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# taz.de -- Überwachungsvisionen im Kino: Netz-Gehirne, gleichgeschaltete Welt
> US-Blockbuster wie „Pacific Rim“ oder „Iron Man“ gewöhnen uns an den
> exekutiven Ernstfall: Datenverwaltung durch eine zentrale Instanz.
Bild: Touchscreen-Opfer: Jack (Tom Cruise) und Julia (Olga Kurylenko) in „Obl…
Gedruckte Bücher und Schallplatten aus Vinyl, das sind die Medien der
Zukunft. Jedenfalls, wenn man Joseph Kosinskis Blockbuster „[1][Oblivion]“
(2013) trauen darf, in dem Tom Cruise einen Mechaniker auf einem
menschenleeren Planeten Erde spielt, der zum bloßen Energiereservoir
umfunktioniert wurde, eine Art Desertec auf interplanetarischer Ebene.
Jack heißt dieser Einzelgänger, dem zudem vor seinem Einsatz das Gedächtnis
gelöscht wurde, und dem die Erde nun eine Tabula rasa ist, während ein
wenig höher, in einem Heim in den Wolken, seine Kollegin Victoria sitzt,
die keinen konkreten Kontakt mehr hat. Für sie ist die Wirklichkeit in
erster Linie ein Touchscreen, woraus sich einmal mehr ein platonsches
Höhlengleichnis ergibt, das „Oblivion“ auf mehreren Ebenen durchspielt.
Für die aktuelle Diskussionslage ist dabei die spannendste sicher
diejenige, auf der es um die Wiedergewinnung von gesicherter Information
geht. Denn das, was gegenwärtig vor allem unter dem Stichwort der
Überwachung diskutiert wird, hat ja noch eine Kehrseite, von der in den
erfindenden Medien eher die Rede ist als in den berichtenden: Manipulation
ist die logische Folge des Mitlesens; wer Zugriff auf Daten und Metadaten
hat, wird irgendwann auch Daten produzieren.
Der Fall des einsamen „Whistleblowers“ Edward Snowden, der in einer
Transitzone festsitzt, lässt sich ohne Weiteres schon jetzt fiktional zu
Ende denken: in einer Erzählung, in der sich zwischen dem realen Snowden
und einem medialen Avatar irgendwann ein Spalt öffnen wird, in den die
involvierten Supermächte ihre Versionen der Geschichte platzieren werden.
Der „Spin“, den die Menschenrechtsorganisationen der Sache geben können,
wird irgendwann nicht mehr unterscheidbar sein von dem, was Putin in der
Angelegenheit will. Und die US-Amerikaner mögen im Moment in einer
peinlichen Lage sein, sind aber zugleich umso deutlicher als die
unhintergehbare Macht in dieser Angelegenheit erkennbar geworden.
## Die Ahnung des Kinos
In dieser Situation lohnt sich ein Blick darauf, inwiefern das populäre
Kino etwas von dieser Sache geahnt hat. Die amerikanischen Blockbuster sind
ja in doppelter Hinsicht immer so etwas wie Laboratorien des Kommenden: auf
der Ebene der individuellen Handlungsmacht und auf der Ebene der
Wirklichkeitsproduktion.
Sie präsentieren Helden und Welten, und häufig enthalten sie auch ein
unausdrückliches Argument dahingehend, wie sich die Heldenfunktion zu einer
bestimmten Welt verhält. Das Verhältnis verschärft sich deutlich, seit
Welten zunehmend mit Daten identisch, also zu Informationsumgebungen
werden, innerhalb derer sich ganz andere Bewegungslogiken aufdrängen als
noch in den klassischen Weltrettungsszenarien, in denen es darum ging,
Gegner aus dem Weg zu räumen, um zum Kern eines Problems vorzudringen.
Selbst ein so offensichtlich fantastisches Sujet wie das des diese Woche
anlaufenden Monsterfilms „[2][Pacific Rim]“ von Guillermo del Toro enthält
neben den Gigantenkämpfen zwischen menschengesteuerten Robotern und
Riesensauriern aus dem glühenden Erdinneren eine informationslogische
Ebene, die in dem ganzen Getöse allerdings wenig Beachtung erheischt. Eine
angesichts globaler Bedrohung militaristisch gleichgeschaltete Erde wird
hier strikt unter dem Aspekt exekutiven Handelns fantasiert, der alle
verfügbaren und notwendigen Daten mit absoluter Selbstverständlichkeit auf
bloße Handbewegung hin zur Verfügung stehen.
Zwei verrückte Wissenschaftler lassen sich schließlich mit dem Gehirn der
Monster kurzschließen, sie bilden eine neuroinformative Schnittstelle, die
immerhin Nasenbluten verursacht. Ganz so wie bei den Roboterlenkern, die
ebenfalls mit verschalteten Gehirnen operieren und so (im Gewand eines
Science-Fiction-Films, der Retrohommage mit „State of the art“-Technologie
verbindet) eine Netzwerkmenschheit antizipieren, in der wir alle
gelegentlich durch Erinnerungsschlunde stürzen, uns dann aber wieder
aufrappeln, um den Monstern entgegenzutreten.
„Pacific Rim“, aber auch Superheldenfilme wie „[3][Iron Man]“, lassen
erkennen, wie sehr wir durch Blockbuster an den exekutiven Ernstfall
gewöhnt wurden, in dem es ganz selbstverständlich ist, dass alle
Informationen in einer zentralen Instanz zusammenlaufen, von der aus sie
jederzeit an ein konkretes Dock geholt werden können.
