# taz.de -- Rassistische Ausfälle in Bremen: Angst vor der Fremdenangst | |
> In Bremen fehlen 500 Plätze für Flüchtlinge. Nun werden neue | |
> Massenunterkünfte geplant. In einem Teil der Bevölkerung regt sich | |
> rassistisch motivierter Widerstand. | |
Bild: Hitzige Beiratssitzung in Bremen-Vegesack: Hinter den Wutbürgern scharen… | |
BREMEN taz | In Bremen wird das Aufflammen einer rassistischen Stimmung | |
befürchtet. Wegen steigender Flüchtlingszahlen plant die Stadt fünf neue | |
Massenunterkünfte, darunter drei Container-Siedlungen. Im Stadtteil | |
Vegesack in Bremen-Nord hat der Ortsbeirat dies nun abgelehnt – auf einer | |
Sitzung, die von aggressiver Stimmung und rassistischen Vorurteilen geprägt | |
war. In zwei weiteren Stadtteilen stehen Diskussionen an. Schon gibt es | |
Flugblätter mit fremdenfeindlichen Untertönen und Unterschriftenlisten | |
gegen die Flüchtlingsunterbringung. | |
„Wegziehen“ werden sie, drohten die AnwohnerInnen am Donnerstag in | |
Vegesack. Eine „zu hohe Belastung“ seien die Flüchtlinge für den Stadttei… | |
Keinen Platz gab es für eine sachliche Diskussion darüber, ob es nicht | |
bessere Lösungen als Container gebe, ob der Platz nicht zu klein sei oder | |
als Grünfläche erhalten bleiben solle. VertreterInnen von | |
Flüchtlingsinitiativen und die Bremer Integrationsbeauftragte Silke Harth | |
wurden niedergebrüllt. Teile des Publikums raunten rassistische Kommentare. | |
Mobilisiert worden waren die BürgerInnen von der CDU und den | |
rechtspopulistischen „Bürgern in Wut“, die mit drei von 15 Sitzen in dem | |
Lokalparlament vertreten sind. | |
Wegen steigender Zahlen von AsylbewerberInnen nehmen alle Kommunen derzeit | |
mehr Flüchtlinge auf. 90.000 bis 100.000 Flüchtlinge werden für 2013 | |
bundesweit erwartet. 2012 haben gut 77.000 Menschen einen Asylantrag | |
gestellt, 2011 waren es etwa 53.000. In Osnabrück fehlen derzeit 100 | |
Plätze, „nicht dramatisch“ sei das, sagt Udo Kunze, Leiter des Fachbereichs | |
Soziales. „Es werden nur vereinzelt Bedenken von den AnwohnerInnen | |
geäußert.“ Für Niedersachsen weiß der Flüchtlingsrat zumindest aktuell v… | |
keiner Diskussion zu berichten, wie sie in Bremen lief. | |
In Schleswig-Holstein seien die Kommunen „oft überfordert“, sagt Martin | |
Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein. Sie | |
errichteten „Unterbringungen auf den grünen Wiesen – ohne Anbindung an die | |
Infrastruktur und ohne Integrationspotenzial“. AnwohnerInnen, die sich | |
aufregen könnten, sind eher weiter entfernt. Die wachsende Zahl an | |
Flüchtlingen erfordere eine Herangehensweise, die nicht auf Abschreckung | |
beruhen dürfe, sagt Link. Derzeit sei es in Schleswig-Holstein deshalb | |
angedacht, Flüchtlinge in Kommunen anzusiedeln, die etwa über | |
Bildungseinrichtungen verfügen. | |
In Bremen ist vor allem die Wohnungsnot das Problem. Massenunterkünfte sind | |
politisch eigentlich gar nicht gewollt. Schon vor Monaten wurde ein Konzept | |
für die private Unterbringung in Wohnungen beschlossen. Doch „der Zuzug | |
wird deutlich mehr“, erklärt David Lukassen, Sprecher der Bremer | |
Sozialsenatorin, „die Fluktuation ist nicht mehr so stark“. Derzeit fehlen | |
500 Plätze. Wenn auch an anderen Orten neue Unterkünfte abgelehnt werden, | |
könnte es nötig werden, die Beiratsbeschlüsse im nächsthöheren Gremium, der | |
Sozialdeputation, zu kippen, so Lukassen. | |
Weniger aggressiv war die Angst vor steigender „Ausländer-Kriminalität“ in | |
anderen Bremer Stadtteilen zu hören gewesen. 2012 entstanden in | |
Schwachhausen und in Ostertor zwei neue Unterkünfte. Zwei direkte Nachbarn | |
des Flüchtlingsheims in Ostertor – ein emeritierter Professor und ein | |
Frauenzentrum – appellierten sogar an den Beirat in Vegesack, sich ihre | |
guten Erfahrungen zu Herzen zu nehmen. Gehört wurden sie nicht. | |
## Lautstarke Buhrufe | |
Weder die Erklärung der Polizei noch die des Sozialressorts, dass | |
Flüchtlingsunterkünfte nicht mehr Kriminalität bedeuten, kamen in Vegesack | |
an. Zu laut waren die Buhrufe. | |
Björn Fecker, stellvertretender Fraktionschef der BremerGrünen, warnt | |
deshalb vor „plattem Populismus“ und dem „Schüren von Ängsten“. Cindi | |
Tuncel, stellvertretender Fraktionschef der Linken fühlte sich durch die | |
Äußerungen in Vegesack an die Zeit Anfang der 1990er-Jahre erinnert, als | |
bundesweit Asylbewerberheime brannten. Seine Fraktion fordert nun, dass | |
alle Bürgerschaftsparteien erklären, „keine Politik unter dem Vorzeichen | |
von Rassismus“ zu machen. | |
Und die Linken erneuerten jetzt auch ihre Forderung nach einer Notkonferenz | |
zur Flüchtlingsunterbringung. Im April war diese Idee noch abgelehnt | |
worden. | |
8 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
Jean-Philipp Baeck | |
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