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# taz.de -- Kinderarbeit in Brasilien: 13-Jährige ernten Rote Beete
> Millionen Jugendliche schuften, statt zu lernen. Auch in Brasilien ist
> schwere Feldarbeit für Minderjährige verboten. Die Familien haben dafür
> kein Verständnis.
Bild: Nicht alle Kinder in Brasilien können die Sonne genießen.
RIO DE JANEIRO taz | Barfuß oder mit Gummilatschen knien die Jugendlichen
im steinigen Acker. Sie ernten Rote-Bete-Rüben, ihre Hände sind lilarot
gefärbt. Als die Inspekteure des Arbeitsministerium auftauchen, rennen
einige erschrocken weg, andere verharren auf dem Feld.
Insgesamt 21 Kinder und Jugendliche trafen die Funktionäre an, als sie
Mitte September mehrere Bauernhöfe im Innern des brasilianischen
Bundesstaates São Paulo unter die Lupe nahmen, gerade mal 250 Kilometer von
der großen Industriemetropole entfernt. Sechs der jungen Arbeiter waren
noch nicht einmal 13 Jahre alt.
Lang andauernde, schwere Arbeit wie diese Feldarbeit ist in Brasilien für
unter 18-Jährige verboten. Angesichts der prekären Arbeitsbedingungen zählt
der Fall zur Kategorie der „schweren Kinderarbeit“, die Arbeitgeber müssen
mit empfindlichen Strafen rechnen. Diese Form der Ausbeutung Minderjähriger
ist seit dem Jahr 2008 entsprechend einer Resolution der Internationalen
Arbeitsorganisation ILO geächtet.
Viele Familien auf dem Land haben dafür allerdings kein Verständnis. Zu
Erntezeiten haben immer alle mit angepackt, seit Generationen. Der Alltag
der Kleinbauern ist hart, und die Kinder gewöhnen sich früh daran. Diese
Kultur könne nur in langjähriger Erziehungsarbeit verändert werden, sagt
Stefano Wrobleski von Reporter Brasil, einem Medienprojekt zur Aufdeckung
von Missständen in der brasilianischen Arbeitswelt.
## 85 Millionen Minderjärhige schuften weltweit
##
„Eine Option sind Agrarkooperativen, um gemeinsam besser zu wirtschaften
und damit die Kinder zu schützen,“ sagt Wrobleski. Die ILO hat sich zum
Ziel gesetzt, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit bis 2016 weltweit
abzuschaffen. Heute sind es noch 85 Millionen Minderjährige, die unter
solchen Bedingungen schuften müssen, zumeist in Asien, Afrika und
Lateinamerika. Allerdings arbeiten deutlich mehr Kinder und Jugendliche
zwischen 5 und 17 Jahren, wenn auch unter milderen Bedingungen. Weltweit
sind es 11 Prozent, die im Ausbildungsalter schon einen Arbeitsalltag
haben.
Auf der dritten Globalen Konferenz zu Kinderarbeit soll ab dem heutigen
Dienstag in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia Bilanz gezogen werden.
Experten aus rund 140 Staaten diskutieren Maßnahmen, wie junge Menschen vor
Missbrauch in der Arbeitswelt geschützt werden können. Es geht um
Vorbeugung und Gesetze, um Aufklärungskampagnen und Sozialpolitik.
## Brasilianisches Sozialhilfeprogramm gilt als Vorbild
Insbesondere Programme zur Umverteilung des Einkommens wie das
brasilianische Sozialhilfeprogramm „Bolsa familia“ gelten als vorbildlich.
Es verbindet die Zahlung eines Existenzminimums mit Kontrollen des
Schulbesuchs. Dem größten Land Lateinamerikas ist es so gelungen, seit 1992
die Kinderarbeit um 58 Prozent zu senken, Brasilien gilt als Referenz für
die ILO-Strategen.
Die ersten beiden Globalen Konferenzen zu Kinderarbeit fanden 1997 und 2010
in den Niederlanden statt. Vor drei Jahren wurde in Den Haag eine Roadmap
verabschiedet, um vor allem gegen die schwere oder ausbeuterische
Kinderarbeit vorzugehen. Dazu zählen Zwangsarbeit, Kinderhandel, sexuelle
Ausbeutung, der Einsatz im Drogenhandel oder die Rekrutierung von
Kindersoldaten.
Im Verlauf von zwölf Jahren ist es laut der ILO gelungen, die Kinderarbeit
um ein Drittel zu verringern. Im Jahr 2000 waren es noch fast 250 Millionen
Minderjährige weltweit, die davon betroffen waren, jetzt geschätzte 168
Millionen. Mehr als die Hälfte von ihnen arbeiten in der Landwirtschaft,
auch als Haushaltshilfen werden sie häufig eingesetzt. Jungen sind dabei
übrigens häufiger von Kinderarbeit betroffen als Mädchen.
Trotz der sinkenden Zahlen arbeitender Kinder und Jugendlicher hat die ILO
bereits vor der Konferenz eingeräumt, dass das Ziel der Roadmap wohl nicht
erreicht werden wird – ein Ende der ausbeuterischen Kinderarbeit bis 2016.
8 Oct 2013
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Brasilien
Kinderarbeit
ILO
Sozialpolitik
Bolivien
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Kinderarbeit
Arbeitsbedingungen
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Kinderarbeit
Kongo
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