# taz.de -- FDP-Politiker über Pressefreiheit: „Wir brauchen mutige Menschen… | |
> Nach den Repressalien gegen Journalisten in Großbritannien sieht | |
> Menschenrechtsbeauftragter Löning die Bevölkerung gefordert. Auch in | |
> Deutschland. | |
Bild: „Sicherheitsdienste, die in eine Redaktion eindringen sind ein erschrec… | |
taz: Eine Zeitung muss ihre brisanten Dokumente vernichten, der | |
Lebensgefährte eines Enthüllungsjournalisten wird ohne Grund stundenlang | |
festgehalten. Die Weisungen kamen laut Spiegel von oberster Stelle. Wie | |
steht es um die Pressefreiheit in Großbritannien? | |
Markus Löning: Großbritannien hat eine große und lange Freiheitstradition, | |
insbesondere in der Presse. Das zeigt sich ja jetzt an der Reaktion der | |
britischen Gesellschaft, sowohl aus dem Parlament und | |
Menschenrechtsorganisationen, die sich da deutlich äußern. Ich mache mir | |
grundsätzlich keine Sorgen, aber was dort insbesondere in der Redaktion des | |
Guardian passiert ist, war ein Überschreiten der Linie. Die Vorstellung, | |
dass Sicherheitskräfte in ein Redaktionsgebäude kommen und Material | |
zerstören, ist erschreckend. | |
Wir leben in der EU in Rechtsstaaten, es kann nicht die Exekutive ohne | |
gerichtliche Vollmacht solche Dinge vollziehen. Bei dem Fall Miranda ist | |
ein Gesetz zur Bekämpfung von Terror herangezogen worden, obwohl keinerlei | |
Verbindung zu Terrorismus erkennbar ist. Mich hat die Festnahme von Herrn | |
Miranda und die Konfiszierung seines persönlichen Besitzes erschreckt. | |
Sigmar Gabriel hält ein Eingreifen der EU für möglich. Welche Konsequenzen | |
sehen Sie, um Journalisten bei ihrer Arbeit zu schützen? | |
Ich habe großes Vertrauen in das britische Parlament, dass sich die | |
zuständigen Behörden und Minister erklären müssen. Ich vertraue auch der | |
Zivilgesellschaft und der Justiz, dass gerade beim Fall Miranda klare | |
Linien gezogen werden. Da liegt der Ball der Verantwortung. Unabhängig | |
davon ist es wichtig, dass wir unter uns Europäern, unter Freunden, auf | |
Dinge hinweisen, die uns irritieren und stören. Das tun wir untereinander | |
im Menschenrechtsrat und in der Europäischen Union. | |
Journalisten sind oft angewiesen auf Insiderinformationen, um Missstände | |
aufzudecken. Was bedeuten diese Repressalien für den investigativen | |
Journalisten? | |
Es ist wichtig, dass es die rechtliche Möglichkeit gibt, Unrecht | |
aufzudecken, ohne dass Sanktionen zu befürchten sind. Das ist rechtlich | |
schwer zu fassen, das ist eine schwierige Gratwanderung zwischen | |
berechtigten Interessen der Geheimhaltung und der Öffentlichkeit. | |
Rechtssetzung und Auslegung darf nicht so sein, dass Aufdecken von | |
Verbrechen und Misständen spürbar sanktioniert ist. | |
Wir brauchen solche mutige Menschen, die den Mut haben, Dinge aufzudecken. | |
Andererseits gibt es ein berechtigtes Interesse, dass bestimmte Dinge nicht | |
an die Öffentlichkeit gelangen, gerade im Bereich der Sicherheit. Ich | |
denke, Manning und Snowden haben sowohl vermutlich über Gesetze verstoßen | |
als auch legitimerweise Misstände aufgedeckt. | |
Wirklich große Proteste der Zivilgesellschaft lässt die komplexe | |
Datenaffäre bisher vermissen. | |
Nach meinem Eindruck sind sehr viele Leute sehr beeunruhigt, wie weit die | |
Datenerfassung, sowohl von Geheimdiensten und Unternehmen in das | |
Privatleben eindringt. Je deutlicher den Leuten wird, wie gläsern sie sind, | |
umso vorsichtiger werden sie mit ihren Daten umgehen und darauf pochen, | |
dass der Staat Datenschutz gewährleistet. | |
Ich würde da nicht von einer fehlenden Protestbewegung sprechen. Wir haben | |
das Entstehen der Piratenpartei diesem Themenkomplex zu verdanken, wir | |
haben in Berlin jährlich große Demonstrationen, die interessanterweise auch | |
von mehreren Parteien unterstützt werden. Ich seh da einen großen | |
Mobilisierungseffekt in der Bevölkerung. | |
Die Journalistin Laura Poitras, die engen Kontakt zu Edward Snowden hat, | |
arbeitet in Berlin und veröffentlicht auch im Spiegel. Das Magazin | |
berichtete bereits aus Dokumenten des Whistleblowers. Wäre ein solches | |
Vorgehen auch in Deutschland möglich? | |
Die Tatsache, dass diese Menschen nach Deutschland kommen zeigt ja, dass | |
sie das Gefühl haben, dass sie hier sehr gut geschützt sind. Wir sollten | |
das als Kompliment auffassen. Wir haben in Deutschland ein sehr hohes | |
Schutzniveau für Journalisten. Wir haben hier eine Kombination von | |
Gesetzeslage, Rechtsprechung und Zivilgesellschaft, die freie Presse und | |
die Arbeit von Journalisten sehr hoch hält. Das heißt nicht. dass man nicht | |
immer wieder auch drauf schauen muss. | |
Würde ein ähnlicher Fall wie der des Guardian in Deutschland passieren, | |
würde das ein Beben sondergleichen auslösen. Ich erinnere an den | |
Cicero-Fall, wo ja durchsucht und nicht zerstört wurde. Das ist hinterher | |
vom Verfassungsgericht gerügt worden, und die Koalition hat daraufhin den | |
gesetzlichen Schutz noch einmal verbessert. Wir haben da in Deutschland | |
eine hohe Empfindlichkeit, was Unabhängigkeit von Redaktionen, die Arbeit | |
von Journalisten und Quellenschutz angeht. | |
Auch deutsche Behörden haben ein Interesse daran, dass bestimmte | |
Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Äffären gibt es genug: | |
NSA, NSU, Euro Hawk. Ist unsere Pressefreiheit so stark oder gab es den | |
ganz großen Skandal noch nicht? | |
Wir brauchen eine gesellschaftliche und politische Debatte, wie transparent | |
wollen wir die Arbeit unserer Sicherheitsdienste haben und was ist das Maß | |
parlamentarischer Kontrolle. Es gibt da durchaus Bedarf. Aus meiner | |
Erfahrung im Bundestag weiß ich, dass im parlamentarischen Kontrollgremium | |
irgendetwas besprochen wird die Mitglieder dies nicht einmal ihren Kollegen | |
erzählen dürfen. | |
So ist es schwierig zu kontrollieren, was da überhaupt passiert. Ich würde | |
mir da mehr Transparenz wünschen. Klar, können bestimmte Einzelfälle nicht | |
öffentlich untersucht werden. Aber wir müssen durchblicken, was die | |
Mechanismen sind und die müssen der parlamentarischen Kontrolle | |
unterliegen. | |
21 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Anna Kusserow | |
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