# taz.de -- Kommentar Länderfinanzausgleich: Sollen sie doch austreten, die Ba… | |
> Der Staat will nichts mehr ausgeben? Will nicht mehr umverteilen? Dann | |
> ist er kein Staat mehr, sondern eine neoliberale Anarchie. | |
Bild: In Bamberg (nicht Bayern, sondern Franken!) bleibt das Sommerloch eine Le… | |
Immer wenn in den letzten zwanzig Jahren von Reformen die Rede war, ging es | |
darum, eine politische Sauerei durchzuziehen, selbstverständlich im Namen | |
der Effizienz. Durch Reformen sollen Einsparpotenziale ausgeschöpft werden, | |
Gelder, die man dann in ein Drohnenprojekt, in einen Hauptstadtflughafen | |
oder den BND/NSA-Neubau in Berlin-Mitte investieren kann. | |
Und es sind durchaus nicht immer die eindeutig Bösen – also etwa der | |
Puffgängerfreund Gerhard Schröder oder der gut geschmierte Vernichter des | |
deutschen Rentensystems Walter Riester –, denen die Menschen auf den Leim | |
gegangen sind; nein, es ist zum Beispiel auch die kreuzbrave ÖDP. Das von | |
ihr initiierte Volksbegehren „Schlanker Staat ohne Senat“ führte im Jahr | |
2000 dazu, dass die Bayern sich ihrer zweiten Parlamentskammer entledigten. | |
Klar: Der bayerische Senat war eine öffentlich ausgehaltene | |
Frühstückskammer, wo sich Honoratioren trafen, um das zu tun, was | |
netzwerken zu nennen sie schlicht noch zu gemütlich waren. Niemand vermisst | |
dieses Überbleibsel des Ständestaats – und das, um zur aktuellen Diskussion | |
über eine Neuordnung der Bundesländer zu kommen, gälte natürlich auch für | |
Gebilde wie Sachsen-Anhalt. Im Gegenteil: Eine Autobahnfahrt von Berlin | |
nach Westdeutschland ohne die penetranten Frühaufsteheraufsteller würde das | |
Leben leicht netter machen. | |
Wie viel netter ein radikal effizienter Staat aber tatsächlich ist, lässt | |
sich gerade in Griechenland studieren. Das Ergebnis sind hier Kinder, in | |
deren Kitas es keine Bastelsachen mehr gibt; ist ein zusammengebrochenes | |
Gesundheitssystem, sind bettelnde alte Menschen. Ein Staat, der nichts mehr | |
ausgeben, der nicht mehr umverteilen, der nicht mehr in der Fläche präsent | |
sein will, ist kein Staat mehr, sondern neoliberale Anarchie. | |
## Lieber andere niedermachen | |
In Deutschland ist die Länder-Diskussion – na ja, neu aufgeflammt, ist bei | |
diesem Dauersommerlochthema vielleicht übertrieben. Die Welt am Sonntag | |
zitierte am Wochenende den Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum zu den | |
Auswirkungen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse: „Wer bis 2020 | |
seinen Haushalt nicht in Ordnung gebracht und zukunftsfähig aufgestellt | |
hat, riskiert seine Selbständigkeit.“ | |
Im Handelsblatt war Tags darauf der Hintergrund von Nußbaums markiger | |
Ansprache zu lesen: Berlin hat im ersten Halbjahr 2013 den zweithöchsten | |
Pro-Kopf-Überschuss aller Länder erzielt. Insgesamt erwirtschafteten 7 der | |
16 Bundesländer einen solchen Überschuss, darunter natürlich auch Bayern. | |
Dort stolperte einst Ministerpräsident Stoiber über seinen Sparwahn. | |
Nachfolger Seehofer hat hingegen erkannt, dass es immer besser kommt, | |
mittels einer Klage gegen den Länderfinanzausgleich andere niederzumachen, | |
als das eigene platte Land noch platter und bürgerferner zu machen, als es | |
ohnehin schon ist. | |
Der von der Schuldenbremse angestoßene Oberstreberwettlauf der Nußbaums | |
aller Länder wird jedenfalls das Leben in Deutschland nicht reicher und | |
nicht schöner machen. Die 7,5 Millionen DM, die der „nicht mehr in den | |
Haushalt eingestellte Titel“ (Pressestelle Bayerischer Landtag) für den | |
Bayerischen Senat eingebracht hat, sind Peanuts im Vergleich zu den Umsatz- | |
und damit Steuerverlusten, die das ebenfalls von der ÖDP der bayerischen | |
Gastronomie und dem Staatshaushalt eingeschenkte Rauchverbot verursacht | |
haben. Wer Effizienz verherrlicht, landet letztlich immer nur auf der | |
Spaßbremse und mittelfristig in der Rezession. | |
Dass die Diskussion auch anders gedreht werden kann, zeigt die „Partei für | |
Franken“ und ihr Vorsitzender Robert Gattenlöhner. Als „realistisches“ | |
Projekt für mehr Vielfalt strebt er die Umbenennung des „Freistaats Bayern“ | |
in „Freistaat Franken-Bayern“ an. Am elegantesten, sagte er der taz, wäre | |
natürlich, wenn Bayern seine jüngst wieder häufiger zu hörende Drohung wahr | |
machen und aus der Bundesrepublik austreten würde – „diesen Wahnsinn würd… | |
wir auf keinen Fall mitmachen“. Ein kleineres Deutschland ohne Bayern mit | |
einem Bundesland Franken – dass die Debatte auch ein Sommerloch füllt, | |
bleibt hoffentlich kein frommer Wunsch. | |
5 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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