# taz.de -- Kommentar Siegerin der Bundestagswahl: Das Merkel-Gefühl | |
> Bei der Kanzlerin bleibt alles im Ungefähren. Die Politik fühlt sich | |
> hübsch an. Sie hat die Tür offen gehalten für das, was früher oder später | |
> sowieso fällig war. | |
Bild: Erstens Merkel. Zweitens Merkel. Drittens Merkel | |
Dass die Deutschen die scharfe Kontroverse scheuen und die Mitte mögen, ist | |
keine große Neuigkeit. Aber dass die WählerInnen Angela Merkel fast zur | |
Königin küren, ist auch für die hiesige politische Konsenskultur | |
erstaunlich. Merkel hat dies mit weichem Paternalismus und geschickten | |
Opportunismus erreicht. Sie hat den Slogan „Uns geht es gut“ gesendet und | |
damit die Botschaft verknüpft: „Und ich sorge dafür, dass dies so bleibt.“ | |
Der Wahlkampf der Union hatte drei Inhalte: Erstens Merkel. Zweitens | |
Merkel. Drittens Merkel. | |
Das Erfolgsrezept der Kanzlerin ist relativ einfach. Alles bleibt im | |
Ungefähren. Die Politik, die sie präsentiert, hat keine hoch gesteckten | |
Ziele. Und fühlt sich nett, hübsch und samten an. Und wenn wir uns alle | |
anstrengen, geht es immer so weiter. Immer weiter bergauf. So in etwa | |
funktioniert das Merkel-Gefühl. | |
Damit die Opposition diese Wohlfühlinszenierung nicht stört, hatte die | |
Kanzlerin ihr vorsorglich die Waffen aus der Hand genommen. Bei der | |
Atomkraft ein schneller Schwenk, beim Mindestlohn ein vages „Machen wir | |
irgendwie auch“. Dass die Euro- und Bankenkrise in dem Wahlkampf nicht | |
vorkam, spricht Bände. Merkel will ihre Klientel damit nicht behelligen. | |
Und die möchte davon auch lieber nicht viel wissen. | |
Die SPD war ganz froh, dass sie niemand fragte. Es stimmt ja: Hätte | |
Rot-Grün Eurobonds gefordert – Merkels Sieg wäre wohl noch furchterregender | |
ausgefallen. Wir bewegen uns auf eine Art Demokratie light zu, eine | |
Spielart des Postpolitischen. Auf der Bühne balgt man sich ein bisschen, | |
strategische Entscheidungen stehen jedoch nicht zur Wahl. | |
Die Basis für den Erfolg der Union ist die Verwandlung von einer | |
weltanschaulich verankerten Traditionspartei in eine Organisation, die an | |
nahezu alles anschlussfähig ist. Merkel hat die kulturelle Modernisierung | |
der Union übrigens nicht erfunden, noch nicht mal besonders gefördert. Sie | |
hat nur die Tür offen gehalten für das, was früher oder später sowieso | |
fällig war. | |
Und die politische Linke? Rot-Grün ist endgültig tot. Das einst „Neue | |
Mitte“ getaufte Bündnis von Bildungsaufsteigern und Facharbeitern mit dem | |
exalternativen Neobürgertum ist im Bund nicht mehrheitsfähig. Das war auch | |
2005 und 2009 so. Nichts spricht dafür, dass sich dies ändern wird. | |
Rot-Grün wird es in Zukunft, wenn überhaupt, nur mit der Linkspartei geben. | |
22 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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