# taz.de -- Brechmittelprozess: Aussage voller Widersprüche | |
> Im dritten Prozess um den Brechmittel-Tod von Laye Condé hat jetzt zum | |
> ersten Mal der angeklagte Polizeiarzt ausgesagt – und sich damit | |
> unglaubwürdig gemacht | |
Bild: Wie oft er "Zwangs-Exkorporationen" durchgeführt hat, weiß Igor V. offe… | |
Der Verlauf des dritten Verfahrens gegen den Polizeiarzt Igor V., der dem | |
aus Sierra Leone stammenden Laye Condé im Dezember 2004 so lange | |
Brechmittel und Wasser eingeflößt hatte, bis der ins Koma fiel und wenige | |
Tage später starb, verhieß nichts Gutes – zumindest nicht für | |
Prozessbeobachter der „Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé“ und Elke | |
Maleika, Rechtsanwältin von Condés Mutter. Zu wenig konzentriere sich das | |
Verfahren auf die Person des Angeklagten, der Condé durch die | |
„Zwangsexkorporation“ zum Erbrechen verschluckter Drogenkügelchen bringen | |
wollte. Mit dem gestrigen Prozesstag hat sich das geändert, denn Igor V. | |
hat zum ersten Mal ausführlich ausgesagt – und dabei keine gute Figur | |
abgegeben. | |
In den vorangegangenen Prozessen – sie endeten mit Freisprüchen für den | |
Polizeiarzt, die vom Bundesgerichtshof (BGH) beide wieder aufgehoben wurden | |
– hatte V. seinem Verteidiger das Wort überlassen. Jetzt wollte er selbst | |
reden. Er habe, sagt er am ersten Prozesstag Anfang April, hunderte von | |
Brechmittelvergaben durchgeführt, aber nur zwei unter Zwang – | |
einschließlich der von Laye Condé. Er habe dies äußerst ungern getan und | |
durch das Hinzuziehen eines Notarztes nach dem Ausfall von Condés | |
Sauerstoffmessgerät gehofft, die Exkorporation beenden zu dürfen. Der | |
Notarzt habe ihm aber „leider“ erlaubt, mit der Brechmittelvergabe | |
fortzufahren. | |
Gestern behauptete er freilich, insgesamt fünf Zwangs-Exkorporationen | |
durchgeführt zu haben – und keinen Notarzt verlangt zu haben: „Condés | |
Vitalwerte waren alle in Ordnung, also war klar, dass das Messgerät kaputt | |
war. Ich wollte deswegen nur einen Krankenwagen.“ Den Notarzt habe er | |
lediglich auf Anraten eines Polizeibeamten gerufen. Er habe Condé gründlich | |
untersucht, während er auf den Arzt gewartet habe, da sei es ihm gut | |
gegangen. | |
Die gemeinsam mit dem Notarzt eingetroffenen Sanitäter stellten bei Condé | |
indes kalte Hände, flache Atmung und verkleinerte Pupillen fest und | |
verabreichten ihm Sauerstoff. Er könne sich das nicht erklären, so V., er | |
habe nichts dergleichen festgestellt und regelmäßig Condés Pupillen | |
untersucht. Später ergänzte er allerdings, die Pupillen wegen des | |
schlechten Lichts im Exporporations-Raum nicht richtig erkannt zu haben, | |
„und außerdem hat Condé ständig die Augen zugemacht.“ | |
Mehrfach fragte die Vorsitzende Richterin, warum V. mit der | |
Brechmittelvergabe nicht aufgehört habe: „Sie wollten das nach eigenen | |
Angaben doch gar nicht tun – die vom Notarzt tatsächlich festgestellte, | |
schlechte Sauerstoffversorgung hätte Ihnen doch genug Grund gegeben, damit | |
aufzuhören.“ Er habe, so V., einfach keinen Anlass dafür gehabt; nachdem | |
Condé Sauerstoff erhalten habe, sei es ihm ja wieder gut gegangen. „Ich | |
wollte nicht tricksen, um aufhören zu können.“ | |
Mehrfach, so die Vorsitzende Richterin, habe V. den Notarzt gefragt, ob er | |
mit der Brechmittelvergabe weitermachen dürfe: „Das klingt für mich nach | |
Unsicherheit. Und ich habe den Eindruck, dass Sie den Notarzt entgegen | |
ihrer Aussage freiwillig gerufen haben, uns den Grund dafür aber nicht | |
sagen mögen.“ | |
22 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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