# taz.de -- Globale Erwärmung: Kohlendioxid direkt kappen | |
> Die Politik der Klimaverhandlungen kommt nicht voran. Deshalb sollte die | |
> verpönte Speicherung von Treibhausgas erzwungen werden. | |
Bild: Qualmende Schornsteine: Die CCS-Technik könnte das CO2 bei der Verbrennu… | |
BERLIN taz | Nachdem die Klimakonferenz von Warschau gescheitert ist, fragt | |
man sich, ob es nicht einen Klimaschutz gibt, bei dem man nicht darauf | |
warten muss, dass die Irrfahrt der globalen Verhandlungen ans Ziel gelangt. | |
Es gibt solche Wege, wie der Oxforder Klimaexperte Myles Allen beständig | |
predigt. Die Zauberformel ist „Carbon Capture and Storage“ (CCS), die | |
langfristige Speicherung von Kohlendioxid. | |
Ja genau, die Technik, die bei uns längst ad acta gelegt wurde. CCS ist der | |
Versuch, Kohlendioxid bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen | |
abzuscheiden und im Boden zu beerdigen, zum Beispiel dort wo das geförderte | |
Öl oder Gas sich befand. Die Hoffnung ist, die Klimaerwärmung damit gleich | |
mit zu beerdigen. | |
Das klingt zu schön, um wahr zu sein und in der Tat, die Einwände sind | |
zahlreich. Inzwischen gibt es in Europa keine Versuchsanlage mehr, da der | |
CO2 Preis eingebrochen ist. | |
CCS sei zudem gefährlich, denn wenn CO2 etwa mit Hilfe von Erdbeben | |
wiederauferstehe, die durch das Verpressen entstehen, wirke es erstens | |
wieder negativ auf das Klima ein (außer Spesen wäre dann nichts gewesen) | |
und zweitens könnten Anwohner dieser Himmelfahrt vergiftet werden. | |
## Argumente von Myles Allen | |
Soweit so klar. Aber trotzdem gibt es glühende Befürworter wie eben Myles | |
Allen, welcher der Debatte eine rasante Wende gibt, indem er argumentiert: | |
1. Die CO2-Emissionen müssen gesenkt werden. Politisch ist das kaum | |
durchsetzbar, solange wir noch große Vorräte billiger fossiler Brennstoffe | |
haben (ca. 3,5 Billionen Tonnen, etwa das Siebenfache der bisher | |
verbrannten Menge). Selbst wenn einige Länder erneuerbare Energien | |
einführen, ändert das nichts daran, dass andere Länder die billigen | |
fossilen Brennstoffe dann an ihrer Stelle verbrennen, solange ein globales | |
Abkommen fehlt, dass einen Deckel auf die Treibhausgasemissionen setzt. | |
2. Wenn man CCS für jedes Unternehmen, das fossile Brennstoffe fördert, | |
verbindlich macht, wenn man also funktionierendes CCS mit der Existenz der | |
Öl-, Kohle- und Gasbranche verknüpft, wird diese Technik schnell | |
kostengünstig verfügbar sein. Wenn man CCS erzwingt, wird die Technik nicht | |
nur in Laboren erforscht, sondern in großen Mengen produziert und erst das | |
schafft technische und ökonomische Durchbrüche. Diese „Skaleneffekte“ | |
konnten wir beobachten, als die erneuerbaren Energien eingeführt wurden. | |
3. Damit der CCS-Zwang die Unternehmen nicht sofort ruiniert, wäre es | |
angebracht, die zu speichernden Mengen nur langsam zu steigern: Erst muss | |
nur ein Prozent einer bestimmten Fördermenge gespeichert werden – und diese | |
Zahl wächst kontinuierlich und berechenbar. | |
4. Gefahren mag es durch die neue Technik geben, allerdings sind diese | |
verglichen mit denen des Klimawandels so gering, dass man die Risiken im | |
Vergleich rechtfertigen kann. | |
5. So etwas politisch umzusetzen, scheint vergleichsweise einfach zu sein: | |
Ein neues Gesetz der nationalen Regierungen, das regelt, wie Förderlizenzen | |
vergeben werden, reicht aus. Internationale Verhandlungen und Konsense, die | |
eh nicht zustande kommen, sind unnötig. Die Konzerne sollten ebenfalls | |
interessiert sein. Das zeigt das Beispiel des Gorgon-Gas-Projekts in | |
Australien. Dort war eine bestimmte CCS-Quote eine Auflage für die | |
Fördergenehmigung und Chevron und andere Konzerne haben das Projekt | |
gleichwohl realisiert. Es rechnete sich also noch. | |
6. Wird das nicht teuer für die Konsumenten? Nur für die von fossiler | |
Energie. Weshalb weiter viele Kunden auf erneuerbare Energien ausweichen | |
werden. Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wird so gesenkt. Ein | |
erwünschter Effekt. | |
## Hat er Recht? | |
Soweit Myles Allen. Er hält seinen radikalen Ansatz für „die“ Lösung des | |
Klimaproblems. Hat er Recht? | |
Wenn CCS fehlschlägt, ist das eingesetzte Geld verloren. Erneuerbare | |
Energien zu installieren, ist hingegen auch ohne Klimaeffekte sinnvoll. So | |
kann die Energieversorgung sichergestellt werden, wenn die fossilen | |
Brennstoffe aufgebraucht sind. | |
Allerdings: Das Geld für CCS stammt nicht vom Steuerzahler, sondern von | |
Konzernen. Das finanzielle Risiko tragen sie allein. Ihre Macht wird durch | |
