# taz.de -- G-20-Gipfel: Schluss mit den Steueroasen! | |
> In St. Petersburg verkünden die G-20-Staaten, dass sie ein zentrales | |
> Geschäftsmodell der internationalen Steuerhinterziehung beenden wollen. | |
Bild: Der Zirkulationsprozess könnte in Steueroasen zukünftig weniger attrakt… | |
BERLIN taz | Manches geht in der internationalen Politik erstaunlich | |
schnell. Im April erst enthüllten Medien, dass der Firmenerbe Gunter Sachs | |
und andere Kapitalbesitzer jahrelang hohe Beträge vor ihren | |
Heimatfinanzämtern im Ausland versteckt hätten. Die Affäre – bekannt unter | |
dem Stichwort „Offshore-Leaks“ – führt nun dazu, dass die Regierungen der | |
20 weltweit größten Wirtschaftsnationen die Konsequenzen ziehen. | |
Zumindestens behaupten sie das. | |
Bei ihrem Treffen in St. Petersburg an diesem Donnerstag und Freitag | |
kündigen die G-20-Staaten an, den Steueroasen die Geschäftsgrundlage zu | |
entziehen. Steueroasen – das sind Kleinstaaten oder von Industrieländern | |
abhängige Territorien, die keine Informationen über die Vermögen | |
weitergeben, die in ihren Banken angelegt sind. Dadurch verlieren die | |
Industriestaaten sehr große Steuerbeträge. Die Rede ist – ohne dass es | |
jemand genau weiß – von Hunderten Milliarden Euro. | |
Eine zentrale Gegenmaßnahme, die die G 20 durchsetzen wollen, ist der | |
sogenannte automatische Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden | |
verschiedener Länder. Der soll so funktionieren: Verbucht beispielsweise | |
ein deutscher Staatsbürger Kapitalgewinne auf seinem Konto bei einer | |
französischen Bank, wird diese Information automatisch an eine zentrale | |
Stelle in Frankreich geschickt und von dort an das Bundeszentralamt für | |
Steuern. Dieses leitet die Angaben an das zuständige deutsche Finanzamt | |
weiter, das daraufhin die Steuer berechnet. | |
Bisher wird dieser Mechanismus nur an wenigen Stellen praktiziert – | |
beispielsweise beim Informationsaustausch über Zinsgewinne innerhalb der | |
Europäischen Union. Auch das Fatca-Abkommen über die gegenseitige | |
Besteuerung von Kapitaleinkünften zwischen den USA, Deutschland und | |
weiteren EU-Staaten enthält ähnliche Regeln, wobei hier nicht alle Arten | |
von möglichen Gewinnen einbezogen sind. | |
## | |
Einen weitgehenden Verbesserungsvorschlag hat unlängst die EU-Kommission | |
gemacht. Demnach sollen die Mitgliedstaaten ihren automatischen Austausch | |
über die Zinsen hinaus auf andere Arten von Kapitalerträgen ausdehnen, | |
unter anderem Dividenden. Die bisherige Möglichkeit für einzelne Staaten | |
sich herauszuhalten würde gestrichen. | |
Der Beifall dafür ist groß. Bei den Experten der CDU heißt es: „Das ist ein | |
Unionsprojekt.“ Auch die Grünen sehen den Kommissionsvorschlag als | |
Fortschritt. Allerdings kritisieren sie, dass unter anderem die | |
Bundesregierung versuche, Stiftungen und Fonds zu schützen, indem diese | |
ihre Anteilseigner verheimlichen dürften. | |
Geht es nun tatsächlich vorwärts? Dafür spricht, dass die verschuldeten | |
Regierungen nach fünf Jahren Finanzkrise dringend mehr Steuereinnahmen | |
brauchen. Bisher handelt es sich allerdings nur um Ankündigungen und | |
Erklärungen. Was davon umgesetzt wird, zeigt sich erst in einigen Jahren. | |
Ähnlich sieht es bei Maßnahmen gegen die legale Steuerverkürzung durch | |
transnationale Konzerne aus. Das Problem an dieser Stelle: Unternehmen wie | |
Apple und Amazon spielen die Staaten, ihre verschiedenen Steuersysteme und | |
nationalen Interessen gegeneinander aus. Die höchsten Gewinne deklarieren | |
sie in den Ländern und Rechtskonstruktionen, die die geringste | |
Steuerzahlung ermöglichen. | |
## | |
Auch das gefällt der G 20 nicht mehr, weshalb die | |
Industrieländerorganisation OECD einen 15-Punkte-Plan gegen | |
Steuerverkürzung durch Konzerne ausgearbeitet hat. Diesen wird der Gipfel | |
in St. Petersburg offiziell begrüßen. Die zentrale Idee: Gewinne sollen | |
dort besteuert werden, wo die Unternehmen sie erzielen. Verlagerungen durch | |
konzerninterne Kredite, Zinsen, Lizenzen und andere Tricks will man | |
erschweren. | |
Wie sind die Realisierungschancen hier? Markus Meinzer vom Netzwerk für | |
Steuergerechtigkeit äußert sich skeptisch: „Wir werden in fünf bis zehn | |
Jahren das Scheitern feststellen.“ Um wirklich etwas zu erreichen, müssten | |
die Regierungen konsequenter sein. So sollten sie die Unternehmen | |
verpflichten, in jedem Land, in dem sie tätig sind, eine | |
Konzernsteuererklärung abzugeben, sagt Meinzer. Erst dann bekämen die | |
Finanzämter die notwendigen Informationen, wo die Wertschöpfung und Gewinn | |
stattfänden. | |
Derartige Transparenz versuche aber auch die Bundesregierung zu verhindern, | |
beklagt der Kritiker. Denn eine mögliche Folge wäre, dass in Deutschland | |
beheimatete Konzerne wie Volkswagen hierzulande weniger und etwa in China | |
mehr Steuern entrichten müssten. | |
6 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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