# taz.de -- Brechmittelprozess: „Staatsanwälte zum Jagen getragen“ | |
> In Bremen protestieren JuristInnen gegen eine mögliche Einstellung des | |
> Brechmittelprozesses. Sie fürchten eine Vorzugs-Justiz für polizeinahe | |
> Angeklagte. Anwalt Martin Stucke erklärt, worauf sich das stützt | |
Bild: Gestern in Bremen: Demonstration gegen die mögliche Einstellung des Brec… | |
taz: Warum engagieren Sie sich gegen eine mögliche Einstellung des Bremer | |
Brechmittel-Prozesses, Herr Stucke? | |
Martin Stucke: Normalerweise stehe ich auf der Seite derjenigen, die von | |
Polizeibeamten und Polizeiärzten behandelt werden, damit sie als Täter | |
verurteilt werden können. Oft genug wird meinen Mandanten Widerstand gegen | |
Polizeimaßnahmen vorgeworfen, während diese von Übergriffen von Polizisten | |
sprechen. Das ist das Spannungsfeld, in dem ich mich täglich bewege. Wenn | |
es dann einmal eine Anklage gegen einen Polizeiarzt gibt, das hat es meines | |
Erachtens nach in Bremen noch nie gegeben, dann gucke ich doch genau hin. | |
Und was sehen Sie in diesem Prozess? | |
Dann regt es mich auf, wenn eine Einstellung im Raum steht. Das wäre für | |
mich ein Sich-Drücken vor den Möglichkeiten eines Gerichts: einen | |
Sachverhalt festzustellen und zu bewerten. | |
Ist es legitim, dazu öffentlichen Druck auf das Gericht auszuüben, das doch | |
unabhängig urteilen soll? | |
Wir machen den Richtern keinen Druck. Wir machen Druck auf die | |
Staatsanwaltschaft, die zur Exekutive gehört. Man hat sie bisher zum Jagen | |
tragen müssen, dann soll sie jetzt bitteschön keinen Antrag auf Einstellung | |
des Verfahrens stellen. | |
Der Fraktionsvorsitzende der Bremer Grünen, Matthias Güldner, hat für seine | |
Mutmaßung, das Gericht wolle eine Nicht-Verurteilung des Angeklagten „nach | |
Hause schaukeln“, heftige Kritik des Vereins Bremischer Richter und | |
Staatsanwälte geerntet. | |
Es wird gesagt, Güldner würde die Justiz verunglimpfen. Das ist meiner | |
Ansicht nach völlig unberechtigt. Güldner als auch die Fraktionsvorsitzende | |
der Linken haben der Staatsanwaltschaft geraten, nicht der Einstellung des | |
Verfahrens zuzustimmen. Mehr nicht. Das ist etwas, was die Nebenklage | |
ebenfalls probiert hat. Und das ist mehr als fair, wenn man sich die | |
Prozessgeschichte anguckt. | |
Die zweimal mit einer Aufhebung der Freisprüche endete. | |
Beim zweiten Mal hieß es, das Urteil sei „grotesk falsch“ gewesen – eine | |
Wortwahl, wie der Bundesgerichtshof sie in 30 Jahren nicht verwendet. Dabei | |
ist es die Nebenklage gewesen, die in Revision gegangen ist, nicht die | |
Staatsanwaltschaft. Und angeklagt hat die nur den Polizeiarzt – nicht aber | |
seinen Vorgesetzten, nicht diejenigen, die die Brechmitteleinsätze | |
politisch verantworteten. Dabei waren die, schon bevor Condé gestorben ist, | |
in Bremen sehr umstritten. Kritiker, die eine Broschüre dazu herausgegeben | |
haben, „Polizisten, die zum Brechen reizen“, sind in erster Instanz | |
verurteilt, in der Berufung aber freigesprochen worden. | |
Warum mobilisiert der Prozess jetzt so viel Öffentlichkeit? | |
Die Relevanz des Prozesses kommt wesentlich daher, dass jemand gestorben | |
ist. Der Schaden ist nicht wiedergutzumachen. Entstanden ist er bei | |
Strafverfolgung. Aber Strafverfolgung um jeden Preis, so der | |
Bundesgerichtshof, darf es nicht geben. Die polizeiärztliche Maßnahme war | |
