# taz.de -- Deutschland und die Syrien-Frage: Schutzmacht Merkel | |
> Die Regierung versucht, europäische Uneinigkeit bei Syrien als Einigkeit | |
> zu verkaufen. Dei Opposition nennt Merkels G20-Auftritt einen | |
> „Totalausfall“. | |
Bild: Dankbarkeit? Putin hilft Kanzlerin Merkel in den Mantel | |
BERLIN taz | So viel vorab: Das Schicksal der Syrer hängt nicht davon ab, | |
ob die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Resolution an einem Freitag | |
oder einem Samstag, vor oder nach Großbritannien, Italien, Frankreich und | |
Spanien unterschreibt. | |
Denn auch nach dem G-20-Gipfel – zu Gast bei Russlands Präsident Wladimir | |
Putin – in Sankt Petersburg und dem EU-Außenministertreffen in Vilnius will | |
sich die Bundesregierung aus dem Syrienkrieg weitestmöglich heraushalten. | |
Die Frage jedoch, ob und inwiefern Merkel und Außenminister Guido | |
Westerwelle (FDP) bei diesen Treffen einen „Totalausfall der deutschen | |
Außenpolitik“ (SPD-Chef Sigmar Gabriel) hingelegt haben, beschäftigte am | |
Montag die deutsche Innenpolitik. | |
Regierungssprecher Steffen Seibert mühte sich redlich, aus den | |
Gipfel-Wirrnissen eine runde Geschichte zu machen. | |
Demnach sagte Merkel am Freitag auf dem G-20-Treffen zu US-Präsident Barack | |
Obama, sie könne noch keine Resolution zu einer „starken internationalen | |
Antwort“ auf die Giftgasangriffe unterzeichnen, die vermutlich vom | |
syrischen Regime verübt wurden. Sie warte erst das EU-Treffen in Vilnius | |
ab, damit dort mit den kleineren EU-Staaten eine „einheitliche europäische | |
Position“ gefunden werde. | |
Dies gelang. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton trug am Samstag den | |
Ruf nach einer „klaren und starken Antwort“ auf die Giftgasangriffe vor. | |
Das EU-Dokument deckte sich mit Obamas Text in der Verdammung des | |
Giftgaseinsatzes, hielt aber außerdem fest, dass die UN-Inspektoren ganz | |
sicher Zeit bekommen sollen, ihren Bericht dazu vorzulegen, bevor | |
irgendetwas geschieht. | |
## Kalt erwischt? | |
Außerdem wurde ein Eingreifen des Internationalen Strafgerichtshofs in | |
Aussicht gestellt, woran Deutschland schon länger gelegen ist. Darum, so | |
Seibert, habe Merkel sich dann am Samstag auch Obamas Erklärung anschließen | |
können. All dies sei im Sinne einer gemeinsamen europäischen Haltung „kein | |
Fehlschlag, sondern im Gegenteil ein großer Erfolg“. | |
Gegen diese Version spricht allerdings einiges – unter anderem sind es | |
Merkels eigene Worte, die am Sonntag weder nach Gemeinsamkeit noch nach | |
Erfolg klangen. Denn als Merkel freitags schon aus Sankt Petersburg | |
abgereist war, unterzeichneten die Briten, Frankreich, Italien und Spanien | |
Obamas Erklärung. | |
„Ich finde es nicht in Ordnung, wenn fünf große Länder ohne die 23, die | |
nicht dabei sein können, schon einmal eine gemeinsame Position | |
verabschieden, wissend, dass 24 Stunden später diese 28 alle | |
zusammensitzen“, kommentierte dies die Kanzlerin bei einem | |
Wahlkampfauftritt in Düsseldorf. | |
Seibert und auch Westerwelles Sprecher Andreas Peschke behaupteten am | |
Montag, Merkel sei vom Handeln der größeren EU-Staaten mitnichten kalt | |
erwischt worden. Vielmehr sei man sich über das Procedere eben nicht ganz | |
einig gewesen. Merkels Worte, ergänzte Seibert, „stehen für sich“. | |
Was denn nun aber mit der „klaren und starken Antwort“ gemeint sein soll, | |
konnten sie nicht erklären. „Ich definiere das jetzt nicht weiter“, sagte | |
Seibert. | |
## Länder nehmen mehr Flüchtlinge auf | |
Weitere innenpolitische Antworten geben aktuell allerdings die Bundesländer | |
auf den Syrienkonflikt. Bundesinnenminister Peter Friedrich (CSU) hat | |
einerseits die Aufnahme von 5.000 syrischen Flüchtlingen zugesagt. | |
Andererseits hat er es den Ländern überlassen, ob sie über ihre jeweiligen | |
Kontingente hinausgehen möchten. Hierbei nun wollen mehrere | |
Landesregierungen nicht mehr so engherzig aussehen: Etwa das schwarz-gelb | |
regierte Hessen hat inzwischen angekündigt, mehr syrische Flüchtlinge zu | |
nehmen. Darin folgt es mehreren rot-grün regierten Flächenstaaten. | |
Allerdings bleiben alle Bundesländer den Bedingungen verpflichtet, die | |
Friedrich gesteckt hat: Die Flüchtlinge müssen von Verwandten untergebracht | |
und versorgt werden. Da außerdem laut Flüchtlingsräten die Visa-Vergabe | |
kaum funktioniert, ist für SPD-/Grün- wie unionsgeführte Länder ziemlich | |
sichergestellt, dass nicht besonders viele Menschen in Not ihr Angebot | |
wahrnehmen können. Daher ist auch offen, welche Rolle die Zahlen spielen, | |
die einzig Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen genannt haben: Sie | |
haben sich zur Aufnahme von 500 beziehungsweise 1.000 weiteren SyrerInnen | |
bekannt. | |
Das erste Charterflugzeug mit 110 Syrern soll am Mittwoch in Hannover | |
landen. | |
9 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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