# taz.de -- Linke Geschichtsbilder: "Wühlen im Müllhaufen DDR" | |
> Eine Veranstaltungsreihe der Rosa-Luxemburg-Stiftung setzt sich kritisch | |
> mit DDR-Geschichte auseinander. Das sorgt für Unmut bei alten Herren der | |
> Linkspartei. | |
Bild: Hammer und Zirkel, lang ist's her. | |
In der Linkspartei ist ein heftiger Streit über den Umgang mit der | |
DDR-Geschichte entbrannt. Stein des Anstoßes ist eine Veranstaltungsreihe | |
zu Einwanderung, Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus in der DDR im | |
Zentrum für Demokratie in Schöneweide. Geladen sind namhafte Referenten aus | |
dem linken Spektrum: Gregor Gysi, der Historiker Wolfgang Wippermann und | |
Akteure von Antirassismus- und Migrantenvereinen. Mitveranstalter ist die | |
Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung. Am Donnerstag soll David Begrich vom | |
Verein Miteinander aus Sachsen-Anhalt zum Thema „Neonazis in der DDR“ | |
referieren. Das könnte ebenso turbulent werden wie die | |
Auftaktveranstaltung. | |
Die war Anfang September. Da wurde eine Ausstellung über Vertragsarbeiter | |
in der DDR eröffnet. Die Diskussion dominierte eine Gruppe von 30 Rentnern | |
im Publikum. „Die haben die Ausstellung gar nicht richtig angeguckt, | |
sondern gleich losgebrüllt“, erinnert sich eine Teilnehmerin. Mobilisiert | |
wurde die Rentnertruppe über die Website von „Cuba si“, einer | |
Arbeitsgemeinschaft bei der Linkspartei, die sich in erster Linie um | |
Solidarität mit dem sozialistischen Kuba bemüht. Die älteren Herrschaften | |
stellten sich als einstige Mitarbeiter des ZK der SED oder als | |
Parteisekretäre von Betrieben vor und erregten sich über Formulierungen in | |
der Ausstellungsankündigung. Dort war die Rede von der „maroden | |
DDR-Wirtschaft“ und „billigen Arbeitskräfte auf Zeit“. | |
„Kein Wort von Facharbeiterausbildung zur Stärkung des Herkunftslandes“, | |
wird auf der Website von Cuba si gewettert. Um „dieser einseitigen | |
Delegitimierungsgeschichte“ etwas entgegenzusetzen, mobilisierte Cuba si | |
seine Anhänger und beschwerte sich bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. | |
Deren Sprecherin, Jannine Menger-Hamilton, bestätigt die „zum Teil | |
aufgebrachte, zum Teil konstruktiv-kritische Kritik“. Die Stiftung habe die | |
Ausstellung daraufhin neu bewertet. Die Darstellung hätte „punktuell | |
differenzierter sein können“. Generell stehe ihre Stiftung aber zu der | |
Veranstaltungsreihe mit „differenzierten und fundierten Kritik mit ganz | |
konkreten Einzelthemen“. | |
Klaus Lederer, Berliner Landeschef der Linkspartei, steht hingegen ohne | |
Wenn und Aber zu der Reihe. Er ist nicht glücklich über die aus dem Ruder | |
gelaufene Diskussion. Dass einige Kritiker dem Zentrum für Demokratie sogar | |
unterstellen, Rot und Braun gleichzusetzen, sei „ignorant und im höchsten | |
Maße unsensibel“, so Lederer. Denn das Zentrum engagiere sich „tagtäglich | |
sehr konkret gegen Nazistrukturen vor Ort und alle Erscheinungsformen von | |
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus“. | |
Seine Partei werde sich dafür einsetzen, dass die Diskussion über die | |
unterschiedlichen Erfahrungen mit diesem Stück DDR-Geschichte künftig | |
sachlich und solidarisch geführt wird. | |
Der Sprecher der Linkspartei, Thomas Barthel, hält den unkritischen Umgang | |
mit DDR-Geschichte in seiner Partei für marginal. „Gleichwohl sind wir | |
damit konfrontiert. Oft sind es ältere Mitglieder. Ich kann auch | |
nachvollziehen, dass manche mit 80 Jahren ihr Leben nicht immer wieder aufs | |
Neue infrage stellen wollen.“ | |
Die Junge Welt, publizistisches Abstellgleis der DDR-Nostalgiker, stellte | |
sich hingegen auf die Seite von Cuba si und ließ in einem Themenschwerpunkt | |
ehemalige DDR-Funktionäre gegen die Rosa-Luxemburg-Stiftung wetterten. | |
Resümee: Mit dem „Wühlen im Müllhaufen DDR“ wolle das Zentrum für | |
Demokratie vom aktuellen Rechtsextremismus und Antisemitismus ablenken. | |
Dabei tourt die Ausstellung schon seit 2008 durch Berlin und andere Städte. | |
Ob im Haus der Kulturen der Welt, in Bibliotheken, Schulen oder | |
Migrantenvereinen – bisher wurde sie immer positiv besprochen. Auch der | |
Linken-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebig bewarb sie 2010 auf seiner | |
Website, als sie im Rathaus Pankow zu sehen war. | |
Die Arbeitsgemeinschaft Cuba si zieht Leute an, die ihre einstigen | |
DDR-Träume jetzt auf Kuba fokussieren. Unerbittlich verteidigen sie den | |
kubanischen Staat vor Kritik von Menschenrechtsgruppen und scheuen sich | |
nicht, Kuba-Kritiker in die Nähe von Rechtsextremisten zu stellen. Bei | |
Demonstrationen von Menschenrechtlern vor der kubanischen Botschaft | |
trommelt Cuba si regelmäßig zu Gegenkundgebungen. Ein Sprecher von Cuba si | |
wollte mit der taz nicht sprechen. „Wir sagen generell nichts zu | |
Journalisten am Telefon“, sagte er. Alexander Fischer, Sprecher des | |
Bundesvorstandes der Linken, bei dem Cuba si angesiedelt ist, erklärt an | |
seiner Stelle lapidar: „Weder die Partei Die Linke noch die AG Cuba si | |
haben zur Störung der Veranstaltung aufgerufen.“ | |
Referentin bei der Veranstaltung zu den Vertragsarbeitern war Tamara | |
Hentschel vom Verein Reistrommel. In der DDR war sie als Wohnheimbetreuerin | |
für Vietnamesen tätig. „Mehrere Diskutierer leugneten, dass schwangere | |
Vertragsarbeiterinnen in der DDR die Wahl hatten zwischen Abtreibung und | |
Ausreise“, sagt sie. „Die einst hohen Funktionäre wussten nicht, was in der | |
DDR an der Basis los war.“ Die seien mit vorgefassten Meinungen gekommen. | |
„Sie haben nichts anderes gelten lassen und Fakten auf ironische und | |
unsachliche Weise ignoriert.“ | |
27 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
## TAGS | |
DDR | |
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