| # taz.de -- Öffentliches WLAN: Die Innenstädte gehen online | |
| > An vielen Orten gibt es einen kostenfreien Internetzugang. Während SPD | |
| > und Union das fördern wollen, verfolgen die großen Konzerne ihre eigenen | |
| > Interessen. | |
| Bild: Die Freiheit des Netzes ist bei den meisten Angeboten allerdings eingesch… | |
| BERLIN taz | München hat es. Potsdam hat es. Und Pforzheim auch. In vielen | |
| Städten können Passanten und Anwohner mittlerweile einen öffentlichen | |
| drahtlosen Zugang zum Internet (WLAN) nutzen – mal mit Registrierung und | |
| individuellem Zugangscode, mal mit zeitlicher Beschränkung und immer | |
| vorzugsweise in den Innenstädten. | |
| Öffentliche WLANs haben in Deutschland lange ein Nischendasein gefristet. | |
| Ursache dafür ist die Störerhaftung, ein Wort, bei dem man in der Branche | |
| noch heute zusammenzuckt. Betreiber eines WLAN sind demnach für das | |
| verantwortlich, was Nutzer über den Zugang treiben – illegal Filme | |
| hochladen zum Beispiel oder urheberrechtlich geschützte Musik tauschen. Wer | |
| etwa sein WLAN zu Hause nicht mit einem Passwort schützt, um es mit seinen | |
| Nachbarn zu teilen, dem kann in solchen Fällen eine Abmahnung ins Haus | |
| fliegen. | |
| Die Verhandler von SPD und Union wollen das ändern. Das haben sie | |
| vergangene Woche bei einem Treffen der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda | |
| beschlossen. „Wir wollen endlich Rechtssicherheit schaffen im Bereich | |
| öffentliches WLAN“, sagte die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär. Brigitte Zypris | |
| (SPD), Kovorsitzende der Arbeitsgruppe, begründete den Vorstoß | |
| folgendermaßen: „Die Vorteile eines freien WLAN liegen auf der Hand: Man | |
| kann mit seinem Smartphone durch die Stadt gehen und sich von WLAN-Netz zu | |
| WLAN-Netz einwählen und so online sein, ohne dass man zusätzlich dafür | |
| bezahlen muss.“ | |
| Doch auch schon ohne politische Absichtserklärung ist in den vergangenen | |
| Monaten die Zahl der Städte, in denen Nutzer sich in ein öffentliches WLAN | |
| einbuchen können, stetig gestiegen. So hat die Telekom im September ein | |
| Netz in Hamburg gestartet, in Pforzheim können Nutzer seit September in der | |
| Innenstadt über ein öffentliches WLAN surfen, und Kabel Deutschland will | |
| nach Pilotprojekten in Berlin und Potsdam bis Jahresende mehr als 200 | |
| öffentliche Hotspots in 21 Städten in Betrieb nehmen. | |
| Die Angebote scheinen auf Bedarf zu treffen: So meldet Kabel Deutschland, | |
| dass sich in Berlin monatlich 1,5 Millionen Nutzer in das Netz einloggen. | |
| Die Provider haben einen Vorteil gegenüber kleinen Anbietern: Sie gelten | |
| als nicht haftbar für das, was Nutzer in den WLANs treiben – im Gegensatz | |
| zu den Freifunkern oder Cafébetreibern und WGs, die ihr WLAN nicht | |
| verschlüsseln. Da ist die Rechtsprechung uneinheitlich. | |
| ## Wasser, Strom … Internet? | |
| Der Staat dagegen hält sich mit Angeboten zurück. Auf eine Anfrage über den | |
| Onlinedienst [1][fragdenstaat.de] antwortete etwa die Stadtverwaltung | |
| Gütersloh, dass vor allem die mit Einrichtung und Unterhalt verbundenen | |
| Kosten eine Hürde seien. In Berlin scheiterte ein WLAN-Projekt der | |
| Verwaltung letztlich nicht nur an den Kosten, sondern auch an der Sorge um | |
| das reibungslose Funktionieren der Ampeln. | |
| Union und SPD haben in ihren Koalitionsverhandlungen zwar beschlossen, | |
| jährlich eine Milliarde Euro zusätzlich zu investieren, um die | |
| Breitbandversorgung auszubauen, die gerade auf dem Land noch löchrig ist. | |
| Doch davon hat nur etwas, wer sich einen eigenen Anschluss leisten kann. | |
| Hinter all dem steckt die grundsätzliche Frage, ob ein Internetzugang zur | |
| Daseinsvorsorge gehört – und damit so wichtig ist wie Wasser, Strom oder | |
| Straßen. „Es ist auch eine soziale Frage, schließlich kann sich nicht jeder | |
| seinen eigenen Anschluss leisten“, sagt Volker Tripp vom Verein Digitale | |
| Gesellschaft. Selbst das Zentralkomitee der deutschen Katholiken forderte | |
| kürzlich, „gerechte Zugangsvoraussetzungen zum Internet für Menschen mit | |
| geringen finanziellen Möglichkeiten“ zu schaffen. | |
| ## IT-Grundversorgung | |
| Öffentliche WLANs wären ein Weg, diese Grundversorgung zu erreichen – ohne | |