Dass diese Docks tendenziell immateriell werden, also Screens ohne
Trägermedium, reine Virtualität im Verbund mit der Haptik, an die uns das
Mobiltelefon derzeit gewöhnt, ist seit Steven Spielbergs „[4][A.I. –
Künstliche Intelligenz]“ (2001) schon technofantastischer Standard im
amerikanischen Kino.
## Der allwissende Staat
In „Pacific Rim“ ist dieses Wunschbild zu einer Art holografischer
Induktionsstation weiterentwickelt worden, auf die jederzeit jede beliebige
Information geholt werden kann. Der allwissende Staat, der hier schon zu
einer allwissenden, hegemonial bestimmten Weltgesellschaft weitergedacht
ist, verflüchtigt sich geradezu in eine Cloud, aus der heraus keine
politischen Entscheidungen mehr kommen, schon gar keine irgendwie
legitimierten, sondern nur noch die Daten, die es zur Ausübung der
Heldenfunktion braucht.
Dem stehen die anderen Szenarien gegenüber, die auf das „nackte Leben“
verweisen, auf das Edward Snowden sich derzeit zurückgeworfen sieht: Die
Abenteuer von Helden, die sich der Datenmacht gegenübersehen und die nach
den Schlupfwinkeln und Fluchtwegen suchen, die sich im globalen
Überwachungsnetz nur noch denen auftun, die über brillante Spannkraft
verfügen.
Tony Gilroys Film „[5][Das Bourne Vermächtnis]“ (2012) spielte so einen
Ernstfall in einer exzellenten Anfangsszene durch, in der der Agent (mit
unklarem Status angesichts einer unlesbar gewordenen geheimdienstlichen
Organisation) Aaron Cross sich vor einem Angriff in Sicherheit zu bringen
versucht, der von einer Drohne aus geführt wird.
Genauer gesagt wird der Angriff von einer jener Kommandostellen aus
geführt, von der aus Drohnen gesteuert werden und wo die Überwachungsbilder
zusammengesetzt werden, aus denen das Kino hier das bedrängende Bild einer
lückenlosen Welt erstellt, in der es nur noch den trickreichsten Agenten
gelingt, sich einen Rückzugsraum zu schaffen.
Nicht unähnlich, wenngleich informationslogisch weniger subtil durchdacht,
ist die Aufgabenlage für den Exsoldaten Gerry Lane, den Brad Pitt in Marc
Forsters „[6][World War Z]“ spielt. Auch hier gibt es eine Ebene globalen
Exekutivhandelns mit souveränem Datenzugang, von der der individuelle Held
allerdings abgekoppelt ist. Seine Leistung besteht gerade darin, dass er
sich aus der Sicherheit der Festung herauswagt und sich unter die Elenden
begibt.
Nur hier kann er die Beobachtung machen, die ihm den Schlüssel zur
Bekämpfung der Zombieseuche gibt. Dass er dabei auf ein Mobiltelefon
angewiesen ist (ein Gerät, das nicht immer Empfang hat und einen Akku, der
irgendwann leer ist), macht seinen Heldenweg fast schon ein wenig gestrig,
oder eben: dezidiert alte Schule.
## Grenzen statt Daten
Gerry Lane gerät auch, weil er ja inoffiziell unterwegs ist, in die
Zwangslagen, die sich im Krisenfall aus der Tatsache ergeben, dass es immer
noch territoriale Grenzen gibt, auf die Individuen viel eher stoßen als
Daten. Lane wird selbst zu einem Migranten, wobei die Macher von „World War
Z“ sich den Implikationen ihres Tuns nicht wirklich gestellt haben. Denn
dass der Held selbst zur Lösung des Problems wieder aus dem Chaos
zurückkehren muss, ist eigentlich nicht unbedingt notwendig.
Viel wichtiger ist, dass seine Daten, die von ihm gewonnenen Informationen,
ihren Bestimmungsort erreichen. Doch gerade in dieser Situation erweist
sich, dass der konservative Starkult, auf dem „World War Z“ beruht, auch
ein hellseherisches Moment enthält: Denn in den Bedrohungsszenarien, die
sich für die Zukunft abzeichnen und für die Zombie-Seuchen eine eher
unpassende Metapher sind, wird es wieder verstärkt auf die Identität
zwischen Heldenrolle und Informationsfunktion ankommen.
Tom Cruise, Brad Pitt, aber auch Edward Snowden zeigen uns, dass es
unabdingbar ist, dass einzelne Figuren mit Leib und Leben die Überwachung
und Manipulation durchbrechen. Im Kino beseitigen sie dann auch noch das
eigentliche Problem, finden ein Antivirus oder entdecken hinter der Tabula
rasa ein Ökosystem. Im richtigen Leben endet der Held in einer Transitzone,
er steckt fest, ein störrischer Körper zwischen grenzenlosen Metadaten.
17 Jul 2013
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=KQ3eH6q3810
[2] http://www.youtube.com/user/WarnerBrosEnt?v=zX7yL4jeMU4
[3] http://www.youtube.com/watch?v=N4Br6xg-dXo
[4] http://www.youtube.com/watch?v=uA_wFT6XFNk
[5] http://www.youtube.com/watch?v=ALjpg7rAlmE
[6] http://www.worldwarzmovie.com/
## AUTOREN
Bert Rebhandl
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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