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# taz.de -- Confederations Cup in Brasilien: Professionelle Amateure
> Bei der 1:6-Niederlage gegen Nigeria hat Tahiti die Herzen der Zuschauer
> erobert. Nun vertraut man darauf, dass auch der nächste Gegner Anstand
> und Respekt zeigt.
Bild: Tahitis Torschütze Jonathan Tehau nach seinem Treffer.
BELO HORIZONTE taz | Wahre Heldengeschichten handeln immer auch von
Schmerz. Insofern musste man am Montagabend im Estadio Mineirao nicht lange
überlegen, wer sie gerade geschrieben hatte. Während Nigerias Trainer
Stephen Keschi vor allem froh war, dass alle seine Spieler das Auftaktspiel
gegen Tahiti nach einer kaum als solche zu bezeichnenden eineinhalbtägigen
Vorbereitung schadlos überstanden hatten, schoben sich Marama Vahirua und
Nicolas Vallar von Gegner Tahiti schweren Ganges durch die Katakomben.
Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. „Das ist wie ein Sieg für
uns“, fasste Vahirua die allgemeine Gefühlslage zusammen. Trotz ihrer
Blessuren und trotz der 1:6-Niederlage.
Tahiti hatte soeben Geschichte geschrieben und seine Turnierziele bereits
im ersten Auftritt übertroffen: Der Ozeanienmeister wollte sich mit Anstand
und einem eigenen Treffer vom Confed Cup verabschieden. Obendrein hat er
aber noch die Herzen der Zuschauer erobert.
Gegen Nigeria verkaufte sich die Mannschaft trotz zahlreicher Fehler, mit
denen sie im Grunde vier der sechs nigerianischen Treffer extrem
begünstigten, so aufopferungsvoll und teuer, wie es für eine
Amateurmannschaft gegen einen Afrikameister eben möglich ist.
Die knapp 20.000 Zuschauer in der nur zu einem Drittel gefüllten Arena
waren begeistert von den Inselkickern. Die Sympathien im Stadion waren
schon vor dem Spiel klar zugunsten des krassen Außenseiters verteilt. „Noch
in der Kabine habe ich meine Mitspieler gefragt: Hört ihr das?“, erzählte
Vahirua, der einzige Profi im Auswahlteam der Toa Aito (Eiserne Krieger),
nach dem Spiel mit noch immer ungläubig großen Augen.
## Kampf mit den Tränen
Bis in die Katakomben waren die „Tahiti“-Rufe von den Rängen durchgedrungen
– als sie die große Fußballbühne betrat, war die Mannschaft sichtlich
überwältigt, viele Spieler und Betreuer kämpften mit den Tränen.
Seit ihrer Ankunft in Brasilien vor gut zwei Wochen hat die Abordnung der
südpazifischen Insel, für die die Reise zum Confed Cup das größte Abenteuer
ihres Lebens ist, beste Werbung in eigener Sache gemacht. Trotz der
Lockerheit ihrer Auftritte hat sie ihrer Teilnahme eine immense Bedeutung
verliehen: Nicht weniger als den gesamten Amateurfußball wollen sie würdig
vertreten, betonte der hinreißende Trainer Eddy Etaeta mehrfach: „Wir mögen
Amateurfußballer sein, aber wir haben uns professionell vorbereitet.“
## Mutige Spielweise
Und so überraschten sie ihren Gegner einerseits mit einer gut einstudierten
Taktik, andererseits mit einer doch durchaus beachtlichen, mutigen
Spielweise. „Wir hatten einige Torgelegenheiten. Ehrlich gesagt, hätte ich
das vorher nicht gedacht“, sagte Vallar, der auch stellvertretend für den
Einsatzwillen stand.
„Ich hatte mich vor zwei Wochen am Oberschenkel verletzt, sollte eigentlich
nicht spielen, aber kurzfristig ist ein Spieler krank geworden, da musste
ich doch ran“, erzählt Vallar lächelnd. Im Spiel hatte er sich mehr als
fünfzig Minuten sichtlich angeschlagen in die zahlreichen nigerianischen
Angriffe geworfen.
Der verdiente Lohn war schließlich der Treffer von Jonathan Tehau. Zunächst
rangen die Tahitianer um Fassung, dann jubelten sie unbändig im Kollektiv
über das historische Tor, das dem 25-jährigen Verteidiger einen Eintrag in
den Geschichtsbüchern gesichert hat.
Die Feldspieler zelebrierten eine gemeinschaftliche Hommage an ihre Heimat
und imitierten ein paar Paddelschläge ihres Nationalsports Pirogue, mit dem
Vahirua bereits über Jahre vor allem in Frankreich berühmt wurde.
## Muschelkette und Wimpel
Die Auswahl der kleinen Insel hat die Teilnahme am Confederations Cup in
Brasilien tatsächlich auch zu einer Staatsangelegenheit gemacht. Etaeta
erzählt, dass in der Heimat eine Kabinettssitzung wegen des Spiels
unterbrochen wurde. Und wo sich Profis sonst vor dem Spiel kurz die Hand
geben, überreichten Tahitis Spieler den Nigerianern heimische Muschelketten
und Wimpel.
Vier Fans haben Tahiti mit nach Brasilien begleitet: die Eltern von Kapitän
Nicolas Vallar und Ersatztorhüter Mikael Roche. Doch im Estadio Mineirao
waren bereits Dutzende Zuschauer in Rot-Weiß zu sehen, einige jugendliche
Fans hatten sich sogar die Oberkörper in den Landesfarben der
französisch-polynesischen Insel bemalt. Es ist nicht sonderlich abwegig,
dass es morgen im historischen Fußballtempel Maracana noch ein paar mehr
werden.
Dann wird Tahiti gegen die Übermacht Spanien noch größerer Außenseiter als
eh schon sein, ein zweistelliges Ergebnis wird sich selbst dann kaum
vermeiden lassen, wenn Spanien es nicht darauf anlegt: „Es ist sicher nicht
ihr Ziel, uns vorzuführen“, betonte Trainer Etaeta zum wiederholten Male,
der seine Spieler auf die Stimmung von 80.000 Zuschauern vorbereitete,
indem er sie beim Training über Lautsprecher vom Band einspielen ließ.
Und er schob in Richtung seines spanischen Kollegen Vicente del Bosque
eindringlich nach: „Ich habe ihn als sehr bescheidenen Menschen
kennengelernt. Ich hoffe, er hat meine Worte gehört.“
18 Jun 2013
## AUTOREN
John Hennig
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