| # taz.de -- Kommentar Berlusconis Niederlage: Die Kofferträger mucken auf | |
| > Premier Letta bleibt – weil das Parteipersonal den Ego-Volten Berlusconis | |
| > nicht mehr folgen wollte. Doch seine Art Populismus wird sich in der | |
| > Politik halten. | |
| Bild: Nach der Palastrevolte geht's zurück in die Villa: Silvio Berlusconi. | |
| Es war ein schwarzer Mittwoch für Silvio Berlusconi, ein Tag, der ihm die | |
| bisher herbste Niederlage in seiner nunmehr zwanzigjährigen Laufbahn als | |
| Politiker bescherte. Eine einfache Rechnung hatte der Chef der | |
| italienischen Rechten vor der Vertrauensabstimmung über die Regierung | |
| Enrico Lettas aufgemacht: Ohne seine Senatoren hätte die bisherige | |
| Koalition keine Mehrheit mehr im Senat; schnelle Neuwahlen, die er zum | |
| Referendum für sich und gegen die Justiz machen wollte, sollten die Folge | |
| sein. | |
| Stattdessen geht es weiter mit Letta, als sei gar nichts passiert, als habe | |
| es den Krach in der Koalition, die Rücktrittsdrohung aller | |
| Berlusconi-Parlamentarier, die Demission seiner Minister gar nicht gegeben. | |
| Ausgerechnet Berlusconi selbst war am Ende einer der ersten, die im Senat | |
| nach vorne schritten, um deutlich vernehmbar Letta das Vertrauen | |
| auszusprechen. | |
| Es war ein Akt der Unterwerfung, wie ihn noch am Vorabend niemand für | |
| möglich gehalten hätte – ein Akt der beinahe bedingungslosen Kapitulation, | |
| das Eingeständnis einer bisher nie dagewesenen und vor allem in ihrer | |
| Qualität völlig neuen Niederlage. | |
| Denn Schlappen hatte Berlusconi auch vorher schon immer mal wieder | |
| hinnehmen müssen, im Dezember 1994, als ihn sein damaliger | |
| Koalitionspartner, die Lega Nord, im Stich ließ, im Jahr 1996, als die | |
| Wahlen gegen Romano Prodi verloren gingen genauso wie zehn Jahre später | |
| wieder, dann im Jahr 2010, als seine damalige Regierung nach dem Bruch mit | |
| dem Alliierten Gianfranco Fini am Abgrund stand, und im November 2011, als | |
| die Euro-Krise sein Kabinett hinwegfegte. | |
| Jedesmal schien der Mann erledigt, jedesmal kam er wieder. Ihm half, dass | |
| er über eine nibelungentreue Partei verfügte, in der die Parlamentarier, | |
| die Parteigranden vor allem darum wetteiferten, wer der servilste Diener | |
| des absoluten Herrschers Silvio war. Auch in den trüben Zeiten der | |
| Opposition, auch in den bitteren Momenten der Niederlage wusste Berlusconi: | |
| Auf dieses Personal ist Verlass. | |
| Und einer der Verlässlichsten war Angelino Alfano, heute unter Letta | |
| Innenminister, zugleich aber auch Sekretär der Berlusconi-Partei Popolo | |
| della Libertà. Als Kofferträger schätzte Berlusconi ihn sehr – mehr aber | |
| auch nicht. Vor einem Jahr spottete er über Alfano, dem fehle das „gewisse | |
| Etwas“, das einen politischen Anführer auszeichne. | |
| ## Der Berlusconismus ist keineswegs erledigt | |
| Doch ausgerechnet dieser servile Kofferträger, der bisher nie durch einen | |
| eigenen Gedanken aufgefallen war, zettelte nun die Palastrevolte an, die | |
| Berlusconi zum demütigenden Rückzug in der Vertrauensabstimmung zwang. Dies | |
| ist die neue Qualität des Waterloos, das Berlusconi jetzt erlitt: Es wurde | |
| ihm aus den Reihen seiner eigenen Partei heraus beschert. | |
| Nie zuvor hatte Berlusconi sich von Dissidenten in den eigenen Reihen die | |
| Linie diktieren lassen, diesmal aber votierte er so, wie Alfano wollte – | |
| und damit praktisch gegen sich selbst, gegen jenen radikalen | |
| Konfrontationskurs, den er vor zwei Monaten nach seiner Verurteilung | |
| eingeschlagen hatte. | |
| Berlusconi wird sich so nicht retten, und auch die Spaltung seiner Partei | |
| ist mit seinem Einknicken nicht abgewendet. Doch der Berlusconismus ist | |
| damit keineswegs erledigt. Immer wieder zeigten Italiens konservative | |
| Wähler, dass sie an einer „sauberen“, seriösen Rechten nicht sonderlich | |
| interessiert sind, dass ihnen der populistische Kurs Berlusconis weit mehr | |
| behagt. Zuletzt musste das Mario Monti spüren, der in den Wahlen vom | |
| Februar 2013 eine herbe Niederlage kassierte. | |
| Ob nun eine „neue“ Rechte, deren Personal zu einem Gutteil von erst in | |
| letzter Minute abtrünnig gewordenen Berlusconi-Klonen gestellt wird, mehr | |
| Erfolg hat, darf als zweifelhaft gelten. Silvio selbst ist wohl erledigt, | |
| doch der Kampf geht weiter: unter seiner Tochter Marina. | |
| 2 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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