# taz.de -- 5 Jahre „Missy Magazine“: „Kein Lobbyismus für Privilegierte… | |
> Seit fünf Jahren erscheint das „Missy Magazine“ – im Eigenverlag und m… | |
> klarer Ausrichtung. Herausgeberin Chris Köver über Popkultur, Sexismus | |
> und Medienhypes. | |
Bild: Feministinnen mit Kochutensilien: das „Missy“-Team. Chris Köver ist … | |
taz: Frau Köver, fünf Jahre Missy Magazine, und trotzdem muss man das Heft | |
im Zeitschriftenladen noch suchen. Mal steht es bei den Frauenmagazinen, | |
mal neben Neon und Zeit Campus. Wo gehört es denn hin? | |
Chris Köver: Tja, wenn wir das wüssten. Es gibt keine mit Missy | |
vergleichbaren Zeitschriften – deswegen haben wir sie ja gegründet. Ich | |
finde, es passt neben die Frauen-, aber auch neben die Popkulturhefte. Es | |
passt aber auch zum Beispiel neben Dummy, weil das genau wie Missy mit | |
wenig Geld im Eigenverlag erscheint. | |
Sie und Ihre Partnerinnen seien vor fünf Jahren angetreten, um die | |
„patriarchalische Bastion Popkultur“ zu erobern, steht im aktuellen Heft. | |
Wie weit sind Sie damit gekommen? | |
Wenn man die großen Musikzeitschriften, Intro, Spex, De:Bug früher | |
nebeneinandergelegt hat, waren da meist Männer auf den Covern. Wenn über | |
Frauen berichtet wurde, dann oft aus einer heterosexuell begehrenden | |
Perspektive. Das hat sich ein bisschen gebessert. Wer heute ein Heft oder | |
ein Panel ganz ohne Frauen macht, der muss sich dafür rechtfertigen. | |
Und das ist Ihr Verdienst? | |
Nicht nur allein unserer. Aber wir haben immer betont, dass wir anders | |
arbeiten als die klassischen Popmagazine: ausschließlich Frauen auf die | |
Cover und überwiegend weibliche Autorinnen. Wir haben bewusst eine Quote | |
eingeführt: Eine einzige Rubrik widmet sich männlichen Menschen. Damit | |
haben wir die anderen Magazine zum Nachdenken gezwungen. | |
Einst trug Missy die Unterzeile „Popkultur für Frauen“. Die fiel irgendwann | |
weg. Warum? | |
Der Vertrieb hatte uns zu einer Unterzeile geraten, damit die Leute am | |
Kiosk schnell sehen, worum es in dem Heft geht. Das wurde uns aber zu eng. | |
Wir haben gemerkt, dass sowohl wir als auch unsere Leserinnen mehr | |
politische Berichte wollen – Themen wie Flüchtlingspolitik, das | |
Ehegattensplitting, die Proteste in Istanbul. | |
Sie wollten also eher den Popkultur- als den Frauen-Fokus loswerden? | |
Ja. Wir machen nach wie vor ein Heft für und über Frauen. | |
Wieso diese Einschränkung? Sie behandeln ja nicht nur feministische | |
Perspektiven, sondern ganz unterschiedliche Diskriminierungsformen, wie | |
Rassismus und Heteronormativität. | |
Feminismus bedeutet nicht nur, sich dafür einzusetzen, dass mehr weiße, gut | |
ausgebildete, heterosexuelle Frauen in Führungspositionen gelangen. Wir | |
sehen uns nicht als Lobbyistinnen für eine ohnehin schon privilegierte | |
Gruppe. Unser Feminismus soll größere Zusammenhänge von Unterdrückung | |
beleuchten. | |
Zum Beispiel? | |
Innerhalb der weiblich sozialisierten Menschen gibt es mehr Unterschiede | |
als zwischen Männern und Frauen. Schwarze oder migrantisierte Frauen in | |
Deutschland werden anders diskriminiert als weiße mit deutschem Pass, | |
lesbische oder dicke Frauen wieder anders. Deswegen lassen wir im | |
Zweifelsfall lieber Leute für sich selbst sprechen, als über sie zu | |
sprechen. Sie sind die Expertinnen ihrer Situation. Ein imaginäres „Wir | |
Frauen“ gibt es bei uns nicht. | |
Mit der Aufschrei-Debatte ist Feminismus wieder in die Öffentlichkeit | |
gekommen. Kurzer Medienhype oder ist das Thema mittlerweile Mainstream? | |
Es ist Mainstream, zumindest insofern, als junge Frauen sich heute wieder | |
als Feministinnen bezeichnen. Hätte mir vor einem Jahr jemand gesagt, dass | |
das Wort Sexismus wieder in Mode kommt, hätte ich das nicht geglaubt. Es | |
gibt unzählige Blogs, in denen Frauen von Sexismus schreiben und beweisen, | |
wie alltäglich er leider noch ist. | |
Aber wenn das Thema angeblich so salonfähig ist, warum lesen immer noch | |
viel mehr Frauen Brigitte als Missy? | |
Weil auch Frauen Sexismus internalisiert haben und in den | |
Frauenzeitschriften das finden, was sie suchen: Tipps, wie sie schöner | |
werden, die perfekte Mutter und gleichzeitig die toughe Chefin sind. | |
Schönheitsideale und Rollenerwartungen sind anerzogen, die wird man nicht | |
so leicht los. Die klassische Frauenzeitschrift liefert eine Anleitung zur | |
perfekten Geschlechtsidentität. | |
Aber was ist mit den Frauen, die zum Aufschrei getwittert haben? Würden sie | |
alle Missy lesen, ginge Ihre Auflage durch die Decke. | |
Sie steigt ja, aber eben langsam. Wir haben kein Budget für Werbung, das | |
Heft verbreitet sich nur über Mundpropaganda und Medienberichte. Natürlich | |
werden wir niemals die Brigitte ablösen. Missy spricht nur bestimmte Frauen | |
an, die auf den ganzen sexistischen Quatsch keine Lust mehr haben. Aber das | |
werden eben immer mehr. | |
Wie verträgt sich ein Nischenheft mit journalistischer Unabhängigkeit? | |
Wir versuchen die Abhängigkeit von Anzeigenerlösen zu verkleinern, indem | |
wir uns noch stärker über Verkäufe und Abos finanzieren. Das Heft müsste | |
etwa 12 Euro kosten, wenn wir es komplett ohne Anzeigen finanzieren | |
wollten. Unsere Leserinnen sind aber jung und zum Teil noch in Ausbildung, | |
so viel werden wir also nie verlangen. | |
Was wünschen Sie sich für die Zukunft? | |
Dass wir irgendwann gar kein feministisches Heft mehr brauchten, weil die | |
Kategorie Geschlecht keine Rolle mehr spielt und Menschen einfach als | |
solche gesehen werden. | |
14 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
## TAGS | |
Feminismus | |
Zeitschriften | |
Sexismus | |
Magazin | |
Medien | |
Online-Dating | |
Magazin | |
Zensur | |
Pro Quote | |
Brigitte | |
Missy Magazine | |
Alice Schwarzer | |
Missy Magazine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Crowdfunding fürs „Missy Magazine“: Sichere Basis für Popfeministinnen | |
Das „Missy Magazine“ startet ein Crowdfunding. Es soll Geld gesammelt | |
werden für Stellen und eine neue Website, die Pop mit Politik verbindet. | |
Datingportale für käufliche Liebe: Daddy, lass was springen! | |
Drei Millionen ältere Menschen suchen online explizit nach einem Partner, | |
der Status oder Jugend verspricht. Dabei sind die Grenzen zur Prostitution | |
fließend. | |
„De:Bug“ vor dem Ende: Schnittstelle zum Glück | |
180 Ausgaben lang berichtete „De:Bug“ über elektronische Lebensaspekte, von | |
Musik über Netzpolitik bis zu Gadgets. Nun erscheint wohl das letzt Heft. | |
Springer-Vertrieb warnt vor „Dummy“: Gefährliche Penisse | |
Das Magazin „Dummy“ muss geschwärzt, Seiten müssen herausgerissen werden … | |
und das nur, weil drei Anwälte es empfehlen. | |
Gastbeitrag Frauen in den Medien: Das Netz für die Chefinnen | |
Vor einem Jahr erschien die „Quotentaz“, erstellt zusammen mit ProQuote. Wo | |
steht die Initiative für mehr Chefredakteurinnen nun? | |
Neue Frauenzeitschrift „Nova“: Eine wie wir | |
Zwei Hamburgerinnen hoffen auf Gleichgesinnte: „Nova“ soll ein Gegenentwurf | |
zu gängigen Frauenzeitschriften sein – Feuilleton statt Psychotests. | |
„Missys“ Feminismus-Diskussionsrunde: Parole Brückenbau! | |
Wie kann man den kleinen feministischen Frühling nach dem Medienhype um den | |
#Aufschrei retten? Darüber ließ das „Missy Magazine“ diskutieren. | |
Feministin über #Aufschrei und Folgen: „Es gibt neue Allianzen“ | |
Einen „feministischen Frühling“ sieht die Feministin Angela McRobbie. Der | |
Zorn der Jungen sei klüger als die Wut der Alice-Schwarzer-Generation. | |
Solidarität mit dem „Missy Magazine“: Mission in Gefahr | |
Das „Missy Magazine“ will ein Gegengewicht zu den Jungsheften auf dem Markt | |
sein. Doch ihre Zukunft ist ungewiss, was auch an der eigenen Aufmachung | |
liegt. |