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# taz.de -- Brechmittel-Opfer: Die Polizei denkt um
> Neun Jahre nach dem Tod von Laye Condé infolge von Maßnahmen der Polizei
> äußert deren Präsident Bedauern - und will eine Gedenktafel.
Bild: Gedenken an Laye Condé vor dem Bremer Landgericht.
Die Bremer Polizei schlägt neue Töne an: Erstmals äußert sie offiziell
Bedauern über den gewaltsamen Tod von Laye Condé, der 2004 nach der
zwangsweisen Verabreichung großer Mengen von Brechmitteln starb.
Polizeipräsident Lutz Müller, der erst im vergangenen Jahr ins Amt kam, hat
einen entsprechenden Brief an die Mutter Condés geschrieben.
Am Präsidium in der Vahr, wo Condé starb, möchte Müller möglicherweise eine
Gedenktafel anbringen lassen. Diese neue Haltung der Bremer Polizei ist
insbesondere bedeutsam vor dem Hintergrund, dass dem derzeit laufenden
Condé-Prozess die Einstellung droht – was einem juristischen Versagen bei
der Klärung der Schuldfragen gleich käme.
Innerhalb der Polizei hingegen scheint es eine neue Bereitschaft zu geben,
sich mit dem eigenen Handeln auseinanderzusetzen: „Ganz unabhängig“ vom
aktuellen Condé-Prozess habe man begonnen, „nach einer Haltung und den
richtigen Worten zum Tod von Laye-Alama Condé zu suchen“, erklärt
Polizeisprecherin Franka Haedke auf Nachfrage.
Ein Novum ist ferner, dass die Polizei in mehreren Gesprächen mit der
„Initiative zum Gedenken an Laye-Alama Condé“ über eine Broschüre
gesprochen hat. Die Polizei wäre bereit, zu einem Heft beizutragen, mit dem
der Fall aus verschiedenen Blickwinkeln aufgearbeitet werden könnte – nicht
nur gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch als Material für die
Polizeiausbildung.
Volker Mörchen von der Initiative begrüßt grundsätzlich die Anzeichen für
ein Umdenken an der Spitze des Polizeiapparats. Allerdings sei „da für die
Polizei insgesamt noch ein langer Weg zurückzulegen, weil rassistische
Polizeipraktiken für viele Menschen in Bremen bis heute Alltag sind“. Die
Initiative hatte seit 2005 jedes Jahr am Todestag eine Gedenkkundgebung für
Laye Condé organisiert und seitdem von den Verantwortlichen Worte des
Bedauerns eingefordert. Ob man nun heute schon so weit sei, eine gemeinsame
Broschüre zu erarbeiten, ist nach Ansicht von Mörchen momentan noch offen.
Die Initiative zu dieser neuartigen Zusammenarbeit ging von den Beiräten
und vom Ortsamt Mitte/Östliche Vorstadt aus, die sich mit einer Erklärung
nun ebenfalls zum Fall Condé geäußert haben. Die Beiräte haben dafür eine
Form gewählt, die es bislang nicht gab: Statt eines Beschlusses haben sie
eine Art kollektive persönliche Erklärung verfasst, in der sie „eine ernste
Auseinandersetzung um die Hintergründe und Lehren“ aus dem Fall Condé
fordern. Unterschrieben haben sämtliche Beiratsmitglieder mit Ausnahme der
CDU. Deren Vertreter konnten sich nur im Beirat Mitte zu diesem Bekenntnis
durchringen, nicht aber in der Östlichen Vorstadt. Condés Tod fällt in die
Verantwortung des damaligen christdemokratischen Innensenators und heutigen
CDU-Fraktionschefs Thomas Röwekamp.
Die anderen Beiräte betonen hingegen: „Der überdeutliche Gegensatz zwischen
der Einschätzung des Bundesgerichtshofes und und den Bremer Schwurgerichten
verstört uns.“ Der Bundesgerichtshof hatte auch den zweiten Freispruch für
den Polizeiarzt aufgehoben und es als „fast grotesken Fehler“ bezeichnet,
dass die Tat nicht als Körperverletzung mit Todesfolge bewertet wurde. Nun
zeichnet sich ab, dass das Bremer Landgericht abermals mit der Aufarbeitung
des Falles überfordert ist. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Verfahren
bereits in der kommenden Woche eingestellt wird.
Jedoch ist es nicht das erste Mal, dass sich die Behörden bedauernd zum
Fall Condé äußern: Bereits anlässlich der Schmerzensgeld-Verhandlungen
äußerte das Inneressort – nicht öffentlich, aber gegenüber der Mutter
Condés – Bedauern. Das war im Februar 2008, also nach der Ablösung
Röwekamps als Innensenator. Dass diese Haltung nun auch im Polizeiapparat
ankommt, ist aus Sicht der Anwältin der Nebenklage, Elke Maleika, die
sowohl die Mutter Condés als auch die „Initiative zum Gedenken an
Laye-Alama Condé“ vertritt, „durchaus etwas Neues“.
Der Ortsamtsleiter von Mitte und Östlicher Vorstadt, Robert Bücking,
interpretiert den Brief des Polizeipräsidenten, dessen genauer Wortlaut
unbekannt ist, sogar als „Anzeichen für einen starken rechtsstaatlichen und
demokratischen Impuls“, der Zeichen eines Generationswechsels sei.
Ob der Polizeipräsident, der derzeit im Urlaub ist, über das Bedauern
hinaus eine Entschuldigung formuliert hat, womit er ein Fehlverhalten der
Polizei einräumen würde, ist unklar. Da mag sich auch die Pressestelle der
Polizei nicht festlegen, was mit dem laufenden Condé-Prozess zu tun haben
könnte. Die angedachte Gedenktafel am Präsidium wäre gleichwohl ein Signal,
das früher nicht denkbar gewesen wäre. Polizeisprecherin Haedke formuliert
es so: „Wir öffnen uns dem Thema.“
7 Jun 2013
## AUTOREN
Henning Bleyl
## TAGS
Brechmittel
Brechmittel
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