| # taz.de -- Proteste in Brasilien: Referendum mögen nicht alle | |
| > Brasiliens Präsidentin hat ein Referendum über eine | |
| > Verfassungsversammlung vorgeschlagen. Entrüstung und Widerstand kommt | |
| > nicht nur von der Opposition. | |
| Bild: So könnte es dieser Tage dort wieder aussehen: Proteste in Belo Horizont… | |
| BRASILIA dpa | Die Initiative von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff für | |
| eine [1][Volksabstimmung über eine verfassungändernde Versammlung] droht zu | |
| scheitern. Es gab erhebliche Kritik aus dem Kongress an dem | |
| Referendums-Plan, dessen Ziel eine umfassende Politikreform ist. | |
| Das Abgeordnetenhaus lehne den Vorschlag ab, sagte der Präsident der | |
| Kammer, Henrique Eduardo Alves. Auch der einflussreiche Anwaltsverein des | |
| Landes sprach sich gegen den Vorstoß aus. Brasiliens Justizminister José | |
| Eduardo Cardozo signalisierte, dass die Regierung für eine Politikreform | |
| nach Alternativen zu einer Verfassungsversammlung suche. | |
| Das Referendum, das Rousseff als Antwort auf die Massenproteste im Land | |
| vorgeschlagen hatte, kann nur vom Nationalkongress beschlossen werden. Es | |
| gab in der vergangenen Jahren unter Rousseffs Vorgänger Luiz Inácio Lula da | |
| Silva schon mehrere Anläufe für eine verfassungsändernde Versammlung, die | |
| alle im Kongress scheiterten. Der Präsident Anwaltsvereins, Marcus Vinícius | |
| Furtado, sagte nach einem Treffen mit Rousseff, die Präsidentin sei | |
| dahingehend sensibilisiert worden, dass dieser Weg nicht der beste sei. | |
| Vor ihren Ankündigungen war Rousseffs am Montag mit Vertretern der | |
| Protestbewegung sowie mit Gouverneuren und Bürgermeistern | |
| zusammengetroffen. Die Präsidentin schlug fünf Reformpakte vor. Unter | |
| anderem sollen der öffentliche Nahverkehr, das Gesundheitssystem und das | |
| Bildungswesen verbessert werden. Mit Blick auf ein Hauptanliegen der | |
| Protestbewegung machte Rousseff klar, dass sie Korruption als schweres | |
| Delikt geahndet sehen wolle, das schärfer bestraft werde. Es sei notwendig, | |
| die Gesetze zu verschärfen. | |
| „Brasilien ist reif, um weiterzugehen, und hat bereits klar gemacht, dass | |
| es nicht stehenbleiben wird“, sagte sie zur Begründung ihres | |
| Referendumsvorschlags. Allerdings formierte sich sofort nach der | |
| Ankündigung bei der Opposition Widerstand gegen das Projekt. | |
| Ex-Präsidentschaftskandidat José Serra sagte, der Vorschlag habe weder Hand | |
| noch Fuß. Wenn es zur Verfassungsversammlung kommen sollte, falle die | |
| Diskussion möglicherweise ins Wahlkampfjahr 2014, und das wäre nicht | |
| ratsam, sagte Serra, der Rousseff bei der Präsidentschaftswahl 2010 | |
| unterlegen war. | |
| ## Das letzte Wort hat der Kongress | |
| Eine Volksabstimmung könnte nach den Worten von Bildungsminister Aloizio | |
| Mercadante am 7. September oder 15. November stattfinden. Beide Tage sind | |
| gesetzliche Feiertage. Das letzte Wort über ein Referendum habe aber der | |
| Kongress, der auch den Termin festlege, betonte der Minister. | |
| Brasilien richtet 2014 die Fußball-WM aus. Kurz darauf sind | |
| Präsidentschaftswahlen. Der Oppositionspolitiker und mögliche Kandidat | |
| Aécio Neves warf Rousseff vor, den Kongress überrumpeln zu wollen. Sie | |
| gestehe dem Kongress ein Vorrecht zu, das der längst habe und wolle so von | |
| der aktuellen Situation ablenken. | |
| Vertreter der Protestbewegung „Passe Livre“ (Freifahrtschein) zeigten sich | |
| nach dem Treffen mit Rousseff enttäuscht. Der Dialog sei ein wichtiger | |
| Schritt, aber Rousseff habe zu wenige „konkrete Vorschläge“ gemacht, sagte | |
| die Aktivistin Mayara Vivian der Zeitung Folha de São Paulo. „Passe Livre“ | |
| hatte mit Demonstrationen gegen Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr | |
| die Protestwelle ausgelöst. Die Anhebungen waren landesweit zurückgenommen | |
| worden. | |
| Die Proteste gingen zuletzt weiter, wenn auch mit verminderter Stärke. In | |
| Porto Alegre im Süden des Landes gingen 10.000 Menschen gegen Korruption | |
| und soziale Missstände auf die Straßen. Es kam zu Ausschreitungen. | |
| Randalierer steckten Müllcontainer in Brand. Die Polizei setzte Tränengas | |
| ein. Es gab mehrere Verletzte. Mehr als 100 Menschen wurden festgenommen. | |
| Auch in Rio kam es zu Protestaktionen. Diese Woche werden erneut | |
| Demonstrationen erwartet, unter anderem in Belo Horizonte, wo das erste | |
| Halbfinal-Spiel des Confederations Cups zwischen Brasilien und Uruguay | |
| stattfindet. | |
| 26 Jun 2013 | |
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