# taz.de -- Studie der ILO: Kinderarbeit geht weltweit zurück | |
> Immer mehr Länder ratifizieren die UN-Konventionen zur Bekämpfung von | |
> Kinderarbeit. Das Schuften und die Ausbeutung gehen trotzdem weiter. | |
Bild: Ägyptisches Kind in einer Töpferwerkstatt in Ägypten. | |
BERLIN taz | Wenn in einem indischen Haushalt eine Nähmaschine rattert, | |
können die Kinder, die dort leben, zur Schule gehen. Denn während sie | |
lernen, verdient ihre Mutter den Lebensunterhalt. Die Maschine, die sie | |
dafür braucht, kommt von der Regierung. Gemeinsam mit der Internationalen | |
Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) stattet sie Eltern mit den | |
Mitteln aus, die sie brauchen, um ihre Familien zu ernähren. Die Kinder | |
müssen dann nicht mehr arbeiten, so der Plan. | |
Er scheint aufzugehen. Projekte wie das in Indien sind mit dafür | |
verantwortlich, dass die Zahl der Kinderarbeiter kontinuierlich zurückgeht. | |
In den vergangenen zwölf Jahren hat die weltweite Kinderarbeit um ein | |
Drittel abgenommen. Das berichtet die ILO in einer Studie, die sie am | |
Montag vorgestellt hat. 2012 gab es beinahe 78 Millionen weniger | |
Kinderarbeiter als im Jahr 2000. | |
Das ist zwar eine gute Nachricht. Doch es reicht bei Weitem nicht: Das | |
Ziel, bis 2016 die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beseitigen, sei | |
nicht einmal annähernd erreicht, heißt es in dem Bericht weiter. Noch immer | |
muss jedes zehnte Kind zwischen 5 und 17 Jahren täglich viele Stunden | |
arbeiten – oft auch unbezahlt. Insgesamt sind das 168 Millionen Mädchen und | |
Jungen. Wer weniger als zwei Stunden am Tag beschäftigt ist, ist noch gar | |
nicht mitgezählt. | |
Mehr als die Hälfte der Kinder arbeitet unter Bedingungen, die Gesundheit, | |
Sicherheit und Entwicklung gefährden: Sie schuften stundenlang ohne Pause, | |
unter Tage, mit gefährlichen Maschinen, müssen schwer tragen oder | |
ohrenbetäubenden Lärm aushalten, sie werden geschlagen oder sexuell | |
ausgebeutet. | |
## Südlich der Sahara arbeitet jedes fünfte Kind | |
Zahlenmäßig gibt es die meisten Kinderarbeiter in Asien und im Pazifikraum. | |
Am weitesten verbreitet ist das Problem jedoch in Afrika südlich der | |
Sahara. Dort arbeitet jedes fünfte Kind – immerhin: 2008 war es noch jedes | |
vierte. Auch in Lateinamerika, der Karibik, dem Nahen Osten und Nordafrika | |
müssen Millionen Kinder zum Familieneinkommen beitragen. | |
Rund 44 Prozent der arbeitenden Jungen und Mädchen sind jünger als elf | |
Jahre. „Es ist ermutigend, dass die Verbesserungen bei den Jüngeren am | |
stärksten ausgeprägt waren“, so die ILO in ihrer Studie. In der Gruppe der | |
5- bis 14-Jährigen mussten 2012 etwa 66 Millionen weniger Kinder arbeiten | |
als noch im Jahr 2000. | |
## Business as usual reicht nicht | |
Immer mehr Länder ratifizieren die ILO-Konventionen zur Bekämpfung von | |
Kinderarbeit und schaffen die entsprechenden Rahmenbedingungen: Sie setzen | |
zum Beispiel ein Mindestalter für Beschäftigte fest oder verbieten die | |
schlimmsten Formen der Kinderarbeit per Gesetz. | |
Dennoch: „Business as usual wird nicht ausreichen“, so die ILO. „Um die | |
Geißel der Kinderarbeit in absehbarer Zeit zu überwinden, ist eine | |
substanzielle Beschleunigung der Bemühung auf allen Ebenen notwendig.“ Mit | |
Gesetzen, besseren Bildungssystemen, sozialen Netzen und | |
Arbeitsmarktpolitik müssten alle Facetten der Kinderarmut adressiert | |
werden. | |
Projekte wie das der indischen Regierung zeigten Wirkung, reichten aber | |
nicht. Es müsse noch deutlich mehr internationale Kooperation geben, | |
schreibt die ILO. Denn: „Kinderarbeit zu bekämpfen ist eine der wichtigsten | |
Investionen in soziale und wirtschaftliche Entwicklung des 21. | |
Jahrhunderts.“ | |
23 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Jakob Struller | |
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