| # taz.de -- Bremer Brechmittel-Prozess: Am Ende kein Urteil | |
| > Das Verfahren um den Brechmittel-Tod von Laye Condé in Bremer | |
| > Polizeigewahrsam ist eingestellt. Auch der dritte Prozess endet, ohne | |
| > Unrecht festzustellen. | |
| Bild: Der 49-Jährige Angeklagte (l.) mit seinem Anwalt. | |
| BREMEN taz | Das Bremer Brechmittel-Verfahren ist eingestellt. Das gab das | |
| Landgericht Bremen am Freitag bekannt. Es war die mittlerweile dritte | |
| Auflage des Prozesses um den Tod von Laye Condé. Der aus Sierra Leone | |
| stammende Condé war im Januar 2005 an den Folgen der Zwangsvergabe von | |
| Brechmitteln in Polizeigewahrsam gestorben. Angeklagt war der Polizeiarzt | |
| Igor V. | |
| Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklägerin einigten sich nun auf | |
| eine Einstellung unter der Auflage, dass der Angeklagte V. 20.000 Euro an | |
| die Mutter des Opfers zahlt. Eine Revision oder Berufung sind nicht | |
| möglich. | |
| Als Arzt des Beweissicherungsdienstes hatte V. dem gefesselten Condé Wasser | |
| über eine Nasensonde eingeflößt, auch nachdem Condé nicht mehr ansprechbar | |
| war und ein Notarzt herbeigerufen wurde. | |
| Die Brechmittel-Prozedur wurde in Bremen jahrelang eingesetzt, um bei | |
| vermeintlichen Dealern verschluckte Drogen-Kügelchen sicherzustellen. 1992 | |
| hatte Bremens langjähriger Bürgermeister Henning Scherf (SPD) als | |
| Justizsenator dafür die rechtliche Grundlage geschaffen. 2006 erklärte der | |
| Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Prozedur für Folter. | |
| Ausschlaggebend dafür, dass nun alle Verfahrensbeteiligten einer | |
| Einstellung zustimmten, war die Erkrankung des Angeklagten. Bereits seit | |
| Ende September war der Prozess unterbrochen: Igor V. ist in stationärer | |
| psychiatrischer Behandlung – laut Gutachten auch eine Folge der langen | |
| Dauer des Verfahrens. Ob V. überhaupt wieder verhandlungsfähig würde, war | |
| nicht abzusehen. | |
| Fast neun Jahren lang und an insgesamt 58 Verhandlungstagen saß V. auf der | |
| Anklagebank. Zwei Mal endete der Prozess für ihn mit einem Freispruch, zwei | |
| Mal revidierte der Bundesgerichtshof das Urteil, bezeichnete es im Juni | |
| 2012 als „fast grotesk falsch“. | |
| Im aktuellen Prozess war mit dem ehemaligen Bürgermeister Scherf erstmals | |
| ein politisch Verantwortlicher als Zeuge geladen. Statt Reue zu zeigen, | |
| bezeichnete er die Folter als „Beweissicherung-Alltag“ und leugnete, die | |
| Probleme der Brechmittel-Vergabe gekannt zu haben. Dabei hatte etwa das | |
| Bremer Anti-Rassismusbüro bereits 1995 mit einer umfassende Broschüre dazu | |
| eine öffentliche Debatte angeschoben, zwei Mal debattierte die Bremische | |
| Bürgerschaft noch vor Condés Tod. | |
| Bis zuletzt hatte die „Initiative in Gedenken an Laye Condé“ auf ein Urteil | |
| gehofft. Die AktivistInnen verweisen auf die Verantwortlichen in Regierung | |
| und Justiz: Etwa auf die Rolle des damaligen Leitenden Oberstaatsanwalts | |
| Jan Frischmuth, der 1995 verfügte, eine Weigerung von Ärzten, Brechtmittel | |
| zu vergeben, könne als Strafvereitelung gewertet werden. | |
| Oder auf den heutigen CDU-Fraktionsvorsitzenden Thomas Röwekamp, der als | |
| damaliger Innensenator sagte, „Schwerstkriminelle“ müssten „nun mal mit | |
| körperlichen Nachteilen rechnen“ – als Condé bereits im Koma lag. | |
| Für Volker Mörchen von der Initiative ist die Einstellung des Verfahrens | |
| daher „pikant“: „Am Ende steht, was von Anfang an zu befürchten war: | |
| Eigentlich ist niemand so richtig verantwortlich.“ Bestehen bleibe die | |
| Frage, „wieso nicht von vornherein die Polizisten und die Auftraggeber | |
| genauso auf der Anklagebank Platz nehmen mussten“. | |
| Mörchen fordert weiterhin vor allem eine politische Aufklärung und | |
| Verantwortungsnahme der Beteiligten: „Ein Wort des Bedauerns gegenüber der | |
| Familie des Getöteten ist seit Langem überfällig“, so Mörchen. | |
| 2 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
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