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# taz.de -- Abschiebung nach Eisenhüttenstadt: Knastverschickung an die Oder
> Laut einem internen Papier erwägt der Senat, für mehrere Jahre
> Abschiebehäftlinge in Eisenhüttenstadt einzuquartieren. Dort betreibt
> Brandenburg eine Billighaftanstalt
Bild: Abschiebeknast Eisenhüttenstadt
Eine dauerhafte Fusion der Abschiebeknäste von Berlin und Brandenburg wird
es nicht geben. Die Länder prüfen aber, für einen Zeitraum von drei bis
fünf Jahren Berliner Abschiebehäftlinge in Eisenhüttenstadt unterzubringen.
Das geht aus einem internen Bericht des Potsdamer Innenministeriums hervor,
der der taz vorliegt. Es geht um den Zeitraum zwischen der Schließung der
überdimensionierten und maroden Haftanstalt in Berlin-Grünau und einem
Neubau.
Tatsächlich sind sind die Abschiebeknäste in beiden Bundesländern viel zu
groß. Das Berliner Gemäuer verfügt über 215, das Brandenburger über 108
Haftplätze. Derzeit sitzen in Berlin nur 3 Abschiebehäftlinge, in
Brandenburg 18. Um Kosten zu sparen, hat eine gemeinsame Arbeitsgruppe eine
Fusion geprüft.
Dem Potsdamer Papier zufolge prallten unterschiedliche Philosophien
aufeinander: In Grünau arbeiten Polizeibeamte, nach dem Willen des Senats
soll das auch so bleiben. In Eisenhüttenstadt sind Mitarbeiter einer
privaten Wachschutzfirma tätig, die bis vor Kurzem nur 5 Euro Stundenlohn
bekamen. Brandenburg sind die geringen Kosten wichtig.
Bernhard Fricke, evangelischer Seelsorger für beide Haftanstalten,
beschreibt die Unterschiede: „Die Berliner Polizeibeamten werden regelmäßig
fortgebildet. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis die Schulungen in
interkultureller Kompetenz fruchteten, aber jetzt sind die Früchte da. In
Eisenhüttenstadt sind solche Qualifikationen Fehlanzeige.“ Das
Billigpersonal spreche nicht einmal Englisch. „Die fehlende Kommunikation
mit den Gefangenen ist das Hauptproblem“, so Fricke. „Viele wissen nicht,
warum und wie lange sie dort sitzen und wo ihre Angehörigen geblieben
sind.“ So verbreiteten sich leicht Gerüchte, beispielsweise dass
Mitgefangene angeblich an Tuberkulose erkrankt seien. Der kürzliche
Hungerstreik habe viel mit fehlender Information zu tun gehabt.
Umgekehrt scheitert die Aufnahme Brandenburger Abschiebehäftlinge in Berlin
laut dem der taz vorliegenden Papier nicht nur am Bauzustand des
abrissreifen Berliner Knastes. Brandenburg ist auch nicht bereit, die in
Berlin üblichen Kostensätze von 400 Euro je Haftplatz zu tragen, die durch
den Einsatz der Polizeibeamten, aber auch ausgebildeter Psychologen,
Sozialarbeiter und Dolmetscher entstehen. Die von internationalen
Organisationen angemahnte Beschäftigung eines Psychologen in
Eisenhüttenstadt scheiterte demnach daran, dass Fachkräfte nicht bereit
sind, in der abgelegenen Region zu arbeiten. Seit Jahresanfang gibt es
erstmals eine Psychologin – für vier Stunden pro Woche. Auch die ärztliche
Versorgung ist ein Problem.
Auch abgelehnt hat die Brandenburger Seite einen von Berlin vorgeschlagenen
gemeinsamen Neubau in Brandenburg nahe des Flughafens BER. Das Land will
auf den Billigknast Eisenhüttenstadt einfach nicht verzichten – obwohl das
Innenministerium einräumt, dass es zum wirtschaftlichen Betrieb der
Einrichtung Häftlinge aus anderen Bundesländern aufnehmen müsste, was wegen
der Abgelegenheit unrealistisch ist.
Ob Berlin nun tatsächlich Abschiebehäftlinge nach Eisenhüttenstadt schickt,
hat der Senat dem Papier zufolge noch nicht abschließend entschieden. Das
bestätigte eine Sprecherin der Innenverwaltung der taz: „Alle Optionen sind
offen.“ Dem Papier zufolge machte Berlin geltend, dass wegen der großen
Entfernung von 120 Kilometern die Gefangenen nicht angemessen durch Anwälte
und freiwillige Helfer versorgt werden können.
Seelsorger Fricke sieht das genauso: „In Berlin kommen viele Studenten mit
Sprachkenntnissen, um Gefangene unentgeltlich zu betreuen. In
Eisenhüttenstadt gibt es so das nicht.“ Wenn sich Abschiebehaft schon nicht
abschaffen lasse, so Fricke, „dann muss der hohe Berliner Standard sein und
nicht der Brandenburger Billigstandard.“ Die Idee der befristeten
Mitnutzung von Eisenhüttenstadt sei nach seiner Kenntnis entstanden, weil
Berlin keinen Alternativstandort mit 20 bis 30 Haftplätzen gefunden hat.
„Da erwarte ich mehr Fantasie. Ein beliebiges Haus mit ausbruchssicheren
Scheiben ohne Gitter reicht völlig“, so Fricke.
Auf der anderen Seite hat Berlin dem Brandenburger Papier zufolge für den
Fall einer Mitnutzung von Eisenhüttenstadt bereits bauliche Veränderungen
angemahnt, etwa zusätzliche Räume für Besucher. Dazu sei Brandenburg
bereit.
## Grüne: Haft vermeiden
Brandenburgs grüne Innenexpertin Ursula Nonnemacher mahnt eine ganz andere
Lösung an: Das rot-rote Brandenburg solle nach dem Vorbild der rot-grünen
Bundesländer Abschiebehaft vermeiden, statt sie fiskalisch zu optimieren.
Rheinland-Pfalz beispielsweise schließt demnächst den Abschiebeknast und
steckt das dadurch eingesparte Geld in Beratungen für Flüchtlinge.
7 Aug 2013
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Flüchtlinge
Berlin
Asyl
Abschiebung
Abschiebehaft
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