| # taz.de -- Landgericht Bremen gegen Polizeigewalt: Prügelpolizist erneut veru… | |
| > Der Polizist Marcel B. schlug vor vier Jahren einen Brasilianer | |
| > krankenhausreif. Nun bestätigte das Landgericht das Urteil gegen ihn. | |
| Bild: Hier verlor er sein Leben, so sagt es V. de O. | |
| BREMEN taz | Der Polizist Marcel B. wurde zu Recht wegen Körperverletzung | |
| im Amt verurteilt. Damit bestätigte am Montag das Landgericht Bremen ein | |
| Urteil des Amtsgerichts vom 8. Mai 2015. Dieses hatte es für erwiesen | |
| gehalten, dass der Zivilbeamte am 21. Mai 2013 den damals 54-jährigen | |
| Brasilianer V. de O. krankenhausreif geschlagen hatte. Das Amtsgericht | |
| hatte ihn zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf | |
| Bewährung verurteilt. | |
| Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft hatten dagegen | |
| Berufung eingelegt – der Verteidiger forderte einen Freispruch, der | |
| Staatsanwalt eine höhere Strafe. Beide Berufungen wies das Landgericht | |
| zurück. | |
| Auch für das Landgericht stellte sich der Tatvorgang wie folgt dar: Am | |
| frühen Morgen des 21. Mai hatte der Polizist sein Opfer V. de O. in der | |
| Sankt-Magnus-Straße in Walle verfolgt, nach eigenen Angaben, weil er ihn | |
| für einen Dieb hielt, der zuvor in der Nähe eingebrochen war. V. de O., der | |
| auf dem Weg zur Arbeit war, hingegen hielt seinen Verfolger für einen | |
| Verrückten und wechselte aus Angst die Straßenseite. Hätte er gewusst, dass | |
| es sich um einen Polizisten handelte, wäre er niemals davon gelaufen, hatte | |
| er dem Gericht gesagt. In seinem Heimatland wäre dann auf ihn geschossen | |
| worden. | |
| Marcel B. stürzte sich von hinten auf ihn, brachte ihn zu Boden und schlug, | |
| auf ihm sitzend, auf seinen Kopf ein. Erst als Kolleg*innen am Tatort | |
| eintrafen, ließ er von ihm ab. So hatte es V. de O. geschildert, Zeug*innen | |
| hatten dies bestätigt. „Er hat die Wahrheit gesagt, daran gibt es keinen | |
| Zweifel“, so Richterin Maike Wilkens. | |
| Ganz anders bewertete sie das Verhalten des Angeklagten. Seine Äußerungen | |
| seien wenig „nachfühlbar“ gewesen, sein Bedauern habe nicht authentisch | |
| gewirkt. „Dass Sie sich nicht fragen, ob Sie etwas falsch gemacht haben, | |
| macht uns als Gericht ratlos.“ Schlimmer noch: „Sie haben Ihre Aussagen an | |
| die jeweilige Beweislage angepasst.“ So habe Marcel B. erst behauptet, nur | |
| einmal zugeschlagen zu haben. Als ein medizinisches Gutachten zu dem | |
| Schluss kam, die Schwere der Kopfverletzungen würden auf mindestens zwei | |
| Faustschläge hindeuten, konnte sich Marcel B. dann doch an zwei erinnern. | |
| Zudem habe er die Anzeige gegen V. de O. wegen Widerstands gegen | |
| Vollstreckungsbeamte nicht direkt nach dem Vorfall gestellt, sondern erst | |
| nachdem er in Bedrängnis geriet. Und aus dem von Marcel B. zunächst | |
| geschilderten angeblichen Angriffs des körperlich weit unterlegenen V. de | |
| O.s sei im Laufe der Zeit immer weniger geworden, so Wilkens. „Am Ende | |
| fragen wir uns, worin die Widerstandshandlung überhaupt bestanden haben | |
| soll.“ | |
| Unterstützt hatten Marcel B.s Version zwei Kolleg*innen, die damals am | |
| Tatort waren. „Sie wirkten wie 12-Jährige, die man beim Klauen erwischt | |
| hat“, erinnerte der Staatsanwalt an die Aussage des Rettungssanitäters, der | |
| den Verletzten versorgt hatte. Als sie im jetzt neu aufgerollten Verfahren | |
| ihre mutmaßlichen Falschaussagen wiederholen wollten, riet ihnen die | |
| Richterin, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, um sich | |
| nicht selbst zu belasten. Die mutmaßlichen Falschaussagen können zu | |
| weiteren Prozessen führen, deutete Staatsanwalt Björn Rothe an. | |
| Rothe nutzte sein Plädoyer zu einem Kurzreferat über Rechtsstaatlichkeit | |
| und Polizeigewalt. Eine solche Tat sei geeignet, das Vertrauen der | |
| Bürger*innen in die Polizei und damit in den Rechtsstaat tief zu | |
| erschüttern. Deshalb müssten sich alle anderen Polizist*innen deutlich vom | |
| kriminellem Verhalten eines Kollegen distanzieren – anstatt ihn in einem | |
| „falsch verstandenen Korpsgeist“ zu schützen. Wie schon im Verfahren in | |
| erster Instanz, saßen bei der Urteilsverkündigung ein Dutzend Kolleg*innen | |
| von Marcel B. im Publikum. Auch an sie richtete Rothe seine Ansprache. „Wer | |
| das anders sieht, stellt sich gegen unsere Grundordnung, die Bürger sind | |
| keine Feinde, sondern konstituieren den Staat.“ | |
| Marcel B. hingegen fehle es an Empathie, der Fähigkeit, sich in das | |
| polizeiliche Gegenüber hineinzuversetzen. Daher sei es richtig, dass er | |
| seinen Job verliert, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Auch das Gericht | |
| hält Marcel B. für ungeeignet, seinen Job weiter auszuüben. Die | |
| Nebenklagevertreterin Britta Döllen-Korgel erinnerte daran, dass Marcel B. | |
| ihren Mandanten verhöhnt hatte, als dieser die Polizei zu Hilfe rief. | |
| V. de O. ist nach einem gestern verlesenen Attest weiter arbeitsunfähig | |
| aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung, leidet an massiven | |
| Ängsten und hat sich aus seinem sozialen Leben, „völlig zurückgezogen“, … | |
| seine Anwältin. An der Urteilsverkündigung nahm er nicht teil, um ein | |
| Wiederauffrischen des traumatischen Erlebnisses zu vermeiden. „Er hat sein | |
| Leben, so wie es vorher war, verloren“, stellte die Richterin fest. | |
| Binnen einer Woche kann gegen die Entscheidung Revision eingelegt werden. | |
| 14 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
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