# taz.de -- Bürgerbeteiligung: Monokulturelle Beiräte | |
> Der Senat weiß nicht, wie viele Stadtteilpolitiker Migrationshintergrund | |
> haben. Die taz schätzt: drei Prozent. Der Bevölkerungsanteil ist aber | |
> drei Mal so hoch | |
Bild: Wohl ohne Menschen mit Migrationshintergrund: der Beirat Blumenthal | |
Wie viele Menschen in den Bremer Beiräten haben Migrationserfahrung? Das | |
wollte die SPD vom Senat wissen. Dessen Antwort: Keine Ahnung, schließlich | |
sei „der mögliche Migrationshintergrund bei der Aufstellung als | |
Beiratskandidat“ kein Kriterium. Er weiß aber, dass in den 22 | |
Kommunalparlamenten 327 Beiratsmitglieder sitzen. | |
Also: Es gibt sechs Beiräte, in denen je eine Person mit ausländisch | |
klingendem Namen sitzt – fast immer türkisch oder kurdisch. Dies sind: | |
Osterholz, Östliche Vorstadt, Woltmershausen, Neustadt, Vegesack, Findorff. | |
In der Vahr und in Gröpelingen sind es sogar jeweils zwei. | |
Die Linke hat dabei die beste Quote: Sie stellt nur 22 aller Bremer | |
Beiratsmitglieder, vier von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Die | |
SPD, die 123 Mitglieder in die Stadtteilparlamente entsendet, kommt | |
ebenfalls auf vier. Die Grünen bringen es auf zwei von 77. Die CDU hat 85 | |
Beiräte über die Stadt verteilt, keiner hat einen Migrationshintergrund. | |
„Wir haben Nachholbedarf“, räumt der Sprecher der Bremer CDU, Gunnar | |
Meister, ein. | |
Dass die Beiräte von Schwachhausen oder Borgfeld monokulturell sind, | |
erstaunt nicht. Aber warum fehlen MigrantInnen in denen von Walle und | |
Hemelingen, wo der Migrantenanteil etwas höher ist als der Bremer | |
Durchschnitt von 28 Prozent? | |
„Das kann ich Ihnen nicht sagen“, sagt Wolfgang Golinski (SPD), | |
Beiratssprecher in Walle. Wahrscheinlich, glaubt er, müssten die Parteien | |
mehr Werbung machen. „Da steckt kein böser Wille dahinter, aber wenn das | |
Interesse fehlt, sich zu beteiligen, können wir nichts machen.“ | |
Ganz so einfach sei es nicht, sagt seine Partei-Genossin, Valentina Tuchel, | |
die als Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft die Anfrage an den Senat | |
gestellt hat. Man müsse sehr gezielt Leute ansprechen. Am besten solche, | |
die viele Kontakte in die migrantischen Gemeinschaften haben und als | |
Multiplikatoren wirken können. Und Rückmeldung geben können, warum die | |
Beiratsarbeit nicht attraktiv erscheint und ob überhaupt bekannt ist, was | |
die Stadtteilparlamente bewirken können. | |
Anders als der Senat hält Tuchel den Migrationshintergrund für ein | |
wichtiges Kriterium: um Vorurteilen entgegenzuwirken. Das sei auch ihr | |
Vorhaben gewesen, als sie anfing, sich zu engagieren, erzählt sie. Mitte | |
der 90er-Jahre ist Tuchel aus Russland eingewandert, 2005 mit 40 Jahren in | |
die SPD eingetreten, von 2007 bis 2011 war sie Mitglied im Beirat Vahr. Sie | |
wollte nicht mehr zuhören, wenn schlecht über Ausländer geredet wurde. | |
„Ängste haben Menschen vor dem Fremden, deshalb muss man auf sie zugehen.“ | |
Ihr zweites Motiv: Dass nicht an den Bedürfnissen der verschiedenen | |
Bevölkerungsgruppen vorbei geplant wird. | |
„Eigentlich befinden wir uns im kommunalpolitischen Blindflug“, sagt | |
Ullrich Höft, Leiter des Ortsamts Hemelingen. Er kenne zwar viele, die sich | |
vor Ort in Projekten engagieren, aber offenbar würden die Parteien noch zu | |
wenig unternehmen, um migrantische Beiräte zu gewinnen. Und dann gebe es | |
noch „die Durchstarter“, wie er sie nennt, die direkt in der Bürgerschaft | |
landen. | |
Interessant ist, dass im Beirat Hemelingen zwar keine ehemaligen | |
Flüchtlinge sitzen, dieser aber anders als sein Vegesacker Pendant der | |
Errichtung von Modulbauten für 120 Flüchtlinge zugestimmt hat. Genau wie in | |
Vegesack gibt es bereits ein Flüchtlingsheim. Das hat aber nicht wie dort | |
60 Bewohner, sondern 250. | |
16 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
## TAGS | |
Bremen | |
Flüchtlinge | |
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