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# taz.de -- „Missys“ Feminismus-Diskussionsrunde: Parole Brückenbau!
> Wie kann man den kleinen feministischen Frühling nach dem Medienhype um
> den #Aufschrei retten? Darüber ließ das „Missy Magazine“ diskutieren.
Bild: Auf große Podien hat es die #Aufschrei-Debatte schonmal geschafft: Anne …
BERLIN taz | „Ich liebe meine Mutter. Aber nicht ihre Oberschenkel.“ Angela
McRobbie zeigt eine Werbung für die Sportschuhmarke Puma in England. Die
Mütter sind die schwabbeligen Frauen, die sich gehen lassen. Die Töchter
tun dagegen alles dafür, in der Norm zu bleiben. Niemand ist schuld daran.
Sie wollen es selbst. Und Puma hilft ihnen dabei. Wie nett.
Die britische Soziologin [1][Angela McRobbie] hält am Pfingstmontagabend im
Berliner Theater HAU die Key Note. Geladen hat die feministische
Popzeitschrift Missy zu einem Abend unter dem Motto „There is more to
sexism than meets the eye“. McRobbie setzt sich schon länger mit den
selbstgewählten Zwangslagen junger Frauen auseinander, [2][Top Girls] heißt
ihr Buch, in dem sie beschreibt, wie der Feminismus der Müttergeneration
abgewickelt wird: Undoing Feminism.
Kaum hatte sich der kritische Blick auf die Geschlechterordnung ansatzweise
etabliert, kam der Backlash: Wir mögen diese Regulierungen nicht. „Let's be
politically incorrect, let's provoke“. Alte sexistische Bilder mit den
Anführungsstrichen der Ironie immunisieren und zugleich einen
Generationenkonflikt ausrufen – das war die Mischung, die bis heute
unglaublich gut funktioniert. Sie lässt Feminismus alt, hysterisch und
humorlos dastehen.
Angela McRobbie hat ein Heimspiel an diesem Abend, an dem Missy fragt, was
nach dem Sexismus-Aufschrei übrig blieb. Die Lady mit den leuchtenden
langen weißen Haaren erreicht die Jüngeren leicht – auch weil im Publikum
so ungefähr alle Gender-Studies-Studierende versammelt sind, die Berlin zu
bieten hat.
## Von „Phantom Feminism“ und „Fake Empowerment“
Was kam nach dem Feminismus der Mütter? Eine neoliberale Schwundstufe, die
sich als Meritokratie verkauft: „Du kannst alles schaffen, wenn Du gut
bist.“ Die Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg hat diese
Aufforderung in Buchform gepresst und „Lean in“ betitelt: „Corporate
Feminism“ oder „Phantom Feminism“ nennt McRobbie das. Oder auch „Fake
Empowerment“, weil diese Ermächtigung von ihren sozialen Voraussetzungen
schweigt und diejenige, die diese Voraussetzungen nicht hat und scheitert,
zum Loser stempelt. Auf keinen Fall aber darf man ein „angry feminist“
werden, gesellschaftliche Ächtung ist die Folge.
Außer im HAU an diesem Abend. Auf dem Podium rappt Sookee, dass ihre
Battlegegner dasselbe Frauenbild haben wie „Burschis mit Schmiss“
(Burschenschaftler). Und macht sich darüber lustig, dass man sie „Gender
Rapperin“ nennt, „dabei sind die ganzen Jungs doch auch Gender Rapper“.
[3][Anne Wizorek], Kommunikationswissenschaftlerin, die anläßlich des
[4][Dirndlgates von Rainer Brüderle] den [5][#Aufschrei] gegen Sexismus auf
Twitter initiiert hatte, sieht sich den McRobbieschen Zuschreibungen
ausgesetzt: Hysterie- bzw [6][Tugendfuror-Vorwurf vom Bundespräsidenten],
Bagatellisierung.
Sonja Eismann, Missy-Chefin und Moderatorin des Abends, fragt, was beim
Aufschrei verloren ging, etwa die Frage nach Klassenzugehörigkeit und
ethnischer Herkunft. Hat sich da nur die weiße, junge, gutaussehende,
deutsche obere Mittelschicht verständigt?
## Vielfältiger als medial dargestellt
Während Nana Adusei-Poku, Kunst- und Kulturtheoretikerin, die unter anderem
an der Berliner Humboldt-Uni lehrte, bei Ethnizität und Klasse im
gesellschaftlichen Diskurs eine einzige riesige Leerstelle sieht, merkt
Anne Wizorek an, dass der Aufschrei durchaus vielfältiger war, diese
Vielfalt aber nicht bis in die Medien vordrang.
Wie kann man den kleinen feministischen Frühling nach dem Medienhype
retten? Die Kommunikationswissenschaftlerin Jasmin Mittag will den
Aufschrei-Schwung für eine Seite namens [7][Wer braucht Feminismus?]
nutzen.
Alle anderen Gäste reden dann viel über Pädagogik: Warum erfährt man über
Critical Whiteness und Queers of Colour nichts in der Uni, fragt Poku.
Sookee findet, dass man in Diskussionen auch achtmal sagen können muss,
„was Phase ist“: „Parole Brückenbau!“ und bloß nicht gleich mit Judith
Butler schocken. Angela McRobbie macht darauf aufmerksam, dass „predigende
Feministinnen“ ebenfalls als Abturner gelten. Und bietet eine realistische
aber völlig unsexy Perspektive: Man muss durch die Institutionen
marschieren. „Ja, es ist bürokratisch, aber ich bin für bürokratische
Frauen!“
Wer hätte das gedacht, dass ein Missy-Abend so endet. Aber er endet auch
noch nicht wirklich. Später am Abend spielen Zucker, Kraftwerk auf
feministisch, ziemlich druckvoll, ziemlich gut. Und die
Postpostfeministinnen mögen das.
21 May 2013
## LINKS
[1] /Feministin-ueber-Aufschrei-und-Folgen/!116325/
[2] /1/archiv/digitaz/artikel/
[3] http://twitter.com/marthadear
[4] /Sexismus-in-Deutschland/!109933/
[5] /Sexismus-Debatte-auf-Twitter/!110663/
[6] /Bundespraesident-und-Sexismus-Debatte/!112359/
[7] http://werbrauchtfeminismus.de/
## AUTOREN
Heide Oestreich
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