| dass jeder Haushalt sich selbst einen Internetanschluss besorgen muss, | |
| zumal der nur örtlich gebunden nutzbar ist. Auf einer Fachdiskussion im | |
| Oktober, bei der Akteure aus Politik, Wissenschaft, Verbänden und | |
| Wirtschaft über eine IT-Grundversorgung debattierten, stellte sich heraus: | |
| Der Staat ist in dieser Frage unentschlossen. | |
| „Der Versuch, Grundversorgung zu definieren, trifft auf eine hohe | |
| Marktdynamik“, formulierte es Martin Schallbruch, IT-Direktor im | |
| Innenministerium. Verschiedene Zugangsgeräte – erst PCs, dann Notebooks, | |
| jetzt Smartphones und Tablets –, unterschiedliche Frequenzen, dazu ständig | |
| wachsende Mengen an Daten, die heruntergeladen, gespeichert, verschickt | |
| werden können – wer will da noch sagen, diese Mengen und diese Geräte über | |
| jene Verbindung sind unbedingt notwendig? | |
| Und so nutzen Unternehmen die Lücke. Doch die Freiheit ist bei diesen | |
| Angeboten meist eingeschränkt. So erlaubt Kabel Deutschland an seinen | |
| Hotspots gerade mal 30 Minuten täglich – nur Kunden des Unternehmens haben | |
| unbegrenzten Zugang. Ein Fall von Akquise also; der Zugang auch außerhalb | |
| der eigenen vier Wände als Argument für einen Providerwechsel. Ähnlich bei | |
| der Telekom: Wer hier nach Ablauf der Gratiszeit weiter surfen will, muss | |
| zahlen. Auffällig ist, dass Nutzer in München und Pforzheim kein Zeitlimit | |
| haben – hier stehen die Münchner Stadtwerke beziehungsweise ein Verein aus | |
| regionalen Unternehmen hinter den Netzen. | |
| ## Regionale Einschränkung | |
| Doch auch in diesen Städten gibt es eine ganz andere Art der Einschränkung: | |
| die regionale. Öffentliche Hotspots stehen bevorzugt in zentralen Lagen – | |
| in Hamburg etwa rund um die Landungsbrücken, in München in der Altstadt und | |
| in Düsseldorf steht der erste Hotspot in der Königsallee. | |
| „Mit Grundversorgung hat das alles nicht viel zu tun“, kritisiert Tripp. | |
| Ein öffentliches WLAN als Teil der Daseinsvorsorge dürfe nicht nur keine | |
| Begrenzung bei Zeit und Volumen haben, es müsse auch flächendeckend und | |
| anonym nutzbar sein. „Schließlich trage ich ja auf der Straße auch nicht | |
| ständig ein Namensschild vor mir her.“ | |
| Er spricht sich außerdem für eine Förderung von bürgerschaftlichen | |
| Initiativen wie den Freifunkern aus. Eine konsequente Abschaffung der | |
| Störerhaftung, vielleicht ein Fonds für den Freifunk und einiges an | |
| bürgerschaftlichem Engagement – das könnte die Versorgung schon erheblich | |
| verbessern. | |
| 14 Nov 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://fragdenstaat.de | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
| ## TAGS | |
| SPD | |
| CDU/CSU | |
| Wlan | |
| Wlan | |
| Wlan | |
| Internet | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
| Breitband | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Freies WLAN: Die Netzwerk-Partisanen | |
| Die Bewegung der Freifunker will dem Internet der Konzerne ein eigenes | |
| Netzwerk entgegenzusetzen. In Hamburg sind sie damit so weit wie nirgends | |
| sonst in Deutschland. | |
| Gegen Störerhaftung, für freies WLAN: Piraten vor Gericht | |
| Gerichtsverfahren in München und Berlin sollen endlich die Frage klären: | |
| Muss ein WLAN-Besitzer für die über seinen Anschluss übermittelten Daten | |
| haften? | |
| Kommentar freies WLAN: Der User ist ein Gesetzesbrecher | |
| Mehr Breitband, keine Störerhaftung: auf den ersten Blick hat die künftige | |
| Koalition gute Pläne. Doch Schwarz-Rot begreift das Netz noch immer als | |
| Gefahr. | |
| Ideen für Koalitionsverhandlungen: Union will mehr Überwachung | |
| Während der laufenden Verhandlungen dringt eine brisante Wunschliste der | |
| Union an die Öffentlichkeit. So soll etwa der Zugriff auf Netzdaten | |
| erleichtert werden. | |
| Netzpolitische Pläne von SPD und Union: WLAN-Anbieter sollen nicht haften | |
| Bis 2018 soll es eine Breitbandversorgung für alle Haushalte geben. Zudem | |
| soll die umstrittene Störerhaftung bei WLAN-Netzen abgeschafft werden. | |
| Zivilgesellschaft und Technologie: Kleine, freie Netze | |
| Sie kämpfen gegen Korruption in Kamerun und bringen Netflix in | |
| amerikanische Reservate: Unabhängige WLAN-Netzwerke. |