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# taz.de -- Polizei mit Vorurteilen: Rassistisches Raster
> Diskriminierende Kontrollen sind zwar rechtswidrig. Aber „immer noch
> Praxis“, sagt eine Bremer Anwältin. Sanktionen gibt es nicht,
> Problembewusstsein schon.
Bild: Gefahrenort Ostertor: Mit verstärkten Polizeikontrollen auf Grund der Ha…
Es klingt nach einer Routinekontrolle. Genau das ist das Problem.
Ein paar Tage ist es her, dass Herr R. vorm Theater am Goetheplatz von der
Polizei gefilzt wird, zusammen mit seinem Begleiter T. Sein Ausweis wird
kontrolliert, seine Tasche durchsucht, sein Laptop abfotografiert. R., der
seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, stammt aus der
Elfenbeinküste. Ob er wegen seiner Hautfarbe kontrolliert werde, fragt er
die Polizeibeamten. „Ja!“ sollen die ihm entgegnet haben. Und dass sie „d…
Auflage“ von BürgerInnen aus dem Viertel hätten, Schwarze vermehrt zu
kontrollieren.
Dürfen die das? Nein! Das ist „rechtswidrig“, hat das
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz 2012 entschieden (Aktenzeichen 7 A
10532/12.OVG) – in einem Fall, der bundesweit für Aufsehen gesorgt hat.
Wenn die Hautfarbe das ausschlaggebende Kriterium für die Kontrolle war, so
die Richter, dann verstößt das gegen das Diskriminierungsverbot im
Grundgesetz.
Niemand werde in Bremen allein aufgrund seiner Hautfarbe kontrolliert, sagt
ein Polizeisprecher am Freitag – ohne sich zum konkreten Fall äußern zu
können. „Polizeiliche Kontrollen haben sich immer am Verhalten von Personen
und nicht deren Aussehen zu richten“, so die Polizei. Auch eine „Auflage“
von AnwohnerInnen gebe es nicht.
Im vorliegenden Fall haben sich die Polizeibeamten laut R. mit dem Hinweis
gerechtfertigt, dass er sich hier am Rande des Viertels in einem
„Gefahrenort“ aufhalte. Und an solchen Plätzen darf auch
„verdachtsunabhängig“ kontrolliert werden – was bei Bremer Polizisten
ansonsten rechtswidrig ist. Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass die
Liste solcher „Gefahrenorte“ in der Stadt Bremen lang ist: 37 Stadtbezirke
standen da auf der Liste, die üblichen Verdächtigen, auch das Viertel zählt
dazu. Zum Vergleich: In Hamburg gab es zur gleichen Zeit drei
„Gefahrenorte“. Die Linkspartei fordert schon länger: „Die
verdachtsunabhängigen Kontrollen an den ’Gefahrenorten‘ müssen aufhören.…
Auf die Frage, ob ihre Kontrolle denn nicht „rassistisch“ sei, sollen die
Polizisten R. geantwortet haben: „Dass finde ich jetzt scheiße, wie Sie das
interpretieren.“ Einem Prozess sähen sie aber gelassen entgegen, zumal sie
dafür Extrageld bekämen. Und warum er sich denn aufrege, soll R. dann noch
gefragt worden sein. Solche Kontrollen würden doch öfters gemacht. Er sei
das doch bestimmt gewohnt.
„Polizeiliche Kontrollen, die sich ausschließlich auf Grund der Hautfarbe
oder der Zugehörigkeit einer vermeintlichen Ethnie stattfinden, sind
eindeutig rassistisch“, sagt der Polizeisprecher. Dennoch: Immer wieder
berichten BremerInnen, dass sie verstärkt kontrolliert werden, weil sie
Schwarze sind – auch R. Dabei gibt es solche, im Fachjargon „ethnic
profiling“ genannte, Maßnahmen offiziell gar nicht. Auf einer Fachtagung zu
diesem Thema sagte Polizeipräsident Lutz Müller Ende 2012: „Wir brauchen
immer eine Rechtsgrundlage, einen ganz konkreten Anlass.“ Worin der im
vorliegenden Fall bestanden haben soll, ist unklar. Eine 2010
veröffentlichte Studie zeigt allerdings, dass Menschen, die „südländisch“
aussehen, doppelt so häufig von der Polizei kontrolliert werden wie
Deutsche ohne Migrationshintergrund. Frank Müller vom Institut für
Ethnologie und Kulturwissenschaft der Uni Bremen sagte bei der Tagung: Es
werde „sehr schnell“ von Äußerlichkeiten auf mögliche Täterprofile
geschlossen.
Dabei hat die Polizei Bremen diesbezüglich gar keinen so schlechten Ruf,
sie hat sogar zwei interkulturelle Trainer. Fortbildungen sollen die
Beamten sensibilisieren, für mehr Präzision bei Profiling und in den
polizeilichen Lagebildern sorgen, „interkulturelle Kompetenz“ vermitteln.
Für den Herbst ist ein weiterer Workshop geplant. „Organisationen ändern
sich nur langsam“, sagte der polizeiliche Integrationsbeauftragte Thomas
Müller bei der Tagung.
Im vorliegenden Fall könnte R. zwar die „Rechtswidrigkeit“ der
polizeilichen Maßnahme von einem Gericht feststellen lassen, sagt seine
Anwältin Barbara Neander. Doch im Zweifel folge daraus nichts: Sanktionen
sind damit nicht verbunden. Und Neander ist sich sicher: Rassistische
Polizeikontrollen seien in Bremen „immer noch Praxis“. Auch R. ist
skeptisch: „Die würden zurück klagen“, sagt er. „Und die Gerichte schü…
die Polizisten.“
21 Jun 2013
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Zeitungszusteller
Polizei
Bremen
Schwerpunkt Rassismus
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