# taz.de -- Prügelprozess wird neu aufgerollt: Vom Polizisten überfallen | |
> Der Prozess um einen Polizisten, der einen Mann ohne Anlass brutal | |
> attackierte, geht in die nächste Instanz. Das Opfer durchlebt das Trauma | |
> nun zum dritten Mal | |
Bild: Vor schlagkräftigen Polizisten wie Marcel B. müssen sich alle Menschen … | |
BREMEN taz | Für den rechtschaffenen, unbescholtenen Bürger V. de O. | |
beginnt der Albtraum jetzt ein drittes Mal. Aber eigentlich, wenn man es | |
genau nimmt, dann hat er seit vier Jahren nicht mehr aufgehört. | |
Am kommenden Donnerstag wird vor dem Bremer Landgericht die | |
Berufungsverhandlung gegen den Mann eröffnet, der V. de O. vor vier Jahren | |
frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit in Walle auflauerte. Er schlug ihm | |
mehrfach mit der Faust ins Gesicht, eine richtige Prügelattacke, ohne | |
Warnung und ohne Maß. So sagen es die Zeugen, und so sagt es der | |
medizinische Sachverständige später im Prozess. | |
Die Verletzungen, die V. de O. an jenem Morgen davonträgt, sind so schwer, | |
dass selbst die Rettungssanitäter sagen, sie hätten so etwas noch nicht | |
gesehen – jedenfalls nicht nach einem Polizeieinsatz. Und das sollte es | |
wohl sein, ein Polizeieinsatz: Knapp eine Stunde bevor V. de O. sich auf | |
den Weg zur Arbeit in der Fleischfabrik machte, war in anderthalb | |
Kilometern Entfernung ein Einbruch gemeldet worden. | |
## Angeblicher Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte | |
Der Zivilpolizist Marcel B. legte sich daraufhin auf die Lauer im Gebüsch | |
an der Waller St.-Marien-Kirche. Als V. de O., ein Brasilianer mit | |
schwarzer Hautfarbe und einer Tasche mit Wechselkleidung in der Hand, des | |
Weges kam, stürzte sich Marcel B. auf ihn. Das Resultat der angeblichen | |
polizeilichen Kontrolle: Eine Blow-out-Fraktur des linken | |
Augenhöhlenbodens, eine Jochbeinfraktur sowie eine Kieferhöhlenfraktur mit | |
Einblutungen. | |
Die körperlichen Wunden sind inzwischen verheilt, zurück bleiben massive | |
psychische Traumata: V. de O. leidet bis heute unter einer | |
posttraumatischen Belastungsstörung, Depressionen und einer Panikstörung. | |
Wenn sich ihm jemand von hinten nähert, ist das für seine Psyche schon viel | |
zu viel. | |
Er hat Schwierigkeiten bei der Arbeit, eine Fleischfabrik ist keine | |
Spaßveranstaltung, der Ton dort rau. Er musste aus seiner Wohnung | |
ausziehen, weil er nicht mehr allein sein konnte, öffentliche | |
Verkehrsmittel musste er, der prekär Beschäftigte, der sich kein Auto | |
leisten kann, ebenfalls meiden: „Er ist in seiner Lebensführung schwerst | |
beeinträchtigt“, sagt seine Anwältin Britta von Döllen-Korgel. Wie er sein | |
Leben trotzdem meistert? „Er schleppt sich irgendwie zur Arbeit, ich weiß | |
nicht, wie er das schafft.“ | |
Zwei Jahre dauerte es von der Tat bis zum ersten Prozess, was daran lag, | |
dass der Polizeikommissar seinerseits das Opfer anzeigte: wegen angeblichen | |
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Dass das nicht haltbar war, hat das | |
Gericht trotz der offenbar abgesprochenen Zeugenaussagen von B.s Kollegen – | |
bei der Polizei heißt so etwas „Korpsgeist“ – schnell erkannt. | |
## Marcel B. ist trotz Verurteilung noch im Dienst | |
Verurteilt wurde schließlich der Kommissar: Das Gericht stellte in seinem | |
Urteil ungewöhnlich deutlich die „besondere Brutalität“ fest und verhäng… | |
für die Prügelattacke ein Jahr und drei Monate, ausgesetzt zur Bewährung. | |
Das hätte das Ausscheiden aus dem Polizeidienst zur Folge gehabt. Marcel | |
B., der seit 2015 vom Dienst suspendiert ist, hat gegen das erste Urteil | |
Berufung eingelegt. | |
Daraufhin passierte ziemlich lange nichts. Zwei Jahre lag die Akte beim | |
Landgericht, Anwältin von Döllen-Korgel sagt: „Dass es so lange dauert, ist | |
absolut nicht üblich, das habe ich noch nie erlebt.“ Sie findet es | |
„unglaublich“, dass erst jetzt, nunmehr vier Jahre nach der Tat, alles noch | |
einmal von vorn losgeht: Eine komplette Hauptverhandlung mit um die 20 | |
geladenen Zeugen – und einem schwer traumatisierten Opfer, das jetzt alles | |
noch einmal durchleben muss. | |
Die Aussagen, die Bilder, alles Erlebte wird wieder aufgerührt. Dazu kommt: | |
„Die Zeugenaussagen werden mit dem Zeitablauf nicht besser“, sagt Anwältin | |
von Döllen-Korgel. Was sie sich für ihren Mandanten erhofft? „Ich hoffe, | |
dass Marcel B. sein Verschulden einräumt“ und es nicht zu einer ellenlangen | |
Hauptverhandlung komme. Sie hofft, dass der Albtraum für ihren Mandanten | |
„auch mal ein Ende hat, und zwar eines mit einer Verurteilung“. | |
21 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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