ihm zufolge abzubrechen, nachdem man die erste Kokainkugel, im Übrigen 0,4 | |
Gramm, von dem späteren Toten ergattert hatte. Damit war für das | |
Strafverfahren alles getan, was man brauchte: Die Beweise für ein | |
Betäubungsmittelvergehen, nicht -verbrechen, wie es oft in der | |
Öffentlichkeit hieß. Und nun besteht in Bremen der Verdacht, dass, wenn es | |
um polizeinahe Beschuldigte geht, fünfe gerade gelassen werden. | |
Den Verdacht teilen Sie? | |
Bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich davon aus. Und ich habe aus meiner | |
Erfahrung genügend Beispiele, wo es schwer war, Polizeibeamte überhaupt auf | |
die Anklagebank zu bekommen. | |
11 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
## TAGS | |
Bremen | |
Brechmittel | |
Brechmittel | |
Brechmittel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bremer Brechmittel-Prozess: Am Ende kein Urteil | |
Das Verfahren um den Brechmittel-Tod von Laye Condé in Bremer | |
Polizeigewahrsam ist eingestellt. Auch der dritte Prozess endet, ohne | |
Unrecht festzustellen. | |
Brechmittelprozess: Kaum Chancen auf ein Urteil | |
Das Verfahren gegen den Polizei-Arzt, der für den Tod Laye Condés | |
verantwortlich ist, droht zu platzen: Der Angeklagte ist | |
verhandlungsunfähig. | |
Sozialdemokratische Quälerei: Keine Entschuldigung für die Folter | |
Bremens Ex-Bürgermeister Henning Scherf (SPD) trat im Brechmittel-Prozess | |
als Zeuge auf – als erster politisch Verantwortlicher. Er verteidigte die | |
jahrelange Vergabe. | |
Brechmittel-Prozess: Ein Urteil wird kommen | |
Im Brechmittel-Verfahren spricht sich der Bremer Oberstaatsanwalt wider | |
Erwarten gegen eine Einstellung aus. Die Richterin vermutet politische | |
Einflussnahme. | |
Brechmittel-Prozess: Einstellen oder nicht? | |
Heute verhandelt das Landgericht Bremen wieder über den Brechmittel-Tod des | |
mutmaßlichen Drogendealers Laye Condé. Kommende Woche könnte das Verfahren | |
eingestellt werden. Für die taz diskutieren zwei Juristen das Für und | |
Wider. | |
Bremer Brechmittelprozess: Proteste gegen die Richterin | |
Das Verfahren gegen den Bremer Polizei-Arzt, der für den Tod Laye Condés | |
verantwortlich ist, wird vorerst nicht eingestellt: Die Staatsanwaltschaft | |
will noch die Aussagen weiterer Gutachter hören. | |
Brechmittel-Opfer: Die Polizei denkt um | |
Neun Jahre nach dem Tod von Laye Condé infolge von Maßnahmen der Polizei | |
äußert deren Präsident Bedauern - und will eine Gedenktafel. | |
Brechmittel-Prozess: Dritter Akt einer Justiz-Groteske | |
Der Prozess gegen den Arzt, der für den Tod Laye Condés verantwortlich ist, | |
droht eingestellt zu werden. Ein „Justizskandal ersten Ranges“, sagen die | |
Grünen. | |
Brechmittelprozess: Aussage voller Widersprüche | |
Im dritten Prozess um den Brechmittel-Tod von Laye Condé hat jetzt zum | |
ersten Mal der angeklagte Polizeiarzt ausgesagt – und sich damit | |
unglaubwürdig gemacht | |
Nach Brechmittel-Tod: Ein Denkmal für Laye Condé | |
Der dritte Prozess gegen den Arzt, der für den Brechmittel-Tod Laye Condés | |
verantwortlich ist, hat begonnen. Eine Initiative fordert ein Mahnmal. | |
Tod durch Brechmittel: Zwei falsche Freisprüche | |
Der Tod des Afrikaners Laye Condé nach der Verabreichung eines Brechmittels | |
2004 beschäftigt jetzt zum dritten Mal das Bremer Landgericht. |