# taz.de -- Post-DDR im Fernsehfilm: Der besitzergreifende Wessi | |
> Der ZDF-Film „Uferlos“ zeigt Ost-West-Klischees. Die deutsche Idee von | |
> Meins und Deins duelliert mit schwedischem Jedermannsrecht. | |
Bild: Marlies (Hannelore Hoger) und Mikkel (Rolf Lassgard) auf dem Weg zum See. | |
Vögelgezwitscher, Obstbäume und dahinter die Ruhe eines Sees. Gesäumt von | |
zwei schnuckeligen Häusern zum Wasser hin. Landhaus-Idylle pur – wäre da | |
nicht die kleine, griesgrämig dreinblickende Frau, die zwischen den beiden | |
Häuschen steht, bewaffnet mit einer Mistgabel. Wie ein Wachhund versperren | |
sie und ihr Zaun das einzig nutzbare Ufer des Sees und machen die Bewohner | |
der Gemeinde damit uferlos. Eigentümerschreck der ostdeutschen Gemeinde. | |
Die Westdeutsche, die die nächste Mauer errichtet. | |
Der ZDF Fernsehfilm der Woche „Uferlos“ von Regisseur Rainer Kaufmann | |
nähert sich sachte der Thematik der Post-DDR an. Sie bleibt jedoch | |
Hintergrundgeschehen. Im Vordergrund steht das Duell zwischen Hannelore | |
Hoger und Rolf Lassgård und das Besitztum. Die deutsche Idee von Meins, | |
Deins gegen schwedisches Jedermannsrecht. | |
Der besitzergreifende Wessi ist Marlies Gottlieb (Hannelore Hoger), die | |
zurückgezogen in ihrem Haus an einem See in Brandenburg lebt. Mit den | |
Einwohnern des angrenzenden Ortes liegt sie schon lange im Clinch. Der | |
einzige öffentlich nutzbare Zugang zum See führt über Marlies Grundstück, | |
der Rest ist Naturschutzgebiet. Doch die hat aus Naturverbundenheit und zum | |
Schutz ihrer Singvögel den Uferweg sperren lassen. Marlies ist vollkommen | |
isoliert, ihre einzige Tochter Lia (Julia Brendler) ist mit Bürgermeister | |
Florian (Götz Schubert) verheiratet und kämpft genauso für den freien | |
Zugang für alle zum See wie ihr Mann. | |
Als der charmante Schwede Mikkel (Rolf Lassgård) auftaucht und sich als | |
Erbe von Marlies' verstorbenem Nachbar herausstellt, beginnt eine | |
gemütliche Art von Tom-und-Jerry-Spiel zwischen den Protagonisten. Mikkel | |
steht zwischen den Fronten. Er schwankt zwischen Marlies Wunsch, die Natur | |
unberührt zu belassen und der schwedischen Tradition des Jedermannsrechts. | |
Als der schwedische Casanova auf die Eigenbrötlerin trifft, ist die | |
Annäherung vorprogrammiert. Doch die Eigenarten und Fehlbarkeiten der | |
beiden und wie sie sich aneinander abarbeiten, gibt dem Film seine Dynamik. | |
## Geschichte, Nationalität und Liebelei | |
Aber die hohen Gegensätze der Charaktere und das Konfliktpotential der | |
Handlung sind nicht voll ausgelotet. Geschichte, Nationalität und Liebelei | |
prallen aufeinander, aber die Explosion bleibt erstaunlich ruhig, scheint | |
in der Ruhe des Sees unterzugehen. | |
Regisseur Kaufmann vermeidet es die Moralkeule zu schwingen. Ironisch ohne | |
Wertung wird gezeigt wie Mikkel, der ewige Junggeselle und Freimensch bis | |
nach Deutschland von seinen drei Ex-Frauen verfolgt wird. Als seine Sippe | |
sogar vor der Haustür steht, flüchtet er zu Marlies. Doch zwischen den | |
beruhigenden Bildern der Idylle lässt Kaufmann den Konflikt nie vollkommen | |
eskalieren. Wenn Marlies Schuhe aus Eifersucht verbrennt oder eine | |
Kanalisation überlaufen lässt, dann erinnert das an übertriebene | |
Schülerstreiche und nicht an die wutgeladene Mischung aus Naturschutz und | |
wiederhergestellter Gerechtigkeit. | |
Bei Marlies Kauzigheit und Mikkels egoistischer Lebenslust muss ein Eklat | |
stattfinden. In ihrem Spiel in Anziehen und Abstoßen beherrschen Hoger und | |
Lassgård den Film. Besonders Hoger brilliert als Marlies. Sie strahlt die | |
Ruhe des Sees und die Standhaftigkeit der Natur aus. Ihre Kühle weicht | |
nicht, selbst als die Dorfbewohner vereint gegen sie demonstrieren. Doch es | |
brodelt in ihr. Genauso wie die Natur kann sie nicht allem standhalten. | |
Eiserner schmettert Hoger den Wunsch der Bewohner, den Badesee zu nutzen, | |
ab. | |
Der korpulente Lassgård überzeugt durch die Verkörperung von Marlies | |
Gegenteil. Unbeschwert und hedonistisch durchs Leben schreitend, verkörpert | |
er doch den getriebenen Hund, wenn sein Handy in den unpassendsten Momenten | |
den trashigen Klingelton spielt und eine seiner Ex-Frauen ihn terrorisiert. | |
Lassgård blüht im Schwanken zwischen Ruhebedürfnis und Aufregung auf. Doch | |
wie Hoger mimt er den Einzelgänger, ein Fels in der Brandung. | |
## Privatisierung von Wasser und Seen | |
Auf dem Drehbuch von Silke Zertz basierend bezieht sich der Film auf | |
ähnliche Fälle, die in den letzten Jahren durch die Presse gingen und die | |
Ost-West-Klischees vom reichen Wessi und armen Ossi anheizten. Die Frage | |
nach der Privatisierung von Wasser und Seen beschäftigt schon lange die | |
Gemüter. | |
Doch der Zündstoff für den Film wird nicht vollends genutzt. Letztendlich | |
haftet ihm etwas Egales an. Das Ende stellt eine Wende dar, doch damit wird | |
das Thema lustlos zu den Akten gelegt. Wenn Marlies und Mikkel am Ende | |
kuschelnd im Boot sitzen, fragt man sich, wozu die ganze Aufregung zwischen | |
Singvögeln und Katzen gut war. | |
## Das ZDF zeigt „Uferlos“ am Montag um 20.15 Uhr. | |
23 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Anika Maldacker | |
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