diese Politik verfestigt, sofern CCS gelingt, aber: Es führt kein Weg an | |
erneuerbaren Energien und damit an dezentralen Wegen, Energie zu erzeugen, | |
vorbei. | |
Denn fossile Brennstoffe sind endlich und CCS erfasst sowieso nur bis zu 50 | |
Prozent der Emissionen. Daher sind und waren Investitionen in die | |
Entwicklung der erneuerbaren Energien richtig, die staatliche | |
Energiepolitik braucht sich nicht zu ändern, wenn man CCS erzwingt. Zumal | |
weil auch dann ein Risiko besteht, dass die Technik scheitert. | |
CCS zu erforschen und marktfähig zu machen, wäre nicht mehr Sache von | |
Staaten und Steuerzahlern, sondern müsste von der Industrie geschultert | |
werden. Damit ist der gesamte Sektor der Kosten und Effizienz als | |
Gegenargument brachgelegt: Wenn die Industrie sich auf das Spiel einlässt, | |
wie sie es in Australien beim Gorgon-Gas-Projekt getan hat, sind diese | |
Probleme nicht mehr die der Bürger. | |
Allein die Sicherheitsbedenken bleiben. Aber wenn man ordnungspolitisch | |
hohe Sicherheitsstandards vorgibt und CCS nicht in bevölkerungsreichen | |
Gegenden einsetzt, wäre auch dies kontrollierbar, zumindest wenn man sich | |
klar macht, welche Schäden durch einen gebremsten Klimawandel vermieden | |
werden könnten. | |
Der Staat baut nicht auf technische Wunder, die sind allein das Problem der | |
brillanten Ingenieure der Energiekonzerne. Aber der Staat schließt solche | |
Wunder auch nicht aus und setzt Anreize für ihr Gelingen. So eine Politik | |
kann eigentlich nur gewinnen. | |
8 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Bernward Gesang | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Treibhausgase | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Energiewende | |
EU | |
CCS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Emissionshandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Klimakonferenz in Dubai | |
Energiewende | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
Klimagipfel COP19 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Emissionen in Deutschland: Es gibt immer mehr Klimakiller | |
Der CO2-Ausstoß steigt weiter an – vor allem im Verkehr. Es wird damit | |
immer unrealistischer, das Emissionsziel für 2020 noch zu erreichen. | |
Australien schafft CO2-Steuer ab: „Historische Verantwortungslosigkeit“ | |
Als erstes Land hat Australien seine Klimaschutzsteuer gestrichen. Als | |
Nächstes stehen die erneuerbaren Energien auf der Abschussliste. | |
Energiewende, philosophisch betrachtet: Milan gegen Windrad | |
Ein schneller Umbau zu Erneuerbaren Energien oder doch lieber Naturschutz – | |
welche Entscheidung ist moralisch richtig? | |
Energie- und Klimapolitik der EU: National bindende Ziele gekippt | |
Der Ausstoß von Klimagasen soll um 40 Prozent sinken – aber die | |
Mitgliedsstaaten bekommen mehr Autonomie. Die EU-Pläne erfreuen die | |
Industrie und verärgern die Grünen. | |
Kommentar CCS-Beschluss der EU: Unterirdischer Lobbyismus | |
Über das Papier zur Speicherung von Kohlendioxid im Boden freut sich die | |
Kohlelobby. Eine klimafreundliche Wirtschaft sieht anders aus. | |
Europaparlament für CO2-Verpressung: Das Kartell der Klimaretter | |
Das Europaparlament ist sich sicher: Um den weltweiten Temparaturanstieg | |
unter zwei Grad zu halten, muss Kohlendioxid in die Erde gepumpt werden. | |
Debatte Klima: Sonne und Wind trotz Kioto | |
UN- Klimaschutzverhandlungen sind voller Beschränkungen und ziehen negative | |
Effekte nach sich. Wer das anerkennt, kann über Alternativen sprechen. | |
Neues Treibhausgas identifiziert: 7.100-fach klimaschädlicher als CO2 | |
Schon seit Jahrzehnten wird das von Menschen geschaffene PFTBA genutzt. | |
Kanadische Wissenschaftler entdeckten nun seine klimaschädliche Wirkung. | |
Debatte Klima: Ins Scheitern verliebt | |
Die Klimakonferenz von Warschau war keineswegs ein Misserfolg. Aber wir | |
reden uns das ein, damit wir besser schlafen können. | |
Modellrechnung für den Umstieg: Deutschlands Energie 2050 | |
Eine Fraunhofer-Studie zeigt: Ein Ausstoß von 80 Prozent weniger | |
Treibhausgas ist möglich und nicht teurer als das heutige Energiesystem. | |
Reduzierung von Treibhausgasen: Japans Regierung kippt eigene Ziele | |
Das Ziel der japanischen Regierung ist es, zur Atomkraft zurückzukehren. | |
Bis dahin wird auf fossile Energieträger gesetzt. | |
19. UNO-Klimakonferenz in Warschau: Kumpel gegen Klimagipfel | |
In Polen wird über den Kampf gegen schädliche Treibhausgase beraten. | |
Parallel trifft sich die Kohlelobby und demonstrieren die Bergmänner. |