| # taz.de -- Überwachung im Netz: Die Furcht vor Kontrollverlust | |
| > Kaum passiert etwas Negatives wie der „Prism“-Skandal in den USA, und | |
| > schon wird das Internet an sich verunglimpft. Das ist ziemlich | |
| > kurzsichtig. | |
| Bild: Die Angst vor dem gläsernen Menschen. | |
| Jeder vierte Mensch [1][in diesem Land] geht davon aus, dass seine Daten | |
| beim Onlinebanking oder anderen virtuellen Bezahlvorgängen irgendwann mal | |
| ausspioniert werden. Steht in einer aktuellen Infratest-Umfrage. Noch keine | |
| belastbaren Zahlen gibt es indes zur Frage, wie viele Bürger längst davon | |
| ausgehen, dass ebendiese Daten bereits auf irgendeinem Server der National | |
| Security Agency liegen. | |
| Weniger empirisch, dafür immerhin exemplarisch belegbar aber ist dies: Im | |
| Internet wie auch in der gedruckten Realität begegnen einem in diesen Tagen | |
| mannigfaltige Gebrauchsanweisungen für möglichst anonyme Exkursionen durch | |
| das Web, Anleitungen zur virtuellen Maskerade. | |
| Denn wir fürchten uns: vor Datenkraken, vor Kontrollverlusten, vorm | |
| permanenten Körperscannen unseres virtuellen Ichs. Dagegen soll Netzwissen | |
| helfen. Das Wissen um eine App wie TextSecure beispielsweise, die immerhin | |
| zwischen Android-Smartphones einen komplex verschlüsselten | |
| Kurznachrichtenverkehr ermöglicht. | |
| Das Wissen um das frei flottierende Tor-Netzwerk, ein Browser, der sich | |
| zufällig gegriffener Routeradressen bedient und seinen Nutzer eben noch in | |
| Oxford, dann schon wieder in Bad Oldesloe verortet. Kurz: In der virtuellen | |
| Welt gibt es wirkungsvolle Techniken der Camouflage. Und es mag gute Gründe | |
| geben, sich dieser zu bedienen. | |
| ## Chancen, Risiken, Verheißungen, Verführungen | |
| Aber es gibt genauso gute Gründe, sich etwas zu entspannen. Und das | |
| sogenannte Internet als das zu nehmen, was es ist: eine ganze Welt, nur | |
| eben eine virtuelle. Ein komplexes Netz aus Chancen, Risiken, aus | |
| Verheißungen und Verführungen. Eine Welt voller Freunde, Weggefährten, | |
| hilfsbereiter Menschen. Und voller Schnüffler, Spanner, Eckensteher. | |
| Wie im realen Leben also. Falsch: Die Virtualität ist das reale Leben. Oder | |
| wie es [2][Peter Glaser] – Journalist, Blogger und absolut unverdächtig, | |
| Sympathien für Datensammler zu hegen – einmal gesagt hat: „Alle sollen doch | |
| gefälligst dankbar sein, dass es so viel Zeugs gibt.“ | |
| So viel Zeugs, nebenbei gemerkt, dass allein das Archivieren aller | |
| Datensätze, die die Bush-Administration in ihren acht Amtsjahren aus dem | |
| Netz gefischt hatte, etwa hundert Jahre dauern würde. | |
| Wenn der eine dem anderen das Fahrrad klaut, ist daran nicht die ganze Welt | |
| schuld. Wenn aber der eine den anderen, bei einem Ebay-Deal übers Ohr haut, | |
| oder wenn ein soziales Netzwerk die offen ausgestellten Leidenschaften | |
| seiner Nutzer für personalisierte Werbeofferten nutzt – dann wird gerne die | |
| ganze digitale Welt in Sippenhaft genommen. | |
| ## Wir sind im virtuellen Raum | |
| Schon beklagt ein neuer Netzkonservatismus das Wesen des Virtuellen an | |
| sich. Wer sich in Gefahr begibt … Nur ist der virtuelle Raum weder eine | |
| Gefahr, noch kann man sich dorthin begeben. Wir sind längst mittendrin. | |
| Als dieses Land noch geteilt war, hatte die National Security Agency in | |
| Westberlin rund 600 Spitzel, Spione und sonstige Zuarbeiter abgestellt. | |
| Auch heute ist davon auszugehen, dass die NSA über allzu viele Dinge | |
| Bescheid weiß, die nie in einem Mailpostfach lagen und nie via | |
| Glasfaserkabel übermittelt worden sind. | |
| Datenkraken sind keine Erfindung des Internetzeitalters. Die Freiheit, als | |
| gesellschaftliches Ideal und als persönliches Lebensgefühl, ist es im | |
| Übrigen auch nicht. Und es wäre fatal, wenn uns ausgerechnet dieses in so | |
| vielen Momenten doch radikal libertinäre Netz nun an dieser Freiheit | |
| zweifeln ließe. | |
| Vom Irrglauben, die Bespitzelung der eigenen Komfortzone aus netzbasiertem | |
| Konsum und netzbasierter Unterhaltungskultur mit der ganz reellen Angst | |
| jener zu verwechseln, die das Netz tatsächlich als Medium subversiver | |
| Praktiken und Vernetzungen nutzen und nutzen müssen, einmal ganz zu | |
| schweigen. | |
| 14 Jun 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| Clemens Niedenthal | |
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