# taz.de -- Britische Chef-Spione: Gar nicht wie James Bond | |
> Im britischen Parlament sind die Leiter der Geheimdienste befragt worden. | |
> Sie sagen, sie arbeiten mit hohen ethischen Standards im Interesse des | |
> Landes. | |
Bild: Verplapperten sich nicht: Die Chefs der britischen Geheimdienste | |
DUBLIN taz | Früher kannte man nicht mal ihre Namen. Heutzutage treten die | |
Chefs der drei britischen Spionageorganisationen im Fernsehen auf. | |
Allerdings tun sie das nicht freiwillig. Ein Ausschuss des Unterhauses | |
hatte sie vorgeladen. Die Befragung wurde von der BBC übertragen – | |
allerdings mit einer Verzögerung von zwei Minuten, damit man die | |
Übertragung schnell unterbrechen hätte können, falls die drei Herren | |
versehentlich ein Geheimnis ausplappern sollten. | |
Das taten sie natürlich nicht. Statt dessen nutzten John Sawers vom MI6, | |
Andrew Parker vom MI5 und Iain Lobban vom obergeheimen „Government | |
Communications Headquarters“ (GCHQ) ihren ersten Auftritt, um ihre | |
Organisationen in überaus günstigem Licht erscheinen zu lassen: Man habe | |
hohe ethische Standards, halte sich an alle Gesetze und arbeite bei magerem | |
Lohn im Interesse der Bevölkerung, um den britischen Lebensstil zu | |
bewahren. | |
Die 90-minütige Anhörung war anberaumt worden, bevor die Massenüberwachung | |
durch britische und US-Geheimdienste vom NSA-Whistleblower Edward Snowden | |
aufgedeckt wurde. Aber sie kam zur Sprache. Andrew Parker, der seit April | |
Generaldirektor des Inlandsgeheimdienstes MI5 ist, hatte in seiner | |
Antrittsrede vergangenen Monat Journalisten und Zeitungen beschuldigt, mit | |
der Veröffentlichung der Snowden-Materialien „den Terroristen ein Geschenk“ | |
gemacht zu haben. | |
Die Enthüllungen haben die Arbeit der Geheimdienste sehr erschwert, sagten | |
die drei Chefs. Auf die Frage, ob sie das konkretisieren können, sagte | |
Lobban, das werde man später hinter verschlossenen Türen ohne Kameras und | |
Öffentlichkeit tun. Er deutete lediglich an, dass man die Kommunikation | |
zwischen potentiellen Terroristen im Nahen Osten und in Afghanistan | |
abgefangen habe. Darin sei es um die Suche nach neuen Wege gegangen, um den | |
Lauschangriffen künftig zu entgehen. | |
## Nur die Nadel, nicht das Heu | |
Eine Massenüberwachung der Bevölkerung finde nicht statt, behauptete | |
Lobban. Er verglich das Material, das seine Organisation sichere, mit einem | |
Heuhaufen. GCHQ picke sich lediglich die Nadel – also die verdächtigen | |
Teile – heraus, lasse das umliegende Heu jedoch unberührt. Geheim bedeute | |
keineswegs zwielichtig. | |
Man habe 34 Anschläge seit den Londoner Attentaten von 2005 aufgrund von | |
Überwachung vereitelt, sagte Lobban. Er ist seit 2008 Chef des GCHQ, der | |
elektronischen Lauschabteilung. Der 53-jährige hat mehr als 6.000 | |
Mitarbeiter, seine Abteilung verschlingt den Löwenanteil der zwei | |
Milliarden Pfund Steuergelder für die drei Organisationen. Lobban steht | |
nicht gerne im Rampenlicht, die Befragung im Unterhaus war sein erster | |
öffentlicher Auftritt. | |
Die letzte Frage, ob denn nun jeder jeden ausspioniere, zielte wohl auf die | |
neuesten Enthüllungen über die Aktivitäten der Geheimdienste in Berlin und | |
anderen Städten im Ausland ab. Sawers, seit 2009 Chef des | |
Auslandsgeheimdienstes MI6, antwortete ausweichend, alle Aktivitäten seien | |
von der Regierung abgesegnet. Im Übrigen operiere man nur in sehr wenigen | |
Ländern. | |
## Ein grünes „C“ | |
Der 50-jährige Physiker unterzeichnet seine offiziellen Briefe stets mit | |
dem Buchstaben „C“ in grüner Tinte. Das erinnert an James Bond, aber Sawers | |
versicherte, dass keiner seiner Agenten wie Bond unabhängig operiere, | |
sondern stets von der Zentrale kontrolliert werde. Und man würde niemals | |
einen ausländischen Geheimdienst bitten, einen Verdächtigen zu verhören, | |
wenn die Gefahr bestünde, dass er gefoltert würde. | |
Das werden die Opfer anders sehen. Das „Rendition Project“, eine | |
interaktive Webseite, hat im Frühjahr Beweise vorgelegt, dass | |
Großbritannien in mindestens 144 Fällen an Kidnapping und außerordentlichen | |
Auslieferungen beteiligt war. Der libysche Dissident Abdel Hakim Belhaj hat | |
die britische Regierung inzwischen verklagt, weil er und seine schwangere | |
Frau Fatima Bouchar im Jahr 2004 auf Initiative des MI6 entführt und nach | |
Tripolis ausgeliefert wurden, wo man sie folterte. | |
7 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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