt-Gruppe, Die Zeit und die
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) wollen auf eine Klage verzichten, um
den Prozessbeginn am 6. Mai nicht zu gefährden. Sie alle waren bei der
Verlosung leer ausgegangen.
Der Prozess um die rassistisch motivierten Morde und Anschläge des NSU soll
am 6. Mai beginnen. Trotz der Querelen sind die Erwartungen in der
Bevölkerung hoch. 42 Prozent der Deutschen sagten in einer Forsa-Befragung
für das Magazin Stern, dass die gerichtliche Aufarbeitung der Neonazi-Morde
das Ansehen Deutschlands in der Welt verbessern könne. Der Hauptangeklagten
Beate Zschäpe wird Mittäterschaft vorgeworfen. Angeklagt sind außerdem vier
mutmaßliche Helfer und Unterstützer.
2 May 2013
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