| # taz.de -- Bremer Recht: Nachspiel für Scherf | |
| > Der Brechmittel-Prozess ist eingestellt. Doch Henning Scherf droht ein | |
| > Nachspiel: Die Initiative Laye Condé hat ihn wegen Falschaussage | |
| > angezeigt- | |
| Bild: Henning Scherf - ein Mann dem viele glaubten. | |
| Die „Initiative in Gedenken an Laye Condé“ hat Bremens ehemaligen | |
| Bürgermeister Henning Scherf (SPD) wegen uneidlicher Falschaussage | |
| angezeigt. Scherf hatte Mitte September im sogenannten | |
| „Brechmittel-Prozess“ ausgesagt. | |
| Als Justizsenator hatte er 1992 die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, | |
| mit der Zwangsvergabe von Brechmitteln bei Dealern verschluckte | |
| Drogenkügelchen sicherstellen zu können. Der Sierra Leoner Laye Condé war | |
| 2005 an den Folgen gestorben, mittlerweile gilt die Prozedur als Folter. | |
| Wegen der jahrelangen Brechmittelvergabe hatte Scherf sich weder | |
| entschuldigt noch Reue gezeigt. | |
| Während der Prozess gegen den Polizeiarzt am 31. Oktober eingestellt wurde, | |
| könnte Scherf sich für seine Zeugenaussage vor Gericht noch verantworten | |
| müssen. Die Staatsanwaltschaft Bremen hatte zuvor bereits angekündigt, | |
| gegen ihn die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen: Scherf | |
| hatte sich als Zeuge verspätet und gegenüber der Richterin angegeben, von | |
| dem Gerichtstermin nichts gewusst zu haben. | |
| Mit ihrer Anzeige stellen die Prozessbeobachter der „Initiative Laye Condé“ | |
| nun Scherfs Aussage noch einmal inhaltlich infrage. Die Initiative vermutet | |
| in Scherfs Aussage das politische und persönliche Interesse, „von der | |
| eigenen Verantwortung für die jahrelange gesundheitliche Schädigung vieler | |
| Betroffenen bis hin zum dem Tod eines Menschen in staatlicher Obhut | |
| abzulenken“. | |
| Vor Gericht sagte Scherf über Condés Tod, dieser sei 2005 eine | |
| „Überraschung“ gewesen, bis zu diesem „katastrophalen Fall“ habe es | |
| „überhaupt keine Schwierigkeiten“ gegeben. Die Brechmittel-Vergabe sei | |
| „lange Jahre gelaufen, ohne dass es Komplikationen gegeben“ habe und sei | |
| „Beweissicherungs-Alltag“ gewesen. | |
| Bereits Richterin Barbara Lätzel hatte Scherf daraufhin mit einem Brief | |
| konfrontiert, in dem Scherf seine Parteikollegin und damalige | |
| Gesundheitssenatorin Tine Wischer schon 1995 drängte, ihre Kritik an der | |
| Brechmittel-Prozedur einzustellen. | |
| Auch Strafverteidiger Erich Joester hatte mehrfach nachgehakt und Scherf | |
| den Tod des Nigerianers Achidi John in Hamburg vor Augen geführt, der | |
| ebenfalls durch die Zwangsverabreichung von Brechmitteln gestorben war. | |
| Spätestens Johns Tod hatte 2001 zu einer breiten Diskussion und sogar zu | |
| einer Bürgerschafts-Debatte geführt. Scherf gab an, sich nicht daran zu | |
| erinnern. | |
| Nach Johns Tod forderten die Grünen – damals noch in der Opposition – die | |
| Einstellung der Brechmittelpraxis. Deren heutiger Fraktionsvorsitzender | |
| Matthias Güldner sagte 2001 in seiner Rede: „Sollte nach dieser | |
| Entscheidung ein ähnlicher Vorfall passieren, wissen wir wenigstens, dass | |
| er hätte verhindert werden können.“ | |
| Dass Scherf damals von den Diskussionen nichts mitbekommen habe, hält | |
| Güldner für „sehr, sehr unwahrscheinlich“. „Es ist doch vollkommen klar, | |
| dass der Hamburger Tod auch in Bremen Wellen geschlagen hat und im | |
| Parlament und in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wurde“, sagte Güldner | |
| zur taz. | |
| Der Senat bespreche vor der Bürgerschaftssitzung alle anstehenden Punkte, | |
| da Scherf Justizsenator war, hätte er „selbstverständlich“ davon Kenntnis | |
| haben müssen, so Güldner. Die Einstellung des Prozesses gegen den | |
| Polizeiarzt V. sei für Bremen „kein befriedigender Abschluss“ und | |
| hinterlasse einen „extrem schalen Nachgeschmack“. Er sei ratlos, wie die | |
| weitere Aufarbeitung vonstatten gehen könne, für die Entscheidungsträger im | |
| System hinter dem Polizeiarzt V.. | |
| Aus der Fraktion der SPD wollte man „das Verhalten von Prozessbeteiligten“ | |
| nicht kommentieren. In einem Brief an die Initiative hatte | |
| Fraktionsgeschäftsführer Frank Pietrzok im September sein Mitgefühl an die | |
| Familie und Freunde Condés ausgedrückt und den Brechmittel-Einsatz als | |
| unwürdige Praxis bezeichnet. Ihn nicht bereits 2001 nach dem Tod von Achidi | |
| John beendet zu haben, habe sich „rückblickend als schlimmer Fehler | |
| erwiesen“. | |
| Scherf droht bei uneidliche Falschaussage eine Freiheitsstrafe von drei | |
| Monaten bis zu fünf Jahren. Dass die Staatsanwaltschaft damit gegen ihren | |
| einstigen Dienstherren ermitteln muss, spiele laut | |
| Staatsanwaltschafts-Sprecher Frank Passade „keine Rolle“. | |
| 4 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
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