# taz.de -- Freunde & Helfer: Bremens Prügel-Polizei | |
> Ein Video zeigt, wie Bremer Polizisten einen Diskobesucher verprügeln. | |
> Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Das Video war lange bekannt. | |
Bild: Damit schlägt es sich gut: Tonfa-Schlagstock. | |
BREMEN taz | In Bremen haben Polizisten einen jungen Mann brutal | |
zusammengeschlagen. In einer Gruppe von acht Leuten hauten und traten die | |
Beamten auf den 28-Jährigen ein. Sie prügelten weiter, als dieser schon am | |
Boden lag. Ereignet hat sich der Vorfall bereits am 23. Juni – frühmorgens | |
in der Diskothek „Gleis 9“ in der Bremer Innenstadt. Anfang der Woche | |
tauchte ein Überwachungsvideo auf. Nun leitet die Staatsanwaltschaft die | |
Ermittlungen wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt. | |
Bei den Ermittlungen soll auch geklärt werden, ob die Polizei schon länger | |
von dem Video wusste. Denn nach Aussagen des Betreibers, habe er der | |
Polizei das besagte Video bereits am Tag nach dem Vorfall ausgehändigt. | |
Am 4. Juli durchsuchte die Polizei dann die Räume seiner Disko, ebenso | |
seine Wohnung und die seines Geschäftspartners: wegen eines | |
„Datenschutzvergehens“. Die Polizisten beschlagnahmten die komplette | |
Überwachungsanlage aus der Disko, 16 Kameras plus Aufzeichnungsgerät. Alles | |
„zur Gefahrenabwehr“. | |
## Prügelszenen auf Video | |
Fast zwei Wochen vorher hatten sich die Mitarbeiter der Disko Gleis 9 noch | |
selbst an die Polizei gewandt. Ein Bekannter des späteren Prügelopfers war | |
ausfällig geworden, soll eine Bedienung geschlagen haben. Die | |
Sicherheitsleute riefen die Polizei. Der 28-Jährige wird laut, pöbelt wegen | |
seines Bekannten. Er habe aber selbst nichts gemacht, sagt | |
Gleis-9-Betreiber Tim Meister zur taz. Im Eingangsbereich der Disko fängt | |
die [1][Überwachungskamera dann die inkriminierenden Szenen ei]n. | |
Ein Polizist greift dem Mann an die Kehle, drückt ihn mit zwei Kollegen an | |
die Wand. Immer mehr Polizisten kommen ins Bild, sichern, greifen mit ein. | |
Sie halten den Mann zu viert. Ein Polizist fällt besonders auf: Aus der | |
zweiten Reihe tritt er zu, haut mehrfach mit seinem Tonfa-Schlagstock in | |
Richtung Knie des Mannes. | |
Vier Beamte drücken den Mann mit dem Gesicht zu Boden. Gewusel, Tritte. Der | |
eine Polizist schlägt dem Mann mit seinem Tonfa-Stock von oben ins Genick. | |
Einmal, zweimal. Der Mann sinkt weiter zu Boden. Dann ziehen die Polizisten | |
ihn an den Handschellen wieder auf seine Füße. | |
Wie die Bild berichtet, kamen der Mann und sein Begleiter für fünf Stunden | |
in eine Zelle. Danach sei er im Krankenhaus stundenlang in der Notaufnahme | |
behandelt worden. Prellungen des Kopfes, am Gesicht, Rücken und Rippen | |
seien diagnostiziert worden. | |
Als Journalisten am Dienstag bei der Polizei nachfragten, erstattet diese | |
aufgrund der Schilderungen Strafanzeige und leitet ein internes | |
Ermittlungsverfahren ein. | |
## Verhältnismäßig soll es sein | |
Die Polizei sei „leider häufig gezwungen, rechtstaatlich legitimierte | |
Zwangsmaßnahmen anzuwenden“, erklärte Bremens Polizeipräsident Lutz Mülle… | |
Aber die Maßnahmen müssten verhältnismäßig und angemessen sein. „Wenn di… | |
nicht geschieht, machen sich die agierenden Beamten strafbar“, erklärte | |
Müller in einer Mitteilung. Zu dem Vorfall konkret heißt es von der | |
Polizei: „Das Video lag bislang nicht vor.“ | |
Der Diskobetreiber widerspricht dieser Aussage. Direkt am Montag nach dem | |
Vorfall erkundigte sich die Polizei nach dem Video. Telefonisch, sagt er, | |
daran erinnere er sich, denn normalerweise frage die Polizei immer per | |
E-Mail. Ein Mitarbeiter habe das Video dann zur zuständigen Wache am | |
Stephanietor in Bremen-Mitte gebracht. | |
In der gleichen Wache sitzt auch Zug 221 der Einsatzhundertschaft, dessen | |
Beamte am Samstag zuvor den Mann verprügelt hatten. Turnusmäßig ist die | |
etwa 30 Mann starke Einheit für Einsätze rund um die Diskomeile am Bahnhof | |
zuständig. | |
Nicht angekommen sei das Video, heißt es von Seiten der Wache. Auch die | |
Staatsanwaltschaft hat das Originalmaterial bisher noch nicht sichten | |
können. „Das Problem ist, dass die Videoaufnahmen sich auf einem | |
verschlüsselten iPad befinden“, sagt Claudia Kück, Sprecherin der | |
Staatsanwaltschaft. Techniker würden daran arbeiten. Das Tablet-Gerät sei | |
bei einem der Betreiber sichergestellt worden. Und zwar bei einer | |
Durchsuchung, die sich nicht um den Fall gedreht haben soll, sondern um ein | |
Datenschutzvergehen. | |
Die Diskobetreiber sollen neben Videos auch Ton aufgezeichnet haben. „Die | |
Polizei ist selber tätig geworden“, sagt Kück. Sie habe einen Beschluss | |
beim Amtsgericht erwirkt, zur Verhinderung weiterer Straftaten. Allerdings | |
sei die Verletzung der „Vertraulichkeit des Wortes“ kein Offizialdelikt – | |
es brauche also jemanden, der sie anzeigt. Laut Staatsanwaltschaft gab es | |
den auch. | |
## Keine Erinnerung | |
„Es ist kein Polizist“, sagt Kück. Jemand habe mitbekommen, dass | |
Tonaufnahmen gespeichert würden. Und zwar am 23. Juni, als nach der | |
Prügelszene die Videoaufzeichnungen gesichert werden sollten. Noch am 4. | |
Juli – elf Tage und ein Disko-Wochenende später – muss die Gefahr noch so | |
groß gewesen sein, dass die Polizei ohne Strafantrag durchsuchte. Dass | |
durchsucht worden sei, um Beweismittel beiseite zu schaffen, weise sie | |
„entschieden zurück“, sagt Kück. | |
Auch die Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagt, dass solche Durchsuchungen | |
eher selten vorkämen. Gleiches hört man auch von Seiten der Polizei oder | |
der Landesdatenschutzbeauftragten. Eigentlich kann sich keiner der | |
Gefragten überhaupt erinnern, dass eine Disko und Wohnungen in Bremen wegen | |
eines Datenschutzvergehens durchsucht wurden. | |
10 Jul 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=LIvRVw4ardg | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
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Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
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