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# taz.de -- Studie über Gewalt im Kindesalter: Sozial Schwächere häufiger be…
> Einer Studie der Universität Bielefeld zufolge kennt jedes vierte Kind
> Psychoterror und Prügel – von Gleichaltrigen, aber auch von Lehrern.
Bild: Ein kleines Mädchen allein auf einem Spielplatz.
BERLIN taz | Die Mathe-Aufgabe kannst du doch sowieso nicht lösen, dafür
bist du viel zu doof. Solche und ähnliche Sätze hören viele Kinder – von
Gleichaltrigen, aber auch von LehrerInnen und von ihren Eltern. Ein Viertel
aller Kinder und Jugendlichen hat schon mal erlebt, was Fachleute als
„verbale Missachtung“ bezeichnen. Das zeigt jetzt eine Untersuchung der
Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Bielefeld unter 900
Mädchen und Jungen, die am Montag vorgestellt wurde.
Herabgewürdigt und nicht beachtet zu werden empfinden Heranwachsende
mitunter als „viel gravierender“, wenn das von Erwachsenen kommt, sagte
Studienleiter Holger Ziegler. „Solche Missachtungserfahrungen wirken sich
deutlich auf die emotionale Stabilität und das Selbstwertgefühl aus“, sagte
der Professor für Erziehungswissenschaften: „Unter Umständen sogar stärker
als körperliche Gewalt.“ Für die Mädchen und Jungen hat das laut Ziegler
weitreichende Folgen: Von ihrem heutigen Erleben und Empfinden hänge
vielfach ab, wie erfolgreich oder eben nicht sich ihre Biografie gestalte.
## Mehr Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrung, als angenommen
Aber auch Schläge – von der Ohrfeige bis hin zum Verprügeln mit blauen
Flecken – kennen mehr Kinder und Jugendliche als bislang angenommen wurde.
Fast ein Viertel von ihnen wird hin und wieder oder sogar oft geschlagen.
Allerdings gilt seit 13 Jahren das „Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der
Erziehung“, das Prügel und seelische Brutalität geißelt. Das Gesetz, das im
Zusammenhang mit der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen steht,
wurde bereits im November 2000 mit den Stimmen von Grünen, PDS, FDP und SPD
verabschiedet. CDU und CSU hatten damals dagegen gestimmt.
Gewalt findet in allen sozialen Milieus statt. Wenngleich Betroffene aus
armen und bildungsfernen Familien häufiger (32 Prozent) als alle anderen
(bis zu knapp 7 Prozent) körperliche und seelische Gewalt kennen. Eine
Ursache hierfür sind laut Ziegler Gewalterfahrungen der Eltern, die diese
in ihrer eigenen Kindheit machen mussten.
## Sozial Schwächere fühlen sich stärker herabgewertet
Unterprivilegierte Kinder berichten zudem, dass sie sich von ihren
LehrerInnen unfairer behandelt fühlen als Kinder aus sozial
bessergestellten Familien. Bei den Jugendlichen geht die Schere der
gefühlten Abwertung noch weiter auseinander: Mehr als die Hälfte der jungen
Erwachsenen mit prekärem Hintergrund gab an, von ihren LehrerInnen
schlechter behandelt zu werden als ihre privilegierten MitschülerInnen.
## Psychische und physische Gewalt wird unterschiedlich erlebt
Nun werden Psychoterror und Gewalt durchaus verschieden erlebt – auch schon
von Kindern. Der Erziehungswissenschaftler Ziegler hat vier Typen
ausgemacht:
Neben den „Behüteten“ aus sozial höhergestellten Familien, die nur wenig
oder kaum Gewalt kennen, gibt es die „Extremen“. Sie sind die Abgehängten,
die oft und harte Gewalt erfahren – und sich dann wiederum selber viel
prügeln.
Die „stillen Opfer“ fühlen sich hingegen schlecht, trauen sich nicht, über
das Erlebte offen zu reden. Sie sind der Meinung, dass man sich in der
Schule anstrengen müsse, um später Erfolg zu haben. Bei den „Piesackern“
scheint zunächst alles in Ordnung zu sein. Sie sind sozial eher
höhergestellt, häufig klug und mit sich im Reinen. Dennoch werten sie ihre
MitschülerInnen gern ab – oft ohne Kritik von LehrerInnen und Eltern.
Dieses Verhalten weise allerdings auf große emotionale Defizite hin, sagte
Ziegler.
4 Jun 2013
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Gewaltopfer
Kinder
Jugendliche
UN
Kinderbetreuung
Missbrauch
Jugendgewalt
häusliche Gewalt
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