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# taz.de -- Buch über Geschichte der DDR: Es war einmal im Osten
> Voller plastischer Vergleiche: Stefan Wolles dreibändiges Werk „Die heile
> Welt der Diktatur“ nimmt ein Land und seine Widersprüche unter die Lupe.
Bild: Wandfries „Aufbau der Republik“ (Cover-Ausschnitt von Stefan Wolles �…
Aller guten Dinge sind drei. Das gilt auch für die DDR – zumindest
hinsichtlich der im Christoph Links Verlag erschienenen dreibändigen
Geschichte. Nachdem der erste Band, „Die heile Welt der Diktatur“ über die
Jahre 1971 bis 1989 bereits in vierter Auflage vorliegt, gefolgt von Band
2, „Aufbruch nach Utopia“ von 1961 bis 1971, beendet nun Band 3, „Der gro…
Plan“, über die Aufbauzeit 1949 bis 1961, die Trilogie.
Schon die Einbände machen Lust auf die Lektüre, weil sie die
Widersprüchlichkeit der DDR sehr schön auf den Punkt bringen. „Die heile
Welt der Diktatur“ zeigt graue Hausfassaden, doch eine Kindergärtnerin und
ihre Schützlinge sind farbenfroh gekleidet. „Aufbruch nach Utopia“ ziert
das Wandgemälde „Der sozialistische Mensch unter den Bedingungen der
wissenschaftlich-technischen Revolution“, auf dem ein junger Mann mit
freiem Oberkörper an Schalthebeln sitzt und anscheinend die Welt
beherrscht, einschließlich der friedlichen Nutzung der Kernenergie.
Den Band „Der große Plan“ ziert der Wandfries „Aufbau der Republik“, d…
der Künstler auf Wunsch des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht so
verändern musste, dass aus einem verhaltenen Neuanfang nach dem Krieg ein
euphorischer Aufbruch der Arbeiterklasse wurde.
Dass auch die Lektüre erhellend und immer wieder unterhaltsam ist, ist dem
Historiker Stefan Wolle zu verdanken, der die Menschen in den Mittelpunkt
stellt, ohne die DDR zu verklären. Wolle, Jahrgang 1950, wurde aus
politischen Gründen relegiert, arbeitete in der Produktion und an der
Akademie der Wissenschaften der DDR, nach dem Mauerfall war er unter
anderem Referent bei der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und ist
jetzt wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums in Berlin. In dem nun
vorliegenden dritten Band beschreibt er die Anfänge der DDR. Er zeichnet
Vergangenes so anschaulich und verständlich, dass das kleine Land
wiederaufersteht, ohne dass es auf einen Sockel gehoben oder verniedlicht
wird.
Die Vergleiche, die Wolle zieht, sind plastisch und originell. „So wie sich
Hans Christian Andersens kleine Seejungfrau eine Seele wünschte oder die
Holzpuppe Burattino mit der langen Lügennase ein richtiger Junge sein
wollte“, heißt es zum Hang der DDR zu Jubiläen, „so dürstete die DDR nach
Geschichtlichkeit.“ Ihre Gründung fiel in das Goethe-Jahr, „das den
demokratischen Neubeginn“ in die humanistische Tradition der deutschen
Klassik stellen sollte.
## Inszenierung der Vergangenheit
1953 gab es ein Karl-Marx-Jahr, das den Chemnitzern einen neuen
Namenspatron und einen gigantischen Kopf des Kommunisten aus Trier
bescherte. 1955 wurde ein Schiller-Jahr unter einer patriotischen Losung
veranstaltet, die im Herbst 1989 zum geflügelten Wort wurde: „Wir sind ein
Volk.“ Als 1967 der 50. Jahrestag der Großen Sozialistischen
Oktoberrevolution begangen wurde, stand jede Neueröffnung im Zeichen des
roten Oktobers. „Just am Revolutionsfeiertag wurde unter ausdrücklicher
Berufung auf die legendären Schüsse des Panzerkreuzers Aurora das erste
Goldbroiler-Restaurant in Ost-Berlin eröffnet“, schreibt Wolle lakonisch.
„Je mehr die Gesellschaft ihre Zukunftsperspektiven verlor“, schlussfolgert
er, „desto liebevoller wurde die geschichtliche Erinnerung zelebriert“.
Der Historiker nimmt die DDR so genau unter die Lupe, als wolle er sie
sezieren. Doch weder betreibt er Leichenfledderei, noch heroisiert oder
dämonisiert er den Arbeiter-und-Bauern-Staat. Im Epilog des dritten Bandes
vergleicht er die DDR mit dem Wechselbalg Zaches aus der Märchennovelle
„Klein Zaches genannt Zinnober“ von E.T.A. Hoffmann. Klein Zaches, hässlich
und böse, wird durch einen Zauber schön und erfolgreich und die Leistungen
seiner Mitmenschen werden auf ihn übertragen. Er steigt zum umjubelten
Minister auf, bis alle über „die kleine Missgeburt“ herfallen, die
schließlich stirbt. Der Zauber wirkt noch einmal und lässt ihn im Tode
schöner aussehen als zu Lebzeiten. Die Trauergemeinde vergießt reichlich
Tränen.
22 Sep 2013
## AUTOREN
Barbara Bollwahn
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DDR
Deutsche Geschichte
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