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# taz.de -- Wie Großkonzerne Steuerlücken nutzen: Sämtliche Augen zugedrückt
> Apple verteidigt sich vor dem US-Senat, kaum Steuern zu zahlen. Deutsche
> Politiker sind stolz, dass sie beim Sparen munter mithalfen.
Bild: Idyllisch und günstig: Apple-Niederlassung im irischen Cork.
BERLIN taz | Mitten in der Krise entdeckt die EU eine neue Einnahmequelle:
Steuern. Im Vorfeld des Brüsseler Gipfels erklärte Kommissionspräsident
José Manuel Barroso, er wolle von den Mitgliedsregierungen eine „politische
Verpflichtung“ zum Kampf gegen Steuerbetrug.
Gleichzeitig will man auch auf der anderen Seite des Atlantiks andere
Saiten aufziehen. Am Dienstag musste Apple-Chef Tim Cook dem US-Senat Rede
und Antwort stehen. [1][Der Vorwurf]: Der Computerkonzern umgehe mithilfe
von Töchtern in Steueroasen, allen voran in Irland, Steuerzahlungen an den
US-Fiskus in Milliardenhöhe. Zum Beispiel habe Apple Rechte an geistigem
Eigentum ins Ausland verlegt, um darauf in den USA keine Steuern zahlen zu
müssen.
Auch andere US-Firmen wie Google und Starbucks sind durch derartige
Steuersparmodelle aufgefallen. Apple verteidigt sich damit, dass es die in
den jeweiligen Ländern geforderten Steuern immer brav gezahlt habe. Auch
wenn dieser Steuersatz mitunter null beträgt, sei doch daran nichts
Illegales. Das behauptet der US-Senat auch gar nicht. In einem Bericht
beschreibt er vielmehr die Gesetzeslücken, die die Konzerne aggressiv
ausnutzen und die es zu schließen gelte.
Dabei hatte die US-Regierung derlei Steuervermeidung jahrelang gefördert.
So erlaubte sie es US-Konzernen, die Exportgeschäfte von Steueroasen wie
Bermuda aus abzuwickeln. Wegen der geringeren Steueraufwendungen konnten
Konzerne wie Boeing oder Caterpillar ihre Produkte zu günstigeren Preisen
auf dem Weltmarkt anbieten. Erst auf Betreiben der EU verbot die
Welthandelsorganisation WTO diese Art der Exportförderung.
## „Steueroptimierung“
Auch die unterschiedlichen deutschen Bundesregierungen haben aus ähnlichen
Erwägungen sämtliche Augen zugedrückt, wenn es um das Steuergebaren
heimischer Firmen ging. Eine „Steueroptimierung“ durch das Ausnutzen der
zahlreichen Schlupflöcher gilt in wirtschaftsnahen Kreisen der Parteien bis
heute als eine legitime und im internationalen Wettbewerb auch dringend
gebotene Maßnahme zur Kostensenkung. Dass dem Staat dadurch Einnahmen
verloren gehen, darüber sahen die Parteien in Regierung und Opposition
hinweg.
Die rot-grüne Regierung kam der Wirtschaft dann mit der Steuerreform 2000
mit einer radikalen Senkung der Unternehmenssteuern entgegen. Andernfalls
fliehe das schon von Karl Marx als „scheues Reh“ bezeichnete Kapital doch
ins Ausland, so die damals gängige Begründung.
[2][Nach Irland etwa], das mit einem Unternehmenssteuersatz von nur 12,5
Prozent Investoren lockt. Dass man die Hintertürchen, durch die das scheue
Reh ins Ausland entkommt, auch schließen könnte, diese Erkenntnis beginnt
sich erst seit Ausbruch der Finanz- und Bankenkrise und der damit
einhergehenden Staatsverschuldung durchzusetzen.
Inzwischen liegt der Steuersatz in Deutschland inklusive der kommunalen
Gewerbesteuer knapp unter 30 Prozent statt bei rund 52 Prozent wie noch zur
Jahrtausendwende vor der rot-grünen Steuerreform. „Dass wir für die
Unternehmen die Steuerlast gesenkt haben, darauf bin ich noch heute stolz“,
deklamierte vor Kurzem ein prominenter Mitstreiter des damaligen Kanzlers
Gerhard Schröder. Aber auch dieser Steuersatz lässt sich durch
„Steueroptimierung“ noch drücken. Zeitweilig nahm der deutsche Fiskus
Körperschaftsteuern in der Höhe der Tabaksteuer ein.
## Tochtergesellschaft in Belgien
Gerade haben Zahlen der belgischen Notenbank einen Hinweis darauf gegeben,
wie deutsche Unternehmen ihre Steuerbelastung minimieren: Sie gründen eine
Tochtergesellschaft in Belgien, übertragen das Eigenkapital und berechnen
dafür fiktive Zinsen, die sie bei der Steuer geltend machen.
Nach Informationen des Spiegels brachte es so eine Antwerpener BASF-Tochter
auf einen Steuersatz von nur 2,6 Prozent. Eine belgische VW-Tochter soll im
vergangenen Jahr einen Gewinn von 153 Millionen Euro steuerfrei kassiert
haben. Alles legal, betonen die Unternehmen. Das belgische Recht trage nur
dem „betriebswirtschaftlichen Grundsatz der Steuerneutralität Rechnung“,
heißt es in einer Stellungnahme von Bayer.
Es ist jedoch kein Zufall, dass die Tochtergesellschaften in
steuerbegünstigten Ländern die höchsten Gewinne ausweisen. Dazu verschieben
die Konzerne ihre zu versteuernden Gewinne ins Ausland. Diese
Steuergestaltung ist großenteils legal: beispielsweise wenn Ikea für jedes
verkaufte Billy-Regal Lizenzgebühren an die niederländische Ikea-Mutter
überweist. In den Niederlanden bleiben derartige Erträge praktisch
steuerfrei.
In Deutschland aber fallen wegen der Gebühren die Gewinne entsprechend
niedriger aus – und damit auch die Steuerzahlungen. Gar keine
Körperschaftssteuer hat die Kaffeehaus-Kette Starbucks in Deutschland in
den vergangenen Jahren gezahlt. Das geht aus einem Briefwechsel zwischen
der stellvertretenden Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Kerstin
Andreae, und der Starbucks Coffee Deutschland GmbH hervor. Das Unternehmen
schreibt: „Starbucks Coffee Deutschland hat in den vergangenen drei Jahren
kein zu versteuerndes Einkommen erwirtschaftet und musste daher
entsprechend der deutschen Gesetzgebung keine Körperschaftssteuer zahlen.“
22 May 2013
## LINKS
[1] /Apples-System-zur-Steuervermeidung/!116570/
[2] /Steuerhinterziehung-in-Grossbritannien/!116576/
## AUTOREN
Nicola Liebert
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