| # taz.de -- Betreuung von Kleinkindern: Flexible Lösungen sind am besten | |
| > Der richtige Zeitpunkt für den Eintritt in die Kita ist bei jedem Kind | |
| > unterschiedlich. Berufliche Zwänge engen viele Eltern in der | |
| > Eingewöhnungsphase ein. | |
| Bild: Selbst wenn die Kita toll ist – die Eltern sind die Besten. | |
| BERLIN taz | Wie lange brauchen Kleinkinder die intensive Zuwendung ihrer | |
| wichtigsten Bezugspersonen? Kann der Aufenthalt in einer Kindertagesstätte | |
| Einjährige, die weder „trocken“ sind noch richtig laufen können, | |
| überfordern? Ist das Ende der Elternzeit, wenn Mütter und Väter wieder voll | |
| in den Beruf einsteigen wollen, immer der optimale Zeitpunkt für die | |
| Eingewöhnung in eine Kita? | |
| Der dänische Bestsellerautor Jesper Juul hat dazu eine Streitschrift | |
| vorgelegt, die den dramatisierenden Titel „Wem gehören unseren Kinder?“ | |
| trägt. Die deutsche Debatte um die Vor- und Nachteile außerhäuslicher | |
| Betreuung, um Krippenausbau und Betreuungsgeld hält Juul für „nicht | |
| ehrlich“. | |
| Der Familientherapeut plädiert dafür, genauer hinzuschauen, denn Kinder | |
| seien in ihrer Entwicklung sehr unterschiedlich. Ähnlich argumentiert der | |
| Erziehungswissenschaftler Hans-Günther Roßbach, der sich an der Universität | |
| Bamberg mit kindlichen Bildungsprozessen beschäftigt. | |
| In der frühpädagogischen Forschung gibt es bislang wenig handfeste | |
| Erkenntnisse. Autoren wie Juul stützen sich auf Erfahrungen in der | |
| kindertherapeutischen Praxis, Wissenschaftler wie Roßbach auf eigene und | |
| internationale Studien. | |
| ## Schlechte Noten für Kitas | |
| Die vom Bundesfamilienministerium geförderte „Nationale Untersuchung zu | |
| Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit“ (Nubbek) soll | |
| ermitteln, welche Art der Versorgung die Entwicklung der Ein- bis | |
| Dreijährigen am besten unterstützt. | |
| Detaillierte Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht, eine bereits | |
| vorliegende Kurzfassung der Studie allerdings ist für die 403 beteiligten | |
| Kindertagesstätten und 164 Tagesmütter wenig schmeichelhaft. Vier von fünf | |
| Betreuungseinrichtungen weisen demnach nur eine mittlere Qualität auf. Die | |
| bildungsbezogenen Aktivitäten waren in mehr als der Hälfte der Kitas und | |
| Krippen unzureichend. | |
| In altershomogenen Gruppen lernen Kinder der Untersuchung zufolge besser | |
| als in altersgemischten. Kinder aus Migrantenfamilien profitieren | |
| überdurchschnittlich, vor allem beim Einüben der deutschen Sprache. | |
| Jesper Juul weist in seinem Buch auf Befragungen in Dänemark hin. Dort | |
| sagten 24 Prozent der kleinen Jungen und 10 Prozent der kleinen Mädchen, es | |
| gehe ihnen in Betreuungseinrichtungen nicht gut. „Zu viele Kinder haben | |
| resigniert“, glaubt Juul, „sie sind passiv, machen nicht mit und fühlen | |
| sich einsam.“ | |
| ## Eltern sollten den Mut haben, länger zu Hause zu bleiben, so Juul | |
| Diese „sehr bedenkliche Entwicklung“ sei darauf zurückzuführen, dass „d… | |
| Qualität der Beziehungen zum Personal nicht stimmt“. Eltern sollten „auch | |
| den Mut haben zu sagen: Okay, das war zu früh, wir warten noch ein paar | |
| Monate.“ | |
| Manche ErzieherInnen, so Juul, hätten in diesen Fällen „leider die Tendenz, | |
| zu beschwichtigen“. Ein klassischer Satz laute: „Das Kind trennt sich | |
| nicht, weil Mutter oder Vater zu dem Schritt noch nicht bereit sind.“ | |
| Trennungsangst sei aber „kein neurotisches Phänomen, sondern eine | |
| ernstzunehmende Tatsache“. | |
| Angesichts der Nubbek-Studie plädieren Experten für kleinere Gruppen und | |
| mehr Personal. Die Realität in der hierzulande meist altersgemischten | |
| Betreuung sieht völlig anders aus: Viele Gruppen bestehen aus 20 oder mehr | |
| Kindern, für die neben Aushilfen oder Praktikanten maximal drei Fachkräfte | |
| zuständig sind. | |
| ## Problem: Berufliche Zwänge | |
| Der Vorschlag, die jüngsten Kita-Besucher zusammen mit Gleichaltrigen | |
| besonders zu fördern, scheitert vielerorts am Geld. Und die Idee, den | |
| zeitlichen Betreuungsumfang in den ersten Lebensjahren flexibel zu | |
| gestalten, mag pädagogisch sinnvoll sein – die meisten Eltern aber haben | |
| wegen beruflicher Zwänge und ungünstiger gesellschaftlicher | |
| Rahmenbedingungen nur wenig Spielraum. | |
| „Lieber daheim“ titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung, als sie von | |
| einer Fachtagung des Deutschen Jugendinstituts in Berlin zum Thema | |
| berichtete. Die Gefahr von Missverständnissen und Fehlinterpretationen in | |
| der konfrontativ geführten Debatte um die Frühpädagogik ist groß. | |
| Denn nicht jeder Wissenschaftler, der sich die besten Möglichkeiten für die | |
| sozial-emotionale Entwicklung von Kindern wünscht, plädiert damit gleich | |
| für die Familienpolitik der CSU oder für die Beibehaltung traditioneller | |
| Geschlechterrollen. | |
| 5 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Gesterkamp | |
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