Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zivilgesellschaft und Technologie: Kleine, freie Netze
> Sie kämpfen gegen Korruption in Kamerun und bringen Netflix in
> amerikanische Reservate: Unabhängige WLAN-Netzwerke.
Bild: Wer den Sendemast kontrolliert ist unabhängig
BERLIN taz | „Wo wollen wir hin?“, ist die Frage, die Jürgen Neumann den
Organisatorinnen bürgerschaftlich betriebener WLAN-Netzwerke aus aller Welt
stellt. Im Proberaum einer Berliner Theaterschule werden zum Abschluss
einer [1][mehrtägigen Konferenz], mit Workshops zu Technik, Bürokratie und
Philosophie der Netzwerke die großen Fragen freier elektronischer
Kommunikation behandelt.
Neumann ist Mitbegründer der [2][Freifunk-Initiative], die seit nunmehr
[3][10 Jahren am Ausbau eines Netzwerkes] arbeitet, dass unabhängig von
großen Konzernen und abseits der Totalüberwachung der Nutzerinnen
Internetzugang ermöglichen will. Er weiss um die technischen wie
politischen Herausforderungen einer selbstbestimmten Nutzung der
unendlichen Kommunikationsmöglichkeiten im Internet.
Auch wenn die Herangehensweisen an den Aufbau lokaler WLAN-Netze weltweit
unterschiedlicher kaum sein können, eines ist doch praktisch allen Aktiven
gemein: der Kampf mit staatlicher Regulierung und früher oder später die
Konfrontation mit Fragen der Datensicherheit. Die konkreten Anlässe für den
Aufbau der Netzwerke sind so vielfältig wie die Muttersprachen der Aktiven.
Matthew Rantanen, technischer Direktor des Projektes [4][Tribal Digital
Village] in kalifornischen Reservaten zum Beispiel beschreibt die
technologische Rückständigkeit in den Gemeinschaften amerikanischer
Ureinwohner als eine seit Generationen bestehende politische
Herausforderung. Während die Reservate administrativ fast ausschließlich
mit Bundesbehörden zusammenarbeiten, liegt die Zuständigkeit für
Infrastrukturmaßnahmen, wie die Bereitstellung von Breitbandinternetzugang
bei den Staaten. „Beim Überschreiten der Grenzen zu den Reservaten kann man
den Abfall im Zugang zu Ressourcen fast körperlich spüren.“, erläutert er
die Folgen dieser Situation.
## Bruch der Monopolmacht
Von einer ganz andere Ausgangslage erzählt der 29-jährige Jurist Al Banda
aus Kamerun. Die größte Herausforderung für ihn ist die Korruption der zwei
großen Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen. Selbst in urbanen
Ballungsräumen ist der Internetzugang nicht nur instabil und unzuverlässig,
sondern auch sehr teuer. Gleiches gilt für mobile Telefonie. Das Hauptziel
des unabhängigen Netzwerkes „LANd of Red Clay“, dass in der kleinen
Universitätsstadt Buea entsteht, ist zuallererst der Bruch der Monopolmacht
in der Kommunikation.
Banda, der als Community Manager für [5][Activspaces], ein Projekt zur
Förderung und Vernetzung von innovativen Unternehmen und Einzelpersonen
tätig ist, zeigt auf, dass elektronische Kommunikation gar nicht zwingend
den weltweiten Zugang benötigt. Alleine die kostengünstige und
selbstverwaltete Kommunikationsstruktur vor Ort stellt einen gewaltigen
Fortschritt dar. Eigene SMS-Applikationen, die das WLAN-Netzwerk
vergleichbar mit WhatsApp nutzbar machen, der Zugang zu gecachten Webseiten
und kostenlos zur Verfügung gestellte Inhalte von Anbietern wie dem MIT,
machen das Netzwerk zu einer zwar nicht idealen, aber pragmatischen
Alternative zu den vorhanden Internetangeboten.
Als gefährliche Konkurrenz zu den kamerunischen Telekomkonzernen wird das
Netzwerk noch nicht wahrgenommen. Das Wachstum der Vernetzung jedoch wird
über kurz oder lang zu einer Konfrontation führen, glaubt Banda.
Beschränkungen über staatliche Regulierung werden dann wohl nicht
ausbleiben.
In Kalifornien löst sich derweil für Rantanen und Tribal Digital Village
ein erhebliches technisches Problem durch eine Ironie der Geschichte. Das
größte Hindernis für die großflächige WLAN-Versorgung ist die scharfe
Regulierung der Höhe von Sendemasten. Rantanen erzählt dazu von der
Geschichte der Verdrängung der amerikanischen Ureinwohner in unwirtliche
Landstriche. Grinsend sagt er: „Dafür gehören uns jetzt alle Berggipfel in
der Gegend.“, und damit die idealen Orte für die Errichtung der Sender mit
störungsfreien Sichtachsen in die Täler.
## Die technische Basis der Kommunikation
Aber wo wollen die Aktiven aus Kamerun, den USA, Indien, Deutschland und
zig anderen Ländern nun hin? Was bringt sie zusammen? Freifunker Neumann
glaubt, dass unabhängig von der ursprünglichen Motivation die treibende
Kraft der Netzwerke der Versuch ist, die technische Basis der Kommunikation
selbstbestimmt zu kontrollieren. Das Zeitalter der Vernetzung hat
schließlich quasimonopolistische Großkonzerne und eine neue Qualität
staatlicher Überwachung mit sich gebracht. Freie WLAN-Netzwerke sind ein
möglicher Weg, ein Stück weit die Kontrolle über die eigene Kommunikation
zurückzugewinnen.
Der Künstler und Aktivist [6][Julian Priest], einer der Gründer des
[7][ersten freien WLAN-Netzwerkes in Großbritannien], formuliert das als
den Wunsch, das ursprüngliche Versprechen des Internets einzulösen: den
sozialen Charakter der Kommunikation zu betonen und diese in den kleinen,
freien Netzen mit menschlicher Wärme anzufüllen.
12 Oct 2013
## LINKS
[1] http://2013.wirelesssummit.org/
[2] http://blog.freifunk.net/
[3] http://www.zeit.de/digital/internet/2013-10/freifunk-berlin-nsa
[4] http://sctdv.net/
[5] http://activspaces.com/
[6] http://julianpriest.org/
[7] http://consume.net/
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Freifunk
Wlan
Kamerun
Wlan
Schwerpunkt Überwachung
Nachrichtendienst
WhatsApp
SPD
Breitband
## ARTIKEL ZUM THEMA
Freies WLAN: Die Netzwerk-Partisanen
Die Bewegung der Freifunker will dem Internet der Konzerne ein eigenes
Netzwerk entgegenzusetzen. In Hamburg sind sie damit so weit wie nirgends
sonst in Deutschland.
Dezentrale Kommunikation in Hongkong: Mit FireChat zur Demo
Eine App macht die Protestierenden in Hongkong unabhängig vom Internet. Das
Problem der Überwachung löst das Programm jedoch nicht.
Facebook kauft WhatsApp: Teenies für Zuckerberg
Facebook kauft WhatsApp und erreicht damit eine umkämpfte Zielgruppe:
Teenager. Der Nachrichtendienst ist Mark Zuckerberg bis zu 14 Milliarden
Euro wert.
Smartphone Messaging-Dienst: WhatsApp für die Welt
Über den Handy-Dienstleister werden genauso viele Nachrichten verschickt
wie mit klassischen SMS-Diensten. Eine Finanzierung über Werbung ist
vorerst nicht geplant.
Öffentliches WLAN: Die Innenstädte gehen online
An vielen Orten gibt es einen kostenfreien Internetzugang. Während SPD und
Union das fördern wollen, verfolgen die großen Konzerne ihre eigenen
Interessen.
Netzpolitische Pläne von SPD und Union: WLAN-Anbieter sollen nicht haften
Bis 2018 soll es eine Breitbandversorgung für alle Haushalte geben. Zudem
soll die umstrittene Störerhaftung bei WLAN-Netzen abgeschafft werden.
WLAN für jedermann: Alle ins Netz!
Die Initiative Freifunk will einen kostenfreien Zugang zum Internet für
Jedermann ermöglichen. Schwierigkeiten bereitet dabei die unklare
Rechtslage.
Deutschlands WLAN-Hauptstadt Berlin: Hotspots in the City
An über 40 Punkten in der Berliner Innenstadt ist der kabellose
Internetzugang künftig kostenlos. Aber nur für 30 Minuten pro Tag.
Hardware gegen Störerhaftung: Sorglos dank Crowdfunding
Wegen der sogenannten Störerhaftung sind offene WLan-Netze selten geworden.
Mit der „Sorglosbox“ soll sich das ändern.
Internet für alle: Surfen an der Spree
Freies WLAN überall in Berlin? Immer noch ein netter Traum. Die Initiative
Freifunk macht jetzt in Friedrichshain-Kreuzberg einen Vorstoß.
Freies Netz und Störerhaftung: „Es herrscht ein Durcheinander“
Freifunk.net baut ein offenes WLAN in Berlin auf. Von den Problemen mit der
sogenannten Störerhaftung erzählt Aktivist Jürgen Neumann